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Rechtsradikale "müssen wissen, dass in diesem Lande für sie kein Platz ist"

Es wäre "gut gewesen, wenn die Verfassungsorgane gemeinsam diesen wichtigen Antrag gestellt hätten", sagt Reiner Haseloff (CDU), der im Bundesrat dafür gestimmt hat. Die Demokratie müsse sich wehrhaft zeigen und bei klaren Verfassungswidrigkeiten reagieren, so Sachsen-Anhalts Ministerpräsident.

Reiner Haseloff im Gespräch mit Friedbert Meurer | 19.03.2013
    Friedbert Meurer: Die Bundesregierung will nicht vor dem Bundesverfassungsgericht einen Antrag stellen, die NPD zu verbieten. Das überlässt sie dem Bundesrat. Der Bundestag hat noch nicht entschieden. Das alles wurde gestern bekannt. Für den Verbotsantrag hat im Bundesrat gestimmt der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff von der CDU. Guten Morgen, Herr Haseloff!

    Reiner Haseloff: Guten Morgen.

    Meurer: Wie finden Sie es, dass die Bundesregierung nicht mitzieht beim Antrag, die NPD zu verbieten?

    Haseloff: Ich bedauere das ausdrücklich, weil es gut gewesen wäre, wenn die Verfassungsorgane gemeinsam diesen wichtigen Antrag gestellt hätten. Aber der Bundesrat hat sich klar positioniert und er wird seinen Weg gehen. Noch ist eine Möglichkeit gegeben, dass man miteinander spricht. Es wäre schön, wenn alle Verfassungsorgane gemeinsam hier agieren würden.

    Meurer: Werden die Aussichten, die NPD zu verbieten, durch die Entscheidung der Bundesregierung irgendwie geschwächt?

    Haseloff: Ich glaube nicht, weil der Antrag ja als solcher behandelt wird und wir ja keinen politischen Antrag stellen, sondern das Verfassungsgericht nach klaren Gesichtspunkten des Grundgesetzes entscheiden wird. Aber es wäre natürlich ein deutliches Zeichen gewesen, bis hin auch zur Vorbereitung und auch zum Ressourceneinsatz, wenn wir alle zusammen dort aktiv geworden wären und vor allen Dingen auch die Aktenlagen beziehungsweise alle Informationen, die wir haben, gemeinsam gebündelt vorgetragen hätten.

    Meurer: Die Bundesregierung sagt aber, Ressourceneinsatz, wir stellen alle Unterlagen zur Verfügung, das Bundesinnenministerium wird alles tun, um dem Bundesrat zu helfen bei dem Verbotsantrag. Wo ist da das Problem?

    Haseloff: Ich glaube das schon, dass diese Bereitschaft natürlich gegeben ist. Auf der anderen Seite: Wenn ich das alles zur Verfügung stelle, wenn die Innenminister den Auftrag hatten, im Auftrag der Ministerpräsidenten die Aktenlage zu bewerten, eine Arbeitsgruppe mit Herrn Bundesinnenminister gemeinsam dieses über Monate hin bearbeitet hat und auch schon zwischendurch Signale aus Bundestag und der Bundesregierung gegeben wurden, dass man sich vorstellen könnte, doch gemeinsam loszumarschieren, dann ist es bedauerlich, dass diese Entscheidung so gekommen ist. Wir müssen sie hinnehmen. Es wird uns aber nicht davon abbringen, dass wir diesen Antrag stellen.

    Meurer: Was ist in Ihren Augen, Herr Haseloff, sozusagen die symbolische Botschaft, dass der Bundesrat den Antrag stellt, die NPD zu verbieten, die Bundesregierung nicht?

    Haseloff: Wir hatten in den letzten Monaten ja in vielen Bundesländern die NSU-Aktivitäten offenkundig werden sehen und wir sind alle noch tief erschüttert von dem, was dort zu Tage gefördert wurde, und dann ist wie gesagt die Aktenlage erstellt worden, die Innenminister haben intensiv gearbeitet, und wir sind klar der Meinung – und das ist 16:0 auch in der Ministerpräsidentenkonferenz beziehungsweise auch im Bundesrat entsprechend zum Ausdruck gebracht worden -, dass Deutschland handeln muss und dass wir nicht warten können, bis es eine politische Gruppierung oder Partei gibt, die ein System destabilisiert, sondern dass bei klaren Verfassungswidrigkeiten die Politik reagieren muss und alle juristischen Möglichkeiten ausschöpfen muss.

    Meurer: In Berlin hört man, dass die FDP nicht wollte. Die Riege der FDP-Minister hat Nein gesagt und der Parteichef der FDP, Philipp Rösler, sagt ja, Dummheit kann man nicht verbieten. Warum hat er nicht Recht?

    Haseloff: Er hat deswegen nicht Recht, weil die Situation heute eine andere ist als noch beim letzten Antrag, der gestellt wurde vor rund zehn Jahren, und das zeigen ja auch die jetzt gerade begonnenen beziehungsweise beginnenden Prozesse. Das zeigen die NSU-Aktivitäten und das zeigt auch die Gesamtsituation, in der wir stehen, dass wir nicht erst warten können in Deutschland, bis eine politische Kraft so stark wird, dass sie das System gefährdet, sondern wenn etwas verfassungswidrig festgestellt wurde und die politischen Netzwerke ebenfalls belegbar sind, dann muss eine Demokratie wehrhaft sein und muss die Konsequenzen ziehen, und das heute noch deutlicher, als das vor über zehn Jahren der Fall gewesen ist.

    Meurer: Aber wie groß wäre die Blamage, wenn das NPD-Verbot zum zweiten Mal scheitert?

    Haseloff: Es wäre keine Blamage, sondern das wäre ein ganz formaljuristischer Vorgang, dass die Politik die Notwendigkeit sieht, diesen Antrag zu stellen, ihn auch sauber begründen kann, und wenn das Verfassungsgericht anderer Meinung ist, dann ist zumindest die gesellschaftspolitische Reaktion und auch die Interpretation eindeutig. Und man sieht es ja jetzt schon, nachdem die Politik den Druck erhöht hat, inwieweit wir die Rechtsradikalen hier doch begonnen haben zu destabilisieren, sodass ich ganz klar von einer Eigenbotschaft dieses Antrages ausgehe. Es ist ein eigener Antrag, der letztendlich auch einen Selbstwert darstellt, dass eine Demokratie wehrhaft ist und dass, wenn Länder feststellen, dass es eine grobe und enorme Verfassungswidrigkeit von politischen und kriminellen Aktivitäten gibt und diese auch ideologisch begründet werden, dass da ein Reaktionsschema entwickelt werden muss.

    Meurer: Aber die Möglichkeit müssen Sie ja einbeziehen, dass das Verbotsverfahren scheitert. Wäre das kein Triumph für die NPD?

    Haseloff: Es wäre kein Triumph, weil die NPD auf jeden Fall verspürt, dass ihre Aktivitäten nicht einfach hingenommen werden und dass wir eine historische Verantwortung haben, auch als Ministerpräsidenten, hier entsprechend zu reagieren. Die Rechtsradikalen müssen wissen, dass in diesem Lande für sie kein Platz ist, und deswegen ist dieser Antrag umso nötiger denn je.

    Meurer: Gehen Sie davon aus, dass jetzt auch der Bundestag nicht nach Karlsruhe gehen wird?

    Haseloff: Ich bin mir schon im klaren, dass es auch nicht einfach sein wird, den Bundestag mit einer Mehrheit zu überzeugen, uns gemeinsam zu folgen und damit den Antrag gemeinsam zu stellen. Aber die Chance, dass im Bundestag differenzierter entschieden wird als in der Bundesregierung (in der Bundesregierung haben sich ja die FDP-Minister entsprechend geäußert), die ist groß und die Mehrheit im Bundestag wird nicht durch die FDP bestimmt, es sei denn, dass es hier einen entsprechenden Fraktionszwang gibt.

    Meurer: Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (CDU), bedauert, dass die Bundesregierung nicht einen eigenen Verbotsantrag gegen die FDP in Karlsruhe einreichen will. Besten Dank und auf Wiederhören!

    Haseloff: Bitte schön – auf Wiederhören!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.