Dienstag, 16. April 2024

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Rechtes Netzwerk in der Bundeswehr
Opposition drängt Regierung zur Aufklärung

Die "taz" berichtete vor zwei Wochen von einem rechten Untergrundnetzwerk in der Bundeswehr. In den Medien fand die Recherche kaum Widerhall, auch aus den zuständigen Ministerien kamen kaum Reaktionen. Inzwischen mehrt sich Kritik an der Regierung.

28.11.2018
    Bundeswehrsoldaten der Eliteeinheit Kommando Spezialkräfte (KSK) trainieren den Häuserkampf und eine Geiselbefreiung in Magdeburg.
    Bundeswehrsoldaten der Eliteeinheit Kommando Spezialkräfte. Zu ihnen zählte auch André S., Codename "Hannibal". (dpa-Bildfunk / Kay Nietfeld)
    Laut den "taz"-Recherchen haben sich Bundeswehrsoldaten, Polizisten, Richter, Beamte und Mitarbeiter des Verfassungsschutzes in einem bundesweiten Netzwerk zusammengeschlossen. Bei persönlichen Treffen und in Gruppenchats besprachen sie das Verhalten in einem Katastrophenfall, wegen dem staatliche Strukturen zusammenbrechen könnten. Für den Fall dieses "Tag X" sollen sie einen Umsturz geplant haben. In den Chats sei auch davon die Rede gewesen, dann Politiker und Aktivisten aus dem linken Spektrum zu töten.
    Zentrale Figur ist demnach André S., Codename Hannibal, einst Elitesoldat beim Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr, mit guten Kontakten zum Militärischen Abschirmdienst (MAD).
    Lücken in der Recherche?
    Trotz dieser Ergebnisse fallen die Reaktionen bisher verhalten aus. Der Sicherheitsexperte des Deutschlandradios, Gerwald Herter, führt das unter anderem darauf zurück, dass Belege fehlten. Die These von einem bundesweiten oder sogar internationalen Netzwerk von Elitesoldaten, Polizisten und anderen, die einen Umsturz planten, lasse sich so "aufgrund der vorhandenen Fakten nicht lückenlos belegen", sagte Herter in der Sendung "@mediasres". Allerdings sei die Quellenlage auch schwierig und Medien hätten weniger Zeit, sich um so aufwendige Recherchen zu kümmern.
    "Ergebnisse sind glaubhaft"
    Nicht nur Medien berichteten zaghaft über die Recherche, es bleiben bislang auch Reaktionen von Spitzenpolitikern wie den zuständigen Ministerin aus. Nach Einschätzung der FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann scheinen rechte Netzwerke vielen Menschen fälschlicherweise noch als unwirklich.
    Sie halte die Rechercheergebnisse aber für glaubhaft, auch wegen der vielen Details. "Es wird Zeit, dass wir diese Problematik, dass es Verfassungsfeinde auch innerhalb von Behörden und staatlichen Organisationen gibt, ernst nehmen", teilte sie auf Deutschlandfunk-Anfrage mit.
    Bruno Kahl (l-r), Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesverfassungsschutzes (BfV) und Christof Gramm, Präsident des Bundesamtes für den militärischen Abschirmdienst (MAD)
    Verschließen die Geheimdienste die Augen vor dem rechten Netzwerk? BND-Chef Bruno Kahl (l-r), Verfassungsschutz-Präsident Thomas Haldenwang und MAD-Chef Christof Gramm vor dem Parlamentarischen Kontrollgremium (dpa-Bildfunk / Wolfgang Kumm)
    Die stellvertretende FDP-Vorsitzende kritisierte weiter, bei der Problematik werde die Verantwortung intern immer wieder hin und her geschoben zwischen Innen- und Verteidigungsministerium und dem MAD, dem Verfassungsschutz und der Generalbundesanwaltschaft. Die Diskussion über rechte Netzwerke in der Bundeswehr gehöre in die Öffentlichkeit und damit in den Deutschen Bundestag.
    Auch die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen im Bundestag, Britta Haßelmann, kritisierte die zuständigen Ministerien auf Twitter. Sie forderte Aufklärung darüber, weshalb es keine Äußerungen aus den Ressorts zu den Recherchen gibt.
    Das Bundesinnenministerium wollte sich auf "taz"-Anfrage unter Verweis auf laufende Ermittlungen des Generalbundesanwalts nicht äußern, das Bundesverteidigungsministerium verwies auf den MAD.
    Kritik an der Bundesregierung
    Aus Sicht des Linken-Politikers André Hahn sind weitere Erkenntnisse nötig, um die Glaubhaftigkeit der Recherchen bewerten zu können. Die Rechercheergebnisse seien aber besorgniserregend, "gerade auch in Hinsicht auf ihre Dichte und das darin deutlich werdende Ausmaß". Ein solches Netzwerk wäre höchst demokratiegefährdend, erklärte das Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums auf Deutschlandfunk-Anfrage.
    Hahn warf der Bundesregierung vor, kein Interesse an einer öffentlichen Debatte zu haben. Die Linke werde hartnäckig darauf drängen, dass die Vorwürfe aufgeklärt würden.
    SPD fordert ebenfalls Aufklärung
    Auch aus den Reihen der Regierungsparteien kommt Kritik. Der SPD-Innenpolitiker Uli Grötsch mahnte in der "taz" ebenfalls eine lückenlose Aufarbeitung an. Er werde den MAD-Präsidenten Christof Gramm im Parlamentarischen Kontrollgremium befragen. "Wir müssen jetzt ein Auge darauf haben, das aufgeräumt wird, wo Gesinnungsmüll liegt. Oder noch Schlimmeres: Waffen und Sprengstoff."
    Gramm selbst hatte der "taz" gesagt, es gebe weder gewaltbereite Rechtsextremisten in der Bundeswehr noch extremistische Netzwerke. Er räumte jedoch ein, dass es zunehmende "Graubereiche zwischen Meinungsstärke und Extremismus" gebe. Die Identifizierung von Rechtsextremisten werde schwieriger.
    (hba/gwi)