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Referendum um Zugehörigkeit auf britischen Falklandinseln

Die Bewohner der Falklandinseln können darüber entscheiden, ob ihre Heimat Teil Großbritanniens bleibt. Aus Sicht der argentinischen Regierung hat die Inselgruppe kein Recht auf Selbstbestimmung, weshalb das Ergebnis des Referendums als unwichtig bewertet wird.

Von Victoria Eglau | 09.03.2013
    "Argentinien ruft Großbritannien erneut zu Souveränitätsverhandlungen über die Malwinen auf, so wie es die Vereinten Nationen beschlossen haben. Wir fordern nicht, dass man uns recht gibt, aber wir wollen einen Dialog."

    wiederholte Präsidentin Cristina Fernandez de Kirchner noch in der letzten Woche die argentinische Forderung. In ihrer Rede vor dem Parlament erwähnte Kirchner mit keinem Wort das anstehende Referendum auf der Inselgruppe im Südatlantik: Rund 1.500 wahlberechtigte Bewohner können morgen darüber entscheiden, ob ihre Heimat auch künftig ein überseeisches Gebiet Großbritanniens bleibt – das Ja scheint sicher. Juan Recce, Experte für internationale Beziehungen, erklärt, warum der Willen der Falklandbewohner aus argentinischer Sicht unerheblich ist:

    "Die UNO hat von Anfang an keinen Zweifel daran gelassen: Dieser Konflikt muss bilateral gelöst werden, zwischen zwei Staaten, Argentinien und Großbritannien. Aber den Briten ist es gelungen, insbesondere in Westeuropa die Auffassung zu verbreiten, dass es noch einen dritten Akteur gibt: die Inselbewohner. Aber die sind für uns identisch mit Großbritannien. Daher wird das Ergebnis dieses Referendums rechtlich keine Konsequenzen haben."

    urteilt der regierungsnahe Akademiker. Auch die argentinische Botschafterin in London, Alicia Castro, betonte vor wenigen Tagen, das Referendum auf den Falklandinseln habe aus Sicht des internationalen Rechts keinerlei Bedeutung. Und Außenminister Hector Timerman lehnte kürzlich bei einem Besuch in London die Einladung ab, sich mit seinem britischen Amtskollegen und Vertretern der Inselbevölkerung an einen Tisch zu setzen.

    "In der UN-Resolution ist von Gesprächen zwischen unseren beiden Regierungen die Rede. Warum beharrt William Hague darauf, dass der Dialog von Engländern überwacht werden soll, die auf den Malwinen leben?"

    klagte Timerman in der BBC. Zum Zeitpunkt der britischen Besetzung 1833 war die Inselgruppe, die der junge argentinische Staat vom spanischen Kolonialreich geerbt hatte, nur dünn besiedelt. Heute leben etwa 3.000 Menschen auf der Insel. Sie stammen überwiegend von Einwanderern aus Großbritannien ab und haben nach Ansicht der Regierung in Buenos Aires kein Recht auf Selbstbestimmung. Doch sind in Argentinien auch vereinzelte Stimmen zu hören, die meinen, der Willen der Falklandbewohner dürfe nicht ignoriert werden. Luis Alberto Romero, Historiker:

    "1500 Personen werden darüber abstimmen, wo sie hingehören. Mir scheint, das ist ein so schlagkräftiges Argument, dass man es nicht unter Bezug auf historische und geografische Ansprüche herunterspielen kann. Diese Menschen leben heute auf den Inseln, sie haben keinen vertrieben, sie sind keine Eindringlinge."

    Auch für den argentinischen Politologen Vicente Palermo zählt der Wille der Inselbewohner. Er würde sie bei künftigen Verhandlungen gerne mit am Tisch sehen. Das Referendum hält zwar auch er für juristisch irrelevant, aber politisch für wichtig.

    "In jüngster Zeit hat sich eine Reihe von Ländern für die Position Argentiniens ausgesprochen: die Staaten Südamerikas, aber auch afrikanische Länder. Offensichtlich beunruhigt dies die britische Regierung. Sie braucht das Referendum, denn mit dem Ergebnis kann sie vor der restlichen Welt aktiv für ihre Position werben."

    Dass die Malwinen Argentinien gehören, lernt jedes argentinische Kind in der Schule. Nach den Inseln sind landauf, landab Straßen, Krankenhäuser und Orte benannt. Als die Militärdiktatur 1982 die Inseln besetzte und damit den Falklandkrieg auslöste, wurde das Land von einem nationalistischen Taumel erfasst. Nach nicht einmal drei Monaten: die bittere Niederlage. Das militärische Abenteuer hat die argentinische Position geschwächt.

    Heute betont die Regierung von Christina Fernandez de Kirchner immer wieder, eine Lösung könne nur auf friedlichem Wege erreicht werden. Als Lösung freilich kann sich Buenos Aires nur die Rückgewinnung der Entscheidungsgewalt über die Malwinen vorstellen. Für Juan Recce, Experte für internationale Beziehungen, heißt das vor allem eins - Verfügungsgewalt über Bodenschätze:

    "Die Malwinen sind mehr als eine Inselgruppe, sie sind ein System natürlicher Ressourcen! Die Inseln gehören zu unserer Kontinentalplatte, unter der Meeresoberfläche schlummern Öl, Gas, Mineralien und biologische Vielfalt. Deshalb sind wir Argentinier besorgt. Es geht darum, wovon wir im 21. Jahrhundert leben werden. Die Malwinen sind mehr als eine Wunde aus der Vergangenheit, sie sind ein Versprechen künftigen Wohlstands."

    Vom Versprechen künftigen Wohlstands ist auch im Spot einer Initiative die Rede, die Juan Recce mitgegründet hat. Argentinische Schauspieler, Musiker und Sportler werben für den bilateralen Dialog über den Status der Falklandinseln. Hunderttausend Menschen in aller Welt haben bisher unterschrieben – wenn die Million erreicht ist, soll das virtuelle Volksbegehren der UNO präsentiert werden. Eine Art Antwort auf das morgige Referendum, das Juan Recce für ein Ablenkungsmanöver hält:

    "Großbritannien verstärkt seine Bemühungen, die Aufmerksamkeit vom eigentlichen Konflikt abzulenken: dem geopolitischen Konflikt um die Kontrolle strategischer Ressourcen. Im 18. oder 19. Jahrhundert reichte es, wenn Kolonialisten eine gute Flotte und Kanonen besaßen. Heute brauchen sie ein legitimes Anliegen, und als solches dient den Briten das Prinzip der Selbstbestimmung der Inselbewohner."