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Rechtsradikale an Amerikas Hochschulen
Angst vor Gewalt und Übergriffen

Mit dem Aufstieg von Donald Trump und erst recht nach seinem Wahlsieg treten auch an den zumeist als liberal geltenden US-Universitäten vermehrt rechte Gruppen auf. Einige ihrer Wortführer reisen durch das Land von Hochschule zu Hochschule und hetzten gegen Minderheiten. Demnächst auch in New York.

Von Heike Wipperfürth | 22.11.2016
    Absolventen der Columbia University in New York während einer Abschlussfeier.
    Absolventen der Columbia University während der Commencement Ceremony in New (imago / Xinhua / Wang Lei)
    Die alternative Rechte in den USA besteht unter anderem aus weißen Nationalisten und Rechtsradikalen. Sie bekämpft den Feminismus, Einwanderer, Globalisierung und Gleichheit – und ist seit Donald Trumps Präsidentschaftskandidatur auch wieder auf den Unigeländen zu finden.
    "Einige von Ihnen kennen sicher den Begriff "Alternative Rechte". Die progressive Presse benutzt ihn zur Panikmache, er beschreibt aber den dynamischen Konservatismus von Leuten wie Donald Trump."
    So Milo Yiannopolous kürzlich bei seinem Auftritt im Dartmouth College, einer Eliteuni in New Hampshire. Um seine Männlichkeit zu beweisen und das Publikum zu schockieren, trank der Star des rechtsradikalen Nachrichtenportals Breitbart ein grosses Glas Pseudo-Urin, machte Stimmung gegen die Demokraten und hetzte gegen Minderheiten und Feministinnen – auf Einladung der republikanischen Studierendengruppe von Dartmouth.
    "Die Progressiven haben die Schwarzen immer wie Dreck behandelt. Mit dem Resultat, dass alle schwarzen Städte Höllenlöcher sind."
    "Ermutigt durch einen Präsidenten, der ihnen viel durchgehen lässt"
    Obwohl sein Twitter-Account im Juli geschlossen wurde, weil er auf ihm eine afroamerikanische Schauspielerin angegriffen hatte, reist der schwule Brite von einer US-Uni zur anderen, um Hass gegen den Liberalismus zu schüren. Aber er ist kein Einzelfall: Im Mai dieses Jahres forderten weiße Nationalisten auf dem Campus der Berkeley Universität in Kalifornien einen sogenannten "sicheren Platz" für die Alternative Rechte – und verhöhnten mit dieser Forderung die "sicheren Plätze", die "safe spaces", die einige Universitäten eingerichtet haben für Menschen, die aufgrund von Rasse oder ihrer sexuellen oder religiösen oder Geschlechtsidentität diskriminiert werden. Und das ist erst der Anfang, sagt Daryle Lamont Jenkins, ein Bürgerrechtsaktivist in Philadelphia.
    "Wir werden mehr Rekrutierungsbemühungen der neuen faschistischen Rechtsradikalen auf den Unigeländen sehen. Und mehr Gruppen, die dadurch ermutigt werden, dass wir bald einen Präsidenten haben, der ihnen viel durchgehen lässt."
    An der Spitze der rechtsradikalen Bewegung: Milo Yiannopolous Arbeitgeber Breitbart, dessen ehemaliger Leiter Steve Bannon demnächst als Trumps Chefstratege im Weißen Haus sitzt. Doch die Angst vor Gewalt, Belästigung und Einschüchterungsversuchen auf Amerikas Hochschulgeländen wächst jetzt schon, sagt Jessie Daniels, eine Soziologieprofessorin am Hunter College in New York.
    "Bei uns gibt es das Title-IX-Gesetz, das Frauen und Menschen aller Geschlechter an den Unis vor sexueller Belästigung schützen soll. Es wird aber jetzt schon darüber geredet, dass die Trump-Regierung diese Schutzbestimmung aushebeln will. Das wäre sehr gefährlich für Studierende in ganz Amerika."
    Angst, in die U-Bahn zu gehen
    Die konkreten Folgen der Niederlage von Hillary Clinton sind mehr Rassismus, Sexismus und Ignoranz, schrieb Josh Drew, ein Ökologieprofessor an der Columbia Universität vorige Woche in einem Brief an seine Studierenden. Es sei schade, dass sie in einem Land leben würden, das die Werte der Studierenden mit Füßen tritt, meint Drew.
    "Ich habe nach der Wahl viel mit Studierenden aus Randgruppen geredet. Sie haben jetzt Angst, in die U-Bahn zu steigen, weil es eine stillschweigende Billigung von Fanatismus und Gewalt gibt. Sie befürchten, dass Leute durch Trump dazu ermutigt werden, Hassverbrechen zu begehen."
    Den für Februar geplanten Auftritt von Milo Yiannopolous an der Columbia Universität würde Drew dennoch nicht verbieten wollen. Die Universität würde das Recht der Studierenden auf freie Meinungsäußerung verletzen, wenn sie die Show nicht zulässt, meint er. Die Soziologieprofessorin Jessie Daniels ist da skeptischer.
    "Es ist wichtig, dass Debatten an Unis stattfinden, aber müssen sie Gastgeber für jemanden sein, der andere Menschen dehumanisiert?"