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Rechtsstreit in Oberschwaben
Kann Bier "bekömmlich" sein?

"Das Landgericht Ravensburg hat entschieden, dass der Begriff 'bekömmlich' im Rahmen der Bierwerbung nicht verwendet werden darf." Dieses Urteil bringt Bierbrauer aus dem württembergischen Allgäu auf die Palme. Ihrer Ansicht nach kann es nicht sein, dass EU-Vorschriften derart stark in Traditionen eingriffen. Mit dem Urteil wollen sie sich deshalb nicht zufrieden geben.

Von Thomas Wagner | 17.02.2016
    Maß Bier in Bayern
    Ein Maßkrug Bier in einem Biergarten bei Stegen am Ammersee (Bayern) im Sonnenschein. (picture alliance / dpa / Foto: Karl-Josef Hildenbrand)
    "Ich meine, dass für einen gesunden erwachsenen Menschen ein Bier bekömmlich ist. Und ich weiß nicht, warum das Gericht dagegen gesprochen hat."
    Der Gerichtssprecher: "Die Handelskammer des Landgerichtes Ravensburg hat entschieden, dass der Begriff 'bekömmlich' im Rahmen der Bierwerbung nicht verwendet werden darf."
    Das "Prosit auf die Gemütlichkeit" ist zwar weiterhin erlaubt, der Begriff ‚bekömmlich' in der Bierwerbung aber nicht. So hat es das Landgericht Ravensburg nun entschieden – in einem Rechtsstreit, bei dem es um die Etiketten und Bierdeckel des Bierbrauers Gottfried Härle aus Leutkirch im Allgäu ging. Dort seit Jahrzehnten aufgedruckt: Das Wörtchen "bekömmlich".
    "Mir ist es wichtig, weil wir zum einen seit vielen Generationen mit diesem Wort unsere Biere bezeichnen. Zum anderen geht es mir aber um eine grundsätzliche Frage: Kann es sein, dass aufgrund von EU-Vorschriften derart stark in Traditionen eingegriffen wird, auch was die Bezeichnung und Bewerbung von Grundnahrungsmitteln anbelangt?"
    Das kann sehr wohl sein, befand nun das Landgericht im oberschwäbischen Ravensburg – und gab einer Klage des "Verbandes Sozialer Wettbewerb" in Berlin recht, der dem Allgäuer Bierbrauer die Verwendung des Wörtchens "bekömmlich" verbieten lassen will – und damit vor Gericht obsiegt hat.
    "Die Rechtsgrundlage für diese Entscheidung kommt vom EG-Verordnungsgeber. Auch das ist europäisches Recht, das hier auf Alkoholwerbung Vorgaben macht und sagt, dass Begriffe, die einen Gesundheitsbezug suggerieren, nicht verwendet werden dürfen", so Richter Franz Bernhard, Sprecher des Landgerichtes Ravensburg. Konkret bezieht sich das Gericht in seiner Urteilsfindung auf die europäische "Health-Claim-Verordnung" aus dem Jahr 2006. Und da steht drin: Alkoholische Getränke mit einem Alkoholgehalt von 1,2 Volumenprozent dürfen nicht mit Begriffen beworben werden, die eine gesundheitsfördernde Wirkung suggerieren. Und das Wörtchen "bekömmlich", ergänzt Richter Franz Bernhard, sei halt nun mal so ein Begriff.
    "Der Begriff suggeriert dem Konsumenten, dass das Produkt gesund sei. Da das allerdings bei alkoholischen Getränken fraglich ist, sagt die EU-Verordnung, dass dies nicht zulässig ist."
    "Natürlich, sehr bekömmlich...."
    Ein falsches Werbeversprechen?
    Stammtischrunde in einem Dorfgasthaus im Bodenseekreis gestern Abend, nach der Urteilsverkündung: Genüsslich nehmen die Teilnehmer einen Schluck aus den Bierkrügen. Dass das sowohl laut EU-Recht und oberschwäbischem Richterspruch nicht bekömmlich sein soll, will ihnen nicht so recht in den Kopf:
    "Ich hab das Urteil heute gehört. Also ich kann's so nicht verstehen – für mich ist das durchaus ein Begriff, der üblich ist. Deshalb könnte ich mit 'bekömmlich' gut verstehen."
    "Und wenn man in einer geselligen Runde zusammensitzt und ein Bier trinkt und das einem mundet und schmeckt und das als bekömmlich bezeichnet, dann ist das ein Stück Lebensgefühl, das man irgendwie zum Ausdruck bringt. Und dieses Lebensgefühl kann man jetzt aus rein juristischer Sicht einfach streitig machen."
    Kann man wohl doch - sagt hingegen Sabine Holzäpfel, Lebensmittelexpertin bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg:
    "Auf alkoholischen Getränken haben Werbeversprechen , die solche alkoholischen Getränke verharmlosen, einfach nichts verloren. Und wenn die noch mit Gesundheit werben, dann erst recht."
    Doch ist das Wörtchen ‚bekömmlich' tatsächlich gleich ein Gesundheitsversprechen?
    "Bekömmlich klingt ja schon, dass man sich damit was Gutes tut. Für uns ist das ja schon ein Urteil, das wir sehr begrüßen."
    Er begrüßt das Urteil allerdings nicht – im Gegenteil:
    "Bin ich enttäuscht. Ich hätte mir erhofft, das das Urteil zu unseren Gunsten ausfällt."
    Brauereichef Gottfried Härle hadert mit der Rechtsprechung, aber auch mit der EU. Müssen die Beamten in Brüssel ausgerechnet ihm, dem Bierbrauer aus dem württembergischen Allgäu, vorschreiben, wie er seine Biere zu bewerben hat?
    (
    "Die EU greift ein in nationale, manchmal auch regionale Kulturen. Ich halte die EU für eine wichtige Einrichtung. Das zeigt sich gerade in diesen Tagen. Aber die EU hätte andere Aufgaben, als sich darum zu kümmern, ob wir in Deutschland unser Bier als ‚bekömmlich' bezeichnen oder nicht.""
    Auch Brauereichef hält es wie in dem Trinklied, gibt nicht auf: Nach dem aktuellen Urteil ist vor dem der nächsten Verhandlung...
    "Unsere Entscheidung ist, in die nächste Instanz zu gehen. Das heißt: Wir werden uns mit dem Berliner Anwaltverein in nächster Instanz vor dem Oberlandesgericht treffen."