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Reformation in Serie
Luthers Thesen - neu gelesen (71)

Die Schriftstellerin Thea Dorn, die katholische Theologin Johanna Rahner und der Schriftsteller Bruno Preisendörfer kommentieren Martin Luthers 71. These.

25.09.2017
    These 71: "Wer gegen die Wahrheit der apostolischen Ablässe redet, der soll gebannt und verflucht sein."
    Thea Dorn, Schriftstellerin: "Das ist beim ersten Lesen vermutlich die erstaunlichste von all den 95 Thesen. Also wenn man die das erste Mal liest, schüttelt man sich. Zumindest ging es mir so und ich dachte: Hä? Was ist denn jetzt mit Luther los?"
    Johanna Rahner, katholische Theologin: "Spätestens jetzt vermutet man, im falschen Film zu sein. Luther als Verteidiger des Ablasses. Bei aller Ablehnung gegenüber den profitgierigen und abzockerischen Ablassschächern, verteidigt Luther nun den eigentlichen Sinn des Ablasses. Er zielt dabei auf jene innere Dynamik der Rechtfertigung als Gerechtmachung durch Gott, die eben auch auf Reue und Wiedergutmachung aus ist."
    Bruno Preisendörfer, Schriftsteller: "Luther flucht und verflucht gerne. Er nimmt den groben Keil, auch wenn kein grober Klotz da ist. Also muss verdammt und verflucht werden, was das Zeug hält. Man könnte auch sagen: Verflucht und verdammt muss werden, wer die Kirche, den Papst und die Ablässe schärfer kritisiert als Luther zum Zeitpunkt der Thesen – als seine Hoffnung auf eine innere Reform der Kirche noch nicht zerstört war."
    Dorn: "Ich glaube, dass er diese 71 gebraucht hat einerseits, um sich selber noch mal zu vergewissern, der Papst wird schon recht haben. Aber natürlich auch als ein mächtiges strategisches Signal nach Rom, zu sagen: 'Papst, hallo, guck mal, ich bin Dir gegenüber doch durchaus loyal.'"
    Konzeption und Realisierung: Christiane Florin, Andreas Main, Christian Röther, Simonetta Dibbern