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Referendum gegen den Fingerabdruck

Auch in der Schweiz wird über neue Personaldokumente nachgedacht. Doch mit dem Gesetzentwurf der Regierung sind etliche Schweizer ganz und gar nicht einverstanden. Und deshalb soll es am 27. Mai ein so genanntes Internet-Referendum geben.

Peter Welchering im Gespräch mit Manfred Kloiber |
    Manfred Kloiber: Peter Welchering in Basel, worum genau geht es dabei?

    Peter Welchering: Gestritten wird eigentlich um das Schengen-Abkommen, sprich um Pässe mit Chip, und auf diesen Chips sind biometrische Daten gespeichert. In der Europäischen Union sind solche E-Pässe ja seit August 2006 eingeführt worden. Die deutschen Reisepässe haben bereits einen Speicherchip und der neue elektronische Personalausweis soll ja auch ein digitalisiertes Foto und, wenn der Ausweisinhaber zustimmt, Fingerabdrücke als biometrisches Merkmal im Speicher haben. Bei der Abstimmung über das Internet-Referendum geht es um genau solche Ausweispapiere. Das Parlament hat nämlich das schweizerische Ausweisgesetz geändert, so dass der neue schweizerische E-Pass ein biometrisches Gesichtsbild und zwei Fingerabdrücke aufweisen soll. Dagegen hat ein Bürgerkomitee Protest eingelegt und mit einer bisher einmaligen Kampagne im Internet 60.000 Unterschriften gegen das neue Ausweisgesetz gesammelt. Deshalb auch der Titel Internet-Referendum. Und nun muss am 17. Mai in einem Volksentscheid über die Speicherung biometrischer Daten auf Ausweisen und in einer zentralen Datenbank abgestimmt werden. Es zeichnet sich schon heute eine knappe Mehrheit für das Referendum ab. Man rechnet damit, dass das Ausweisgesetz in seiner heutigen Form per Volksentscheid gekippt wird.

    Kloiber: Welche Positionen spielen denn in der Diskussion bei den Initiatoren des Referendums eine Rolle?

    Welchering: Der harte Kern des Referendumskomitees will einen E-Pass mit biometrischen Merkmalen überhaupt nicht zulassen. Am anderen Ende des Komitees haben wir es dann zu tun mit Gegnern einer Biometrie-Datenbank. Die wollen verhindern, dass die auf dem Chip gespeicherten Fingerabdrücke auch in einer Datenbank des Informationssystems "Ausweisschriften" beim Bundesamt für Polizei gespeichert werden. Und dazwischen gibt es auch in technisch Hinsicht sehr spannende Positionen. Beispielsweise fordert eine Referendumsgruppe, dass die biometrischen Daten auf den Ausweischips im Kontrollfall nur über eine mehrfachverschlüsselte und getunnelte Verbindung ausgelesen werden dürfen. Das würde bedeuten, dass die anderen Schengen-Staaten und zum Beispiel auch die USA ihre Pass-Kontrollsysteme aufrüsten müssten, um die Lesegeräte für solche getunnelten Verbindung überhaupt erst tauglich zu machen. Da braucht man natürlich auch nur am Rande zu erwähnen, dass es mehrere Schweizer Anbieter für solche gehärteten Lesesysteme gibt, und dass der Verband der informationstechnischen Industrie dem Referendum in dieser Frage beitritt.

    Kloiber: Wie würde ein solches Auslesesystem denn genauer aussehen?

    Welchering: Der Speicherchip würde nicht nur Zertifikate für die Verschlüsselung enthalten, sondern auch eine so genannte Autorisierungseinheit. Der Vorschlag der Referendumsgegner sieht vor, dass der Ausweisinhaber den Lesevorgang für seinen E-Pass am System der Kontrollstelle, etwa beim Zoll oder beim Grenzübertritt am System der Grenzwache freigeben muss. Dieser Vorgang könnte mit einer PIN oder mit einem Passwort abgesichert werden. Daneben gibt es den Vorschlag, keine Funkchips für die Speicherung der biometrischen Ausweisdaten zu verwenden, weil das Missbrauchsrisiko der RFID-Chips viel zu groß sei. Vielmehr sollen so genannte gehärtete Speicherchips verwendet werden, die nur stationär und eben nicht berührungslos ausgelesen werden können. Das würde die bisher in Europa, USA und Asien installierten Systeme, die auf Funkchips basieren, natürlich zumindest beim Lesesystem entbehrlich machen. Hier wären ziemlich hohe Investitionen in die Kontrollsysteme nötig, und zwar weltweit. Deshalb wird befürchtet, dass nach einer Annahme des Referendums im Volksentscheid Schweizer Bürger strengen Visa-Bestimmungen unterliegen würden, weil weder die EU-Staaten noch die USA die Lesesystem nachrüsten würden, sondern eher die Visa-Bestimmungen verschärfen.

    Kloiber: Was wird geschehen, wenn das Referendum am 17. Mai angenommen wird?

    Welchering: Dann ist das Ausweisgesetz der schweizerischen Regierung perdu. Die Regierung müsste dann eine neue Vorlage ausarbeiten. Und in diese dürften nach dem heutigen Stand der Diskussion zumindest sehr viel strenge Vorschriften für die Datensicherheit aufgenommen werden. Also die Schlüssellänge von 1024 Bit, das Speicherverbot biometrischer Daten für ausländische Regierungen und wirksamer Schutz gegen Seitenangriffe auf dem Speicherchip selbst müssten von dieser Vorlage berücksichtigt werden.