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Refinanzierungskrise
Kämpfen wir für die Rettung des Journalismus

Für schnelle politische Entscheidungen braucht es oft einen äußeren Impuls - so wie etwa die Bauern angesichts der Dürre jetzt Subventionen fordern. DJV-Chef Frank Überall erhofft sich solch einen Impuls auch für den Journalismus. Journalisten müssten für ihre Branche kämpfen. Ein Gastbeitrag.

Von Frank Überall | 06.08.2018
    Die Tageszeitungen "Handelsblatt", Sächsische Zeitung", "Berliner Zeitung", "Die Welt", "Frankfurter Allgemeine", "Der Tagesspiegel" und die "Süddeutsche Zeitung" liegen auf einem Tisch
    Vor allem die Zeitungsbranche leidet unter Auflagenschwund. (dpa / Jan Woitas)
    Beim Bauernverband müssen die Sektkorken geknallt haben: Landauf, landab war in den Medien die Forderung nach Staatsgeldern für die leidende Branche zu vernehmen, und landauf, landab scheint das bei den Menschen auf Zustimmung zu stoßen. Immerhin geht es dabei um eine Milliarde Euro. Viel Geld, Steuergeld: Und trotzdem scheint es Mainstream zu sein, dass diese Unterstützung nötig ist. Es ist schließlich unerträglich heiß draußen, und da leuchtet es doch allen ein, dass Ernteausfälle die Folge sind und man die Landwirte mit diesem Problem nicht allein lassen kann.
    Die ungewöhnliche Sommerhitze ist der Auslöser für einen Stimmungsumschwung: Wer hätte noch im Winter daran gedacht, Lobbyforderungen des Bauernverbandes derart unkritisch gutzuheißen? Für wichtige politische Entscheidungen ist nicht nur der Lobbyismus darauf angewiesen, dass es nachvollziehbare Gründe gibt. Es muss auch einen formalen Auslöser geben, der gesellschaftlich und politisch anknüpfungsfähig ist. Die Bilder der Hitze, das eigene Leiden an den hohen Temperaturen – das öffnet das Fenster für eine mögliche Milliardenhilfe aus unseren Steuergeldern.
    Ereignis und Emotion
    Die Mischung aus Ereignis und Emotion als Impuls für politisches Handeln lässt sich gerade in Krisenzeiten beobachten. Da muss man gar auf die Gezi-Proteste in der Türkei oder den Arabischen Frühling in Ägypten schauen. Da reicht auch der Blick auf die Atom-Katastrophe im japanischen Fukushima: Schwups, hat sich Deutschland von der Atomkraft verabschiedet. Ereignis und Emotion eben.
    Dem Journalismus fehlt ein solches singuläres Ereignis. Dabei ist die Situation dieser Branche katastrophal – für viele mindestens so existenzbedrohend wie die der Bauern. Bei den Landwirten geht es um die für uns alle relevante Versorgung mit Lebensmitteln. Beim Journalismus geht es um unser geistiges Lebensmittel: Informationen und Einordnung als notwendigen Rohstoff für den demokratischen Diskurs. Nicht umsonst hat die Pressefreiheit Verfassungsrang. Was aber nützt das, wenn Medien - oder zumindest viele Journalistinnen und Journalisten - um ihre Existenz bangen müssen?
    Krise ist schleichend gekommen
    Natürlich gibt es immer noch Verlage und private Sender, denen es finanziell hervorragend geht. Trotzdem ist das, was in Fachkreisen mit Disruption beschrieben wird, für alle eine schwere Bürde. Die Ansicht vieler Menschen, sie könnten die Früchte redaktioneller Arbeit im Internet kostenlos genießen, droht ganze Geschäftsmodelle kaputt zu machen. Der Rotstift regiert in den Redaktionen, das wird zwangsläufig die journalistische Qualität mindern. Die Krise aber ist schleichend gekommen, ist permanent, ist nicht durch ein einschneidendes Ereignis wie die schweißtreibende Sommerhitze ins öffentliche Bewusstsein gekommen.
    Von mir aus sollen die Bauern ihre Zuschüsse für Ernteausfälle bekommen. Von mir aus müssen wir aber auch darüber nachdenken, wie wir den Journalismus retten. Die Summe der Bedrohungen für diese Branche muss ein Weckruf sein - wie die Hitze dieses Sommers oder die Atom-Katastrophe von Fukushima. Doch im Fall des Journalismus lässt sich die Lösung nicht auf so eine einfache Parole bringen: Geld wie bei den Bauern oder Abschalten wie bei den Atomkraftwerken sind nicht die Alternativen – eine Lösung des Problems der dauerhaft ordentlichen Versorgung mit guten redaktionellen Produkten muss komplexer sein.
    Was sind uns professionelle Medien wert?
    Auf eine griffige Formel, eine einfache politische Forderung, lässt sich diese Krise nicht reduzieren. Und es fehlt bei vielen ein wenig die Empathie – also der emotionale Auslöser, der eine nachhaltige Thematisierung der Disruption im Journalismus garantiert. Daran wiederum kann man arbeiten. Wir brauchen endlich ernsthafte Debatten darüber, was uns professionelle Medien in unserer Gesellschaft wert sind.
    Wir Journalistinnen und Journalisten müssen unseren Teil dazu beitragen. Das ist für viele von uns schwierig, denn zu unserem Berufsbild gehört es ausdrücklich nicht, selbst Politik zu machen. Wir recherchieren und beschreiben die Wirklichkeit, zuweilen kommentieren wir auch. Aber sich mit einer Sache gemein zu machen, ist prinzipiell eher anrüchig. Die eigene Sache aber – die Rettung des Journalismus – ist unser vitales Interesse. Die Hände in den Schoß legen bedroht unsere Existenz. Wer, wenn nicht wir Journalistinnen und Journalisten, soll die notwendigen Impulse dafür geben, zukunftsfähige Modelle für unsere Branche zu suchen, gesellschaftlich zu diskutieren und um breite Akzeptanz dafür zu werben? Die Bauern haben es doch auch geschafft, den Druck, der auf ihrer Branche lastet, erfolgreich öffentlich zu thematisieren.
    Das Bild zeigt Frank Überall, den Bundesvorsitzenden des DJV (Deutscher Journalisten-Verband).
    Frank Überall ist Bundesvorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbandes. Er ist Medien- und Sozialwissenschaftler und arbeitet als Journalist mit Schwerpunkt Politik. Er lehrt an der HMKW Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft (Köln/Berlin). Überall ist Autor verschiedener Sachbücher und Essays.