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Recycling von Autoreifen

"Genanvendelse" heißt auf Dänisch Wiederverwertung. Davon die ersten beiden Silben "Genan" wurden zum Firmennamen der weltgrößten Recyclingfabrik für Altreifen in Oranienburg, nördlich von Berlin. Das dänische Unternehmen kam nach Deutschland, weil es hier 1. viele alte Reifen gibt, 2. diese nicht mehr deponiert werden dürfen, und weil 3. auch das Verfeuern der Reifen in der Zementindustrie bald eingeschränkt wird durch verschärfte Abgaswerte.

von Eva Firzlaff | 20.10.2003
    Wir sehen hier auf dem Bildschirm unsere Reifengrube, wo alle Reifen abgekippt werden. PKW-Reifen, LKW-Reifen, große Erdmaschinen-Reifen. Und von da an läuft alles 100% automatisch. Keiner fasst die Reifen wieder an. Die Maschinen sagen selber Bescheid, wann sie Reifen benötigen.

    Geschäftsführer Michael Hvam klickt von einer Kamera zur nächsten und zeigt mir aus dem Leitstand den Produktionsablauf. Draußen in der Halle herrscht Ohren betäubender Lärm. Die Reifen werden geschreddert. Magnete fischen das Innenleben aus Stahldraht heraus, dieser wird wieder eingeschmolzen. Textilbestandteile werden aussortiert und als Brennstoff verkauft. Hauptprodukt ist jedoch Gummigranulat:

    Wir haben eine Reinigung über vier Etagen, wo wir Gummi in verschiedene Korngrößen sieben. Wir nehmen das letzte Textil raus, den letzten Sand, Steine, Glas, was alles so am Reifen hängt. So dass das Endprodukt 1. zu 100 % sauber ist und 2. auch von der Korngröße immer gleichmäßig ist. Wir produzieren verschiedene Gummi-Korngrößen von ganz feinem Gummi-Pulver bis zu Gummi-Granulat. Für unsere Kunden ist es sehr wichtig, dass das Endprodukt sauber ist und die Kornverteilung immer gleichmäßig ist.

    Dahinter steht eine über zehnjährige Erfahrung in Dänemark. Nach anfänglichen Qualitätsproblemen dort haben sie die Maschinen selbst entwickelt, den Prozess optimiert und verkaufen mittlerweile auch komplette Recycling-Anlagen:

    Unsere Anlage in Dänemark läuft seit 1990 mit gutem Erfolg. Es ist so, in Dänemark ist die Verbrennung von Reifen verboten und nur stoffliche Verwertung ist erlaubt.

    Die Schlange der alten Reifen, die jährlich allein in der EU anfallen, könnte sich 5 ½mal um die Erde wickeln. In Deutschland endet ein Drittel der Altreifen als Brennstoff in der Zementindustrie. Noch. Mit schärferen Abgas-Grenzwerten wird sich das in Kürze ändern. Nicht jedes Zementwerk wird in teure Filter investieren. Und schon seit diesem Jahr dürfen Reifen nicht mehr auf die Deponie. Ein Zehntel der in Deutschland anfallenden Altreifen kann in Oranienburg verarbeitet werden. 25.000 Reifen pro Tag. Schon jetzt, wenige Monate nach Eröffnung, wird an 5 Tagen rund um die Uhr gearbeitet - mit 40 Mitarbeitern, demnächst werden es 80 sein in 7-Tage-Woche. Sämtliche Endprodukte verkaufen sich sehr gut. Reifen haben zwar nur eine begrenzte Lebensdauer, doch Gummi behält seine Elastizität viel länger. So finden sich Gummi-Pulver und –Granulat wieder in kleinen Massivreifen für Müllcontainer, in Fallschutzmatten auf Spielplätzen. Eine neue Generation von Kunstrasen soll laut FIFA bald in Fußballstadien Einzug halten – 100 to Gummi-Granulat pro Fußballfeld. Die Liste möglicher Anwendungen ist lang... Lärmdämmung für Schienen und Matten für den Kuhstall:

    Das sind pro Kuh etwa 100 kg von unserem Granulat. Die Kühe liegen da mehr. Das bedeutet, die geben mehr Milch, die bekommen wesentlich weniger Bein- und Knieentzündungen. Generell sagt man, dass die Investition nach einem Jahr bezahlt ist durch weniger Tierarzt-Rechnungen. Außerdem bekommt man mehr Milch, und die Kühe leben auch im Durchschnitt 1 Jahr länger. Wirtschaftlich eine sehr gute Idee. Ich habe selber einen Stall gesehen, wo man auf die eine Seite diese Kuh-Matratzen gelegt hat und auf die andere Seite nicht. Und die Kühe haben sich wirklich gedrängelt. Auf der einen Seite waren alle Kühe und nicht eine Kuh auf der anderen Seite. Ich habe ein Bild davon, das ist wunderschön.