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Rechtzeitig vom Traumhaus trennen

In der spanischen Region Alicante leben bis zu 300.000 zumeist ältere Deutsche. Viele melden sich nicht bei den spanischen Behörden an - und fallen so durch sämtliche soziale Netze. Darum errichteten deutsche Träger vor einigen Jahren die ersten deutschen Altersheime an der spanischen Küste. Das Erste davon war die Seniorenresidenz Montebello in der Nähe von Benidorm bei Alicante.

Von Hans-Günter Kellner |
    Der Blick aus dem Speisesaal der Seniorenresidenz Montebello in der Nähe von Alicante ist ein Traum. Blau leuchtet das Mittelmeer in der Ferne. Pflegedienstleiter Udo Lyhs kennt jedoch auch die Probleme in der Region Alicante, die nicht auf bis zu 300.000 deutsche Rentner - und mögliche Pflegefälle vorbereitet ist. In Notsituationen wissen die alten Leute oft nicht wohin, erzählt Udo Lyhs:

    "Viele informieren sich einfach über die hier erscheinenden deutschen Zeitungen. Aber da fallen viele auch auf schwarze Schafe rein, die auch in dieser Zeitung annoncieren. Da ist wieder dieses Informationszentrum, was eigentlich jeder wissen müsste, der in Alicante am Flughafen aussteigt. Da müsste direkt ein Wegweiser sein: 'Hier, wenn Du Probleme hast, in Sachen Gesundheit, Pflege oder was auch immer', wohin man sich zu wenden hat. Das fehlt hier. Das ist ja auch eine Aussage der deutschen Botschaft, dass sie damit überfordert sind."

    Den Vorschlag zu einem solchen Informationsbüro habe die Leitung der Residenz auch schon Gesundheitsministerin Ulla Schmidt bei ihrem letzten Besuch in Alicante gemacht. Die Ministerin sei dafür aufgeschlossen gewesen, sagt der Pfleger. Erika und Alfred Jochmann haben sich jedoch auch so zurechtgefunden und leben nun seit einigen Jahren schon in der Seniorenresidenz. Zu Mittag essen sie stets im Wohnzimmer mit Blick die Berge Alicantes. Auf den Wein wollen die beiden trotz ihres hohen Alters nicht verzichten:
    "Das bisschen, schauen Sie mal, da braucht man gar nicht ... den Alkohol, den ich trinke."

    "Im Gegenteil. Ein Glas Wein. Ich habe es ausprobiert. Ich habe am Abend vor einem Glas Wein einen höheren Blutdruck."

    "Dieser Wein ist die Ration zum Mittag. Wir trinken einen Schoppen miteinander. Ich trinke aber jeden Nachmittag mein Bier. Ich sitze hier jeden Nachmittag und ergötze mich an der wunderschönen Aussicht."

    Und vielleicht auch an einem zufriedenen Blick zurück auf ein Leben, in dem beide nur wenig falsch gemacht haben. Sie gehören zu einer Generation, die Kriegserfahrungen machen musste, "die nichts geschenkt bekommen hat" - wie sie sagen. Wer sich die Dinge erarbeiten muss, ist zufriedener, mutmaßen sie. 40 Jahre lang hat der 83-jährige Alfred Jochmann bei einem deutschen Autobauer gearbeitet, zuletzt als Prokurist.

    "Habe dort bis zum 67. Lebensjahr gearbeitet. Zu lange eigentlich, trotz meines Asthmas. Wir hatten ein großes Projekt geplant. Arbeiten müssen ist falsch gesagt. Ich hab es ja gern getan."

    "Ein Vorzeigeobjekt!"

    "Ein Autohaus. In Augsburg. Sehr schwierig, weil ich gerade das Asthma bekommen habe. In Gesprächen habe ich inhaliert. Aber trotzdem, es hat sich gelohnt. Es ist so schön geworden!"

    Wegen des Asthmas beschlossen sie später, nach Spanien zu gehen, verkauften dafür ihr Haus. Die Tochter war längst in Amerika, nichts hielt sie mehr in Deutschland, erzählen sie. Gesundheitlich ging es Alfred Jochmann in Alicante besser, doch als er später Herzbeschwerden bekam, entschlossen sie sich, in die Seniorenresidenz zu ziehen. Sie verkauften ihr Haus wieder. Sonst könnten sie die 1500 Euro Miete im Monat für das betreute Wohnen in der Zweizimmerwohnung nicht zahlen:

    "Mit der Rente alleine geht es nicht. Das ist das Problem. Wir kennen einige, die in der Nähe leben und hierher zum Essen kommen. Die Küche ist ja bekannt. Viele würden gerne hierher kommen und sich eine Wohnung nehmen. Aber sie bekommen ihr Haus nicht los. Das Immobiliengeschäft liegt ja am Boden. Deshalb ist kaum jemand in der Lage sein Haus zu verkaufen. Und mit der deutschen Rente alleine kommen Sie hier nicht rein."

    Erika Jochmann geht in ihren Garten. Glück ist auch im Altersheim möglich: "Der schönste Platz der Welt", sagt sie immer wieder, umarmt ihren Mann und schaut ihm zärtlich in die Augen. Sie haben rechtzeitig nach einem Ort für den Lebensabend gesucht - bevor wie so oft schnell eine Notlösung gesucht werden muss, hatte Pflegedienstleiter Udo Lyhs zuvor gesagt. Denn viele deutsche Rentner in Spanien können sich von ihrem Traumhaus nicht trennen, und werden dort zum Pflegefall. Erika und Adolf Jochmann meinen:

    "Das verstehen wir überhaupt nicht!"

    "Warum eigentlich? Was ist eine Immobilie gegen die Gesundheit? Das ist ein toter Gegenstand."

    "Und die meisten Leute kommen zu spät: Bis sie nicht mehr laufen können."

    "Das ist ganz verkehrt! Das ist ganz, ganz verkehrt."