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Rechte und Coronakrise
Verfassungsschutz warnt vor rechtsradikaler Gewalt

Der Verfassungsschutz hat seinen Blick auf die rechtsextreme Szene deutlich verschärft. Denn diese will das angeblich bevorstehende Chaos durch die Coronakrise für sich nutzen. Politiker fordern darum, den Fahndungsdruck auf die Rechtsextremen beizubehalten und noch zu verstärken.

Von Marcus Pindur | 03.04.2020
Glatzköpfige, in schwarz gekleidete Männer sind von hinten zu sehen, wie sie mit Flaggen durch die Straße ziehen.
Die Hoffnung auf bürgerkriegsähnliche Zustände ist fester Bestandteil rechtsextremer Putsch-Fantasien (dpa/Jan Woitas)
Die Sicherheitsbehörden beobachten derzeit eine Zunahme rechtsextremer Aktivitäten im Zuge der Coronakrise. Vertreter des Bundesamtes für Verfassungsschutz und des Bundesinnenministeriums setzten die Obleute des Innenausschusses davon in Kenntnis.
Demnach bereiten sich rechtsextreme Mitglieder sogenannter Prepper-Gruppen auf einen angeblich bevorstehenden Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung durch die Coronakrise vor. In mehreren Bundesländern sollen sie Waffen und Munition aus Verstecken geholt haben. Weitere Einzelheiten wurden nicht bekannt.
Teile der extremen Rechten hätten sich auf genau solche Situationen vorbereitet und könnten mit Anschlägen aktiv werden, erklärte die Linken-Innenexpertin Martina Renner dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Der innenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Konstantin Kuhle, sagte gegenüber dem Deutschlandfunk:
"Die Coronakrise löst innerhalb der Bevölkerung ein hohes Maß an Verunsicherung aus. Und es besteht Grund zur Sorge, dass Rechtsextremisten diese Verunsicherung ausnutzen, für Desinformation, aber auch für Vorbereitungshandlungen mit Blick auf Straftaten."
Rechtsextreme Putsch-Fantasien
Die Hoffnung auf bürgerkriegsähnliche Zustände ist fester Bestandteil rechtsextremer Putsch-Fantasien. In einem imaginierten gesellschaftlichen Chaos sollen die verhassten etablierten Strukturen in Politik und Gesellschaft beseitigt werden – deswegen sind viele dieser potentiellen Gewalttäter auch waffenfixiert.
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Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat seinen Blick auf die rechtsextreme Szene deutlich geschärft. Spätestens mit dem Amtsantritt des Verfassungsschutz-Präsidenten Haldenwang vor anderthalb Jahren steht der Rechtsextremismus hoch auf der Prioritätenliste der Verfassungsschützer. Auf dem rechten Rand ist der Trend zur mentalen und tatsächlichen Militarisierung unverkennbar. Die Sicherheitsbehörden gehen derzeit von einer Zahl von 12.700 gewaltorientierten Rechtsextremisten aus – Tendenz steigend.
Noch vor zwei Wochen ist eine etwa 140 Mitglieder starke Gruppe von sogenannten Reichsbürgern ausgehoben und verboten worden. Grundlage für dieses Verbot war eine Materialsammlung des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Im Februar war die sogenannte "Gruppe S." dingfest gemacht worden – sie hatte Anschläge auf zehn Moscheen geplant, mit dem Ziel, damit Unruhen auszulösen.
FDP-Politiker: Fahndungsdruck auf Rechtsextremisten verstärken
Konstantin Kuhle hält es für unabdingbar, den Fahndungsdruck auf die Rechtsextremisten beizubehalten und noch zu verstärken. Fragezeichen sieht noch er bei der Ausstattung der Sicherheitsbehörden.
"Deswegen müssen die neugeschaffenen Stellen im Bereich des Rechtsextremismus jetzt zügig besetzt werden und wir müssen an dem Vollzugsdefizit arbeiten. Rechtsextreme Gruppierungen müssen konsequent entwaffnet werden und offene Haftbefehle müssen vollstreckt werden. Es kann nicht sein, dass eine dreistellige Anzahl offener Haftbefehle im Bereich Rechtsextremismus nach wie vor besteht."
Weder das Bundesamt für Verfassungsschutz noch das Bundeskriminalamt oder die Behörden der Länder seien bereits auf dem nötigen Ausstattungsniveau, so Kuhle.
Im Dezember vergangenen Jahres hatte der Bundestag 600 neue Stellen für den Verfassungsschutz und das BKA zur Bekämpfung des Rechtsextremismus genehmigt.