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Reformation in Serie
Luthers Thesen - neu gelesen (45)

Der Psychologe Borwin Bandelow und die Schriftsteller Thea Dorn und Feridun Zaimoglu kommentieren Luthers 45. These.

18.08.2017
    These 45: "Man muss die Christen lehren: Wer einen Bedürftigen sieht, sich nicht um ihn kümmert und für Ablässe etwas gibt, der erwirbt sich nicht Ablässe des Papstes, sondern Gottes Verachtung."
    Borwin Bandelow, Psychologe: "Er geißelt damit, dass man für Straftaten oder Missetaten, die man begangen hat, eben Ablässe bezahlt. Anstatt dass man – sagen wir – Bedürftigen etwas gibt, zahlt man an den Papst und der baut davon wunderbare Kirchenhäuser. Stattdessen wäre es eben viel besser, das Geld für Spenden zu verwenden."
    Thea Dorn, Schriftstellerin: "Er kann es sich hier nicht verkneifen, Luther, dass er am Schluss auch noch dahinter hängt, also ganz im Gegenteil: Das, worum es ja eigentlich geht – man will ja nicht, dass der Papst einen mag, man will sich ja die Gnade Gottes erobern oder erkaufen in diesem Fall – und da sagt Luther klipp und klar: Da täuscht Ihr Euch gewaltig, wenn Ihr glaubt, dass Ihr gute Christen wärt. Im Gegenteil: Ihr werdet direkt in die Hölle kommen. Weil was heißt 'Zorn Gottes' anderes als: Ihr werdet in die Hölle kommen? Das passiert, wenn Ihr einen Bedürftigen nicht aufnehmt und stattdessen Ablassbriefe kauft."
    Feridun Zaimoglu, Schriftsteller: "Man geht also herum und tut dies und jenes, stiftet Geld und es geht im Grunde genommen um wolkige Worte, um eine Versicherung, die man von des Pfaffen Hand bekommen hat. Und man sieht aber nicht die Armen, nicht die Beladenen, nicht die Bedürftigen, für die ja die heiligen Schriften gekommen sind. Man kann ja das Lukasevangelium aufschlagen und dort lesen: für jene, die arm sind. Und: Ihnen gehört das Himmelreich. Wunderbar. Halleluja! Ist das nicht großartig?"
    Konzeption und Realisierung: Christiane Florin, Andreas Main, Christian Röther, Simonetta Dibbern