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Rechtspopulismus im Zeichen des Kreuzes

Mit dem Motto "Abendland in Christenhand" wirbt die Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) bei der Wahl des Europaparlaments für sich. Doch die Slogans der selbsternannten "Kreuzritter" stoßen bei der katholischen Kirche auf Protest: Sie wehren sich gegen die Instrumentalisierung des Glaubens für rechtspopulistische Wahlkampfzwecke.

Von Andrea Mühlberger | 29.05.2009
    "Daham statt Islam!" oder "Asylbetrug heißt Heimatflug!". Die Wahlslogans der ultrarechten Freiheitlichen Partei Österreichs sind berüchtigt. Kabarettisten verballhornen genussvoll die politisch unkorrekten und sprachlich holprigen Reime. Doch in diesem EU-Wahlkampf ist Schluss mit lustig - seit die FPÖ und ihr Parteichef Heinz-Christian Strache ihren Kulturkampf zum "Kreuzzug gegen nichtchristliche Religionsgemeinschaften" ausgeweitet haben, mit ihrem Schlachtruf:

    "Abendland in Christenhand - und ich sag das ganz bewusst - auch mit dem Zeichen des Kreuzes, dem Kruzifix."

    Christliches Kreuz gegen türkischen Halbmond: Als Heinz-Christian Strache bei einer Wahlkampfveranstaltung ein weißes Holzkreuz hochhält und sich zum Kreuzritter stilisiert, bekommt er für diese Performance viel Beifall von seinen im Schnitt recht jungen Wählern - und erteilt ihnen gleich eine Lektion in Sachen christliches Weltbild der Freiheitlichen:

    "Wir wollen nicht erleben, dass - was Sozialisten und Grüne in Österreich aber auch quer durch Europa betreiben - Europa vielleicht eine Islamisierung erleben muss. Nein, das wollen wir nicht. Und wir wollen uns deshalb auch zu unsrem Christentum, zu unserer Wertegemeinschaft des christlich-europäischen Abendlandes bekennen."

    Der Rest der in weiten Teilen katholischen Alpenrepublik ist schockiert von dem ketzerischen Mysterienspiel. Österreichs sozialdemokratischer Kanzler Werner Faymann sieht in Heinz-Christian Strache nur noch den "Hassprediger".

    "Jemand, der so Politik macht, der muss wissen: Das ist kein Kavaliersdelikt!"

    Und selbst der eher zurückhaltende Bundespräsident Heinz Fischer hat den "Kreuzritter" Strache bereits zurückgepfiffen:

    "Ich glaube, dass das ein Verstoß gegen unseren Konsens ist, dass wir Religion und Politik in gegenseitigem Respekt, aber stets fein säuberlich getrennt halten."

    Doch inzwischen haben auch Österreichs Kirchen zum Gegenschlag ausgeholt: Sie wollen sich nicht länger von einem "Hassprediger" vorschreiben lassen, wie das christliche Abendland auszusehen hat; das Kreuz ausgerechnet in der Hand eines Mannes wie Heinz-Christian Strache, der bekannt ist für seine anti-islamische Hetze, für seine Kampagnen gegen Einwanderer. Nach dem Grundsatz "Rettet das Kreuz!" erheben immer mehr Kirchenvertreter die Stimme - wie der Grazer Diözesanbischof Egon Kapellari:

    "Das Kreuz sollte kein Instrument der Politik oder einer aggressiven Politik sein dürfen, sondern es ist aus Respekt für das Christentum mit Ehrfurcht zu behandeln."

    Es kommt nicht oft vor, dass sich Österreichs Kirchen in die Politik einmischen. Viel zu lange haben sie geschwiegen, sagen Kritiker. Besonders in jenen Jahren, als der inzwischen verstorbene Rechtspopulist Jörg Haider gegen Asylanten und gesellschaftliche Randgruppen polemisierte. In diesem EU-Wahlkampf thematisiert sogar der Wiener Kardinal Christoph Schönborn den plumpen Kreuzzug der Freiheitlichen in seiner Predigt:

    "Gilt es nicht, Brüder und Schwestern, gerade in unserer Zeit, in der menschenverachtendes Gedankenungut sich wieder ausbreitet, das Zeichen des Kreuzes als das Zeichen der Versöhnung, der Feindesliebe anzusehen."

    Das Kreuz dürfe nicht politisch missbraucht werden als Kampfsymbol gegen andere Religionen und Menschen, fordert der Kardinal. Und erläutert im Wiener Stephansdom, was christliche Politik eigentlich bedeutet:

    "Ein vom Christentum inspirierter Umgang mit den Fremden, den Verfolgten, denen wir, wenn sie wirklich bedroht und verfolgt sind, Aufnahme gewähren müssen, aber auch den Immigranten."

    Appelle, die bei den Freiheitlichen die Alarmglocken klingeln lassen: Der Kardinal als "Gutmensch". Die Kirche als Teil der "vereinigten Moralmafia", von der die FPÖ sich schon lange verfolgt fühlt.

    ""Das stört mich insgesamt, dass manche Vertreter der Amtskirche offenbar so mutlos geworden sind, dass sie sich zu Dingen wie dem Fortschreiten des radikalen Islam nicht äußern, aber glauben, ihr ganzes Engagement in die Kritik der Freiheitlichen legen zu müssen - und in gewisser Weise ist das beschämend","

    ... kritisiert Herbert Kickl, Wahlkampfmanager der FPÖ und verantwortlich für den Kreuzzug und alle Schlachtrufe, den Klerus.

    Doch dessen Engagement kommt ohnehin etwas spät: In Umfragen zur Europawahl schneiden die ultrarechten Freiheitlichen mit 22 Prozent noch besser ab als bei der Parlamentswahl vergangenen Herbst. Die FPÖ profitiere von den Folgen der globalen Krise, sagen Meinungsforscher. Die Angst vor Arbeitslosigkeit steige, vor allem unter Berufsanfängern. Schon bei der Nationalratswahl im Herbst gab es in der Alpenrepublik ein rechtes Erdbeben. Für manchen Österreicher war das der Beginn vom Untergang des Abendlandes.