"Die Rente ist sicher!"
Heute, 15 Jahre nach diesem geflügelten Spruch, haben die Menschen das Vertrauen in die Rente praktisch vollständig verloren. Eine jüngste Umfrage des Meinungsforschungsinstituts FORSA ergab:
92 Prozent sind davon überzeugt, dass die Rente nicht mehr sicher ist. Und 83 Prozent gehen davon aus, dass die Altersarmut künftig steigen wird. Immerhin 61 Prozent ziehen auch die Konsequenz aus diesen Erkenntnissen und planen, mehr in ihre private Alterssicherung zu investieren.
Noch nie gab es so wenig Vertrauen in die Rente. Dabei schätzen die Bundesbürger die Lage durchaus realistisch ein. Denn die Reformpläne aller großen Parteien werden das Rentenniveau – das ist das Verhältnis von Arbeitseinkommen und Rentenzahlbetrag nach 45 Beitragsjahren – langfristig drastisch reduzieren und damit die Versorgungslücke im Alter für viele erheblich vergrößern. Aber auch die hektische Sparpolitik der vergangenen Jahre, mit der die rot-grüne Koalition auf die konjunkturell bedingten Finanzprobleme der Rentenversicherung und Fehleinschätzungen der Riesterreform reagierte, hat Arbeitnehmer und Rentner verunsichert und senkt langfristig die Renten. Der CDU-Rentenexperte Andreas Storm:
Sie haben seit 1998 noch jedes Jahr in die Rentenfinanzen eingegriffen. Die Bilanz: Die Renten werden gekürzt, die Rücklagen sind ausgeplündert, die Riesterrente hat sich als kraftloser Rohrkrepierer entpuppt. Es muss Schluss sein mit dieser rentenpolitischen Flickschusterei.
Soll es auch, geht es nach den großen Parteien. Die Bundesregierung und die Koalition haben ein so genanntes Nachhaltigkeitsgesetz eingebracht, das die Rentenfinanzen bis zum Jahr 2030 sichern und die Beiträge dann auf höchstens 22 Prozent begrenzen soll.
Auch CDU und CSU haben inzwischen eigene Reformkonzepte beschlossen. Diese differieren noch stark und sollen möglichst bis Anfang März zu einem einheitlichen Unionskonzept verschmolzen werden. Allein: Die übereinstimmende Forderung von CDU und CSU, langfristig den Beitragssatz bei 20 Prozent zu stabilisieren, bedeutet noch stärkere Eingriffe in die Rentenleistungen als sie die Bundesregierung plant. Denn Regierung wie Opposition können sich dem ernüchternden Eingeständnis von Bundessozialministerin Ulla Schmidt nicht entziehen:
Wir alle wissen, dass die gesetzliche Rentenversicherung alleine zukünftig kein ausreichendes Maß an finanzieller Sicherheit für die heute 20-, 30-, oder 35-Jährigen bieten wird.
Schlimmer noch: Entgegen der ministeriellen Behauptung müssen auch die heute 40- oder 50-jährigen mit niedrigeren Pensionen rechnen. Der Grund:
Seit Anfang der neunziger Jahre wurden die mittel- und langfristigen Rentenausgaben bereits um mehr als ein Drittel reduziert. Alleine die rot-grüne Koalition hat seit 1998 unter anderem Rentenanhebungen reduziert und die Rentenformel so verändert, dass die Rentenanpassungen deutlich geringer ausfallen. Sie hat zudem im Zuge der staatlich geförderten Privatvorsorge die Rentenerhöhungen bis 2008 um volle vier Prozentpunkte gekappt und die Witwenrenten deutlich verschlechtert. All dies führt zu niedrigeren Rentenzahlungen - und die treffen alle.
Ähnlich wirken die für 2004 beschlossenen Änderungen im Rentenrecht: Weil anders der Beitragssatz von 19,5 Prozent nicht zu halten wäre, werden die Rentner zur Kasse gebeten: Zunächst fällt die diesjährige Rentenerhöhung ganz aus. Zweitens müssen die Rentner ab April den vollen Beitragssatz zur Pflegeversicherung bezahlen – bisher war es die Hälfte. Allein das führt zu einer echten Rentenkürzung um 0,85 Prozent. Und da die meisten Krankenkassen im vergangenen Jahr ihre Beiträge angehoben haben, steigt - ebenfalls zum 1. April - für viele Rentner auch noch der Beitrag zur Krankenversicherung. DGB-Vize Ursula Engelen-Kefer sieht die Rentner als eigentliche Verlierer der rot-grünen Reformpolitik:
Das ist nicht mehr verträglich, dass diese so genannten Reformen der sozialen Sicherungssysteme vor allem auf den Schultern und dem Rücken der Rentner abgeladen werden. Und das halte ich für unmöglich – ob das die höheren Zuzahlungen für Medikamente, die Praxisgebühr, die höhere Krankenhausgebühr, ob das jetzt die Steuern auf die Renten, die ja vor allem erst einmal die Zusatzrenten treffen wird, ob das der höhere Pflegebeitrag für Rentner ist oder jetzt der volle Krankenversicherungsbeitrag für die Zusatzrenten - das trifft immer die gleiche Klientel so nach dem Motto: Den Rentnern geht's noch zu gut, jetzt müssen wir sie noch mal ordentlich schröpfen.
Die von Frau Engelen-Kefer erwähnte Besteuerung der Renten, die aufgrund eines Verfassungsgerichtsurteils ab 2005 greift, haben die meisten Rentner noch gar nicht ins Kalkül gezogen. Doch die Rentensteuer kommt, denn der von Bundesfinanzminister Hans Eichel vorgelegte Gesetzentwurf findet breite Zustimmung – von den Arbeitgebern bis hin zur Opposition.
Danach werden die Beiträge in die Rentenversicherung in der aktiven Zeit in den kommenden Jahrzehnten stufenweise steuerfrei gestellt. Parallel dazu werden die Renten - ebenfalls nach und nach - der vollen Steuerpflicht unterzogen. Das ist die so genannte nachgelagerte Besteuerung. Schon 2005 trifft das viele Rentner, wie Eichel erläutert:
Rund 3,3 Millionen steuerpflichtige Rentenempfänger werden nach dem neuen Recht steuerbelastet sein. Es sind davon heute schon, nach geltendem Recht, zwei Millionen belastet.
1,3 Millionen Rentner werden 2005 also erstmals steuerpflichtig. Wer heute schon als Rentner Steuern zahlt, muss ab 2005 mehr an den Fiskus abführen. Das steigert sich dann in den kommenden Jahrzehnten. Die normalen Rentner bleiben aber vorerst ungeschoren, sofern ihre Rente den Steuerfreibetrag von 1.575 Euro nicht überschreitet. Noch einmal Eichel:
Eine steuerliche Mehrbelastung wird weit überwiegend nur in den Fällen entstehen, in denen neben der Rente noch andere Einkünfte – aus Werkspensionen z.B., aus Vermietung und Verpachtung oder Kapitaleinkünfte oder von noch erwerbstätigen Ehepartnern – hinzu kommen. In diesen Fällen ist die Rente meist ein Nebeneinkommen.
Zu den bevorstehenden weiteren Renteneinschnitten im Zuge der Rentenreform kommt also noch eine sinkende Nettorente durch die Besteuerung.
Für den Rentner des Jahres 2030 sieht die Rechnung dann so aus. Das Bruttorentenniveau liegt nicht mehr bei 48 Prozent des letzten Bruttogehalts, sondern nur noch bei knapp 40 Prozent. Und auf diese 40 Prozent müssen dann noch Rentensteuer und Sozialabgaben entrichtet werden.
Die normale Sozialrente - das kann sich jeder ausrechnen - wird also künftig vorne und hinten nicht ausreichen, um den Lebensabend angemessen zu finanzieren und den gewohnten Lebensstandart zu halten. Privatvorsorge und Betriebsrenten - beide werden seit der Riesterreform deutlich stärker staatlich gefördert - müssen die Versorgungslücke ausgleichen. Deshalb ist es kräftig geschönt, wenn Ulla Schmidt sagt:
Die gesetzliche Rentenversicherung als verlässliche Säule in der Altersabsicherung der Menschen zu bewahren, dafür müssen wir sie ergänzen – ergänzen um den Nachhaltigkeitsfaktor, ergänzen um eine verbesserte Kapital gestützte Säule, damit eines erhalten bleibt, was seit über 100 Jahren in Deutschland gilt: Jung für Alt.
Diese beiden Ergänzungen kosten Geld: Die Privatvorsorge das der Aktiven, der Nachhaltigkeitsfaktor das der Rentner. Der Nachhaltigkeitfaktor soll ab 2005 gelten. Nach einer hochkomplizierten Formel berücksichtigt er die steigende Lebenserwartung und das deutlich schlechter werdende Verhältnis von Arbeitnehmern zu Rentnern. Steigt beispielsweise die Lebenserwartung, fallen die Rentenerhöhungen niedriger aus. Ähnlich wirkt es sich aus, wenn den aktiven Beitragszahlern immer mehr Rentner gegenüber stehen.
Die Gewerkschaften kritisieren die doppelte Kürzung der Rentenerhöhungen durch Nachhaltigkeitsfaktor und Rentenabschlag wegen der Privatvorsorge. Und die Rentenversicherung klagt, dass der Nachhaltigkeitsfaktor für die Menschen zu kompliziert und nicht nachvollziehbar sei. Zudem öffne er den Weg für ein über Gebühr sinkendes Rentenniveau, klagte BfA-Präsident Herbert Rische. Die Opposition, die einen ähnlich gestalteten Demografiefaktor plant, nahm diese Kritik auf. Andreas Storm erklärte:
Die Politik erhält einen Freibrief jedes Jahr nach Belieben in die Rentenanpassungen einzugreifen. Der Nachhaltigkeitsfaktor führt zu einem nach unten offenen Rentenniveau. Und deswegen ist für die Union eine Rentenformel, die zur Manipulation geradezu einlädt, nicht akzeptabel.
Mit derartigen Angriffen traf Storm die Bedenken zahlreicher Sozialdemokraten – auch wenn er natürlich verschwieg, dass die Konzepte von CDU und CSU vielen Rentnern teilweise noch mehr zumuten als das von Rot-Grün. Die SPD-Sozialexpertin Erika Lotze meinte denn auch:
Was sie hier aufführen, gelinde gesagt, ist auch nicht glaubwürdig. Man könnte auch etwas ganz anderes dazu sagen. Das ist doch eine Verlogenheit, was hier stattfindet.
Auf der anderen Seite wollen sich große Teile der SPD-Fraktion nicht damit abfinden, dass das Rentenniveau ungebremst sinken kann. Der SPD-Sozialpolitiker Horst Schmidbauer:
Wir müssen eine Niveausicherung machen. Die Menschen draußen, die bezahlen sollen, die wir für ein Solidarsystem, gewinnen wollen, auch die Jungen, die müssen wissen, mit welcher Berechenbarkeit und mit welcher Verlässlichkeit er letztendlich auch eine Rente in 10, 20, 30 oder 40 Jahren erwirbt dabei. Und das kann man nur machen, wenn man neben dem Beitragsziel auch ein Niveauziel einrichtet und sagt, unter diesem Niveau darf die Rente nicht absinken.
Allerdings muss man bedenken: Ein Rentenniveau von netto um die 60 Prozent geht von 45 beitragspflichtigen Arbeitsjahren aus – eine Vorgabe, die immer weniger Rentner erreichen. Deren Mehrzahl hat im Schnitt deutlich weniger Arbeits- und damit Beitragsjahre auf dem Buckel. Das tatsächliche Rentenniveau liegt deshalb schon heute häufig bei 50 Prozent und weniger des früheren Nettoeinkommens. Dieser Trend würde sich vor allem durch den Nachhaltigkeitsfaktor verstärken, betont Ursula Engelen-Kefer:
Dann wird man sehr schnell und für größere Personengruppen sehr nahe an die Sozialhilfegrenze kommen. Und dann stellt sich die Frage, wieso dann überhaupt noch Beiträge zu einer Rente gezahlt werden sollen, wenn nicht einmal mehr das Sozialhilfeniveau nennenswert überschritten werden kann.
Mehr noch: In diesem Fall sei es zumindest fraglich, ob die Pflichtversicherung Rente mit dann spürbar sinkenden Erträgen noch verfassungsgemäß sei. Davor warnt beispielsweise Erich Standfest, der alternierende Vorsitzender des Verbandes der Rentenversicherungs-träger. Rot-Grün hat aber noch andere Kürzungen vorgeschlagen:
Akademikern sollen die ihnen bisher anerkannte Ausbildungszeiten gestrichen werden, was deren Renten um rund 55 Euro verringert. Zudem will Rot-Grün die Frühverrentung stoppen. Deshalb wird das Renteneintrittsalter für Menschen aus Arbeitslosigkeit oder Altersteilzeit künftig auf 63 Jahre angehoben. Diese Einschnitte finden aber auch Zustimmung, vor allem im Arbeitgeberlager, dessen Sozialexperte Alexander Gunkel zum Regierungskonzept meint:
Die Vorschläge, die im Paket der Koalitionsfraktionen enthalten sind, können wir als Arbeitgeber im vollen Umfang unterstützen.
Einzige Ausnahme: Die Arbeitgeber wollen auch die Beiträge langfristig nicht über 20 Prozent steigen lassen. Das wollen auch CDU und CSU. Doch dann sind weitere Einschnitte bei den Rentnern kaum zu vermeiden. Denn mit 20 Prozent Beitrag ist im Jahr 2030 bestenfalls ein Bruttorentenniveau von nur noch 36,5 Prozent zu finanzieren. Dafür sorgt vor allem Demografiefaktor der Unionsparteien.
Zusätzlich wollen CDU und CSU auch den Nachwuchs für die Rentenversicherung fördern.
12 Mrd. Euro wollen sie für neue familienpolitischen Leistungen ausgeben. Einen Zuschuss zum Rentenbeitrag von 50 Euro soll es beispielsweise für jedes Kind bis zum 12. Lebensjahr geben. Und die rentensteigernden Erziehungsjahre sollen für nach 1992 geborene Kinder um zwei oder drei Jahre angehoben und damit fast verdoppelt werden.
Mehr Leistungen für Familien, die für mehr Kinder und damit zukünftige Beitragszahler sorgen sollen, müssen natürlich an anderer Stelle wieder eingespart werden...
Dabei denkt die CSU vor allem an Kinderlose: Bei ihnen sollen die Witwenrenten gekürzt werden, und bevor es Rente geibt, sollen sie einen Rentenbeitrag zahlen der um 2,7 Prozentpunkte höher ist als der normale Beitragssatz. Die CDU hingegen will die zusätzlichen Leistungen über Steuern finanzieren. Für CSU-Chef Edmund Stoiber, dessen Finanzierungsvorschlag auf Skepsis in allen Lagern gestoßen ist, macht eine steuerliche Förderung familienpolitischer Rentenleistungen aber keinen Sinn:
Damit würden letzten Endes auch wieder die mit Kindern ihren Kinderbonus finanzieren. Denn auch Eltern mit 2, 3, 4 Kindern zahlen Einkommensteuer, zahlen Umsatzsteuer, zahlen andere Steuern.
Hinzu komme: Selbst im Steuerkonzept der CDU sei keine Vorsorge getroffen worden, um diese Rentenleistungen zu finanzieren, kritisierte der CSU-Chef. Die Union will zudem die Altersgrenze auflockern: Wer 45 Jahre Beiträge gezahlt hat, soll künftig abschlagsfrei in Rente gehen dürfen, falls er mindestens 63 Jahre alt ist. Die CDU hat sich als einzige große Partei gleichzeitig für eine Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters auf 67 Jahre ausgesprochen – sehr zum Ärger von Stoiber:
Eine Rente ab 67 halte ich nicht für sinnvoll. Deshalb schlagen wir vor, dass Menschen, die eher in Rente gehen wollen, statt bisher 3,6 Prozent pro Jahr in Zukunft fünf Prozent Abschlag zahlen.
Auch das kann teuer werden für die Frührentner. Der fünfprozentige Abschlag liegt im Übrigen höher als die tatsächlich der Rentenversicherung entstehenden Mehrkosten durch die Frühverrentung.
Doch zuerst einmal hat die Union das Problem, sich auf ein gemeinsames Konzept zu einigen. Dann soll in parlamentarischen Beratungen ein Konsens mit der Regierung gesucht werden. Das macht Sinn, damit im Fall eines Regierungswechsel nicht die nächste große Rentenreform ins Haus steht. Allerdings legte der CDU-Rentenexperte Andreas Storm die Latte für die Regierung bereits ziemlich hoch:
Herzstück der Reform muss eine gerechte Lastenverteilung zwischen Jung und Alt und eine starke Familienkomponente sein. Das ist unverzichtbar für die Union. Und an dieser Stelle ist die Koalition bislang jede Antwort schuldig geblieben.
Aber man überlegt in Regierung und Koalition, ob man der Union entgegenkommen könnte. Vor allem für die Grünen bietet sich – nach Vorbild der CSU – dafür durchaus die Witwenrente zur Gegenfinanzierung an. Die Grüne Sozialexpertin Birgit Bender:
Die Idee, dass man die Hinterbliebenenversorgung zurückführt und im Wesentlichen darauf konzentriert, dass diejenigen Witwen- oder Witwerrente bekommen, die aufgrund von Kindererziehung nicht genügend eigenständige Alterssicherung aufgebaut haben, da sind wir gesprächsbereit.
Von Beitragszuschüssen für Familien mit Kindern, der zweiten Kernforderung der Union, hält man allerdings in der Koalition nichts. Franz Thönnes, parlamentarischer Staatssekretär im Bundessozialministerium betont:
Das halte ich nicht für finanzierbar, das macht – je nachdem, welche Variante man von der CDU oder von der CSU nimmt, zwischen vier bis acht Milliarden Euro an zusätzlichen Belastungen aus. Damit baumelt man den Menschen ein Wolkenkuckucksheim vor.
Der Weg zum Rentenkonsens ist also noch lang. Aber die Koalition muss ihn nicht unbedingt beschreiten. Denn es ist kein zustimmungspflichtiges Gesetz. Ulla Schmidt droht schon mit einem Alleingang, falls die CDU/CSU zu hohe Forderungen stellt:
Wenn es dort keine Zusammenarbeit gibt, werden wir es eben alleine machen müssen.
Einigkeit ist dagegen in der jahrzehntelang umstrittenen, vom Bundesrechnungshof immer wieder angemahnten, weil Kosten sparenden Verwaltungsreform der Rentenversicherungen erzielt worden. Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit wurden kurz vor Weihnachten die letzten Einzelheiten zwischen Bund und Ländern festgezurrt. Und so, wie es derzeit scheint, ziehen alle Beteiligten mit.
Bisher gibt es 26 Rentenanstalten, davon 22 auf Landesebene. Jetzt wird der Verband deutscher Rentenversicherungsträger wird mit der BfA zu einer bundesweiten Einrichtung fusioniert. Daneben bilden Bundesknappschaft, Seekasse und die Bahnversicherungsanstalt einen zweiten Sonderträger auf Bundesebene. Da gleichzeitig die Unterscheidung zwischen Rentenversicherung der Angestellten sowie der Arbeiter abgeschafft wird, werden die Versicherten stufenweise über 15 Jahre hinweg neu verteilt.
Das stärkt die Landesversicherungsanstalten, die bisher durch den Rückgang der Arbeiter zu den Verlierern gehören. Für die BfA bedeutet das weniger Versicherte und damit mittelfristig auch weniger Arbeit und weniger Beschäftigte, wie die Vorsitzende des Personalrats, Fatna Bischhaus, erläutert:
Wir rechnen mittel- bis langfristig in der Tat mit einem Wegfall von rund 5.000 Arbeitsplätzen. Uns hat immer nur berührt, dass es halt nicht zu betriebsbedingten Kündigungen kommen soll. Das sollte über eine natürliche Fluktuation geschehen.
Und so wird es jetzt auch passieren. Allerdings gibt es noch eine Auflage von Bund und Ländern, die den Personalabbau beschleunigen könnte: In den nächsten fünf Jahren müssen alle Rentenversicherungen mindestens 10 Prozent sämtlicher Verwaltungskosten einsparen. Erreicht werden soll das unter anderem durch Fusionen auch auf Landesebene. BfA-Direktor Herbert Schillinger:
Da gibt es ja durchaus einige ganz konkrete Überlegungen zu Berlin-Brandenburg. Es gibt Überlegungen für den Bereich des Nordens: Schleswig-Holstein, Hamburg, Mecklenburg–Vorpommern.
Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen wollen sich ebenfalls zusammenschließen. Und in Bayern, das alleine über fünf Landesversicherungsanstalten verfügt, wird ebenfalls eine Konzentration angestrebt. In wenigen Jahren könnte sich die Zahl der Rentenanstalten auf zehn mehr als halbiert haben, glaubt man beim Verband der Rentenversicherungsträger.
Heute, 15 Jahre nach diesem geflügelten Spruch, haben die Menschen das Vertrauen in die Rente praktisch vollständig verloren. Eine jüngste Umfrage des Meinungsforschungsinstituts FORSA ergab:
92 Prozent sind davon überzeugt, dass die Rente nicht mehr sicher ist. Und 83 Prozent gehen davon aus, dass die Altersarmut künftig steigen wird. Immerhin 61 Prozent ziehen auch die Konsequenz aus diesen Erkenntnissen und planen, mehr in ihre private Alterssicherung zu investieren.
Noch nie gab es so wenig Vertrauen in die Rente. Dabei schätzen die Bundesbürger die Lage durchaus realistisch ein. Denn die Reformpläne aller großen Parteien werden das Rentenniveau – das ist das Verhältnis von Arbeitseinkommen und Rentenzahlbetrag nach 45 Beitragsjahren – langfristig drastisch reduzieren und damit die Versorgungslücke im Alter für viele erheblich vergrößern. Aber auch die hektische Sparpolitik der vergangenen Jahre, mit der die rot-grüne Koalition auf die konjunkturell bedingten Finanzprobleme der Rentenversicherung und Fehleinschätzungen der Riesterreform reagierte, hat Arbeitnehmer und Rentner verunsichert und senkt langfristig die Renten. Der CDU-Rentenexperte Andreas Storm:
Sie haben seit 1998 noch jedes Jahr in die Rentenfinanzen eingegriffen. Die Bilanz: Die Renten werden gekürzt, die Rücklagen sind ausgeplündert, die Riesterrente hat sich als kraftloser Rohrkrepierer entpuppt. Es muss Schluss sein mit dieser rentenpolitischen Flickschusterei.
Soll es auch, geht es nach den großen Parteien. Die Bundesregierung und die Koalition haben ein so genanntes Nachhaltigkeitsgesetz eingebracht, das die Rentenfinanzen bis zum Jahr 2030 sichern und die Beiträge dann auf höchstens 22 Prozent begrenzen soll.
Auch CDU und CSU haben inzwischen eigene Reformkonzepte beschlossen. Diese differieren noch stark und sollen möglichst bis Anfang März zu einem einheitlichen Unionskonzept verschmolzen werden. Allein: Die übereinstimmende Forderung von CDU und CSU, langfristig den Beitragssatz bei 20 Prozent zu stabilisieren, bedeutet noch stärkere Eingriffe in die Rentenleistungen als sie die Bundesregierung plant. Denn Regierung wie Opposition können sich dem ernüchternden Eingeständnis von Bundessozialministerin Ulla Schmidt nicht entziehen:
Wir alle wissen, dass die gesetzliche Rentenversicherung alleine zukünftig kein ausreichendes Maß an finanzieller Sicherheit für die heute 20-, 30-, oder 35-Jährigen bieten wird.
Schlimmer noch: Entgegen der ministeriellen Behauptung müssen auch die heute 40- oder 50-jährigen mit niedrigeren Pensionen rechnen. Der Grund:
Seit Anfang der neunziger Jahre wurden die mittel- und langfristigen Rentenausgaben bereits um mehr als ein Drittel reduziert. Alleine die rot-grüne Koalition hat seit 1998 unter anderem Rentenanhebungen reduziert und die Rentenformel so verändert, dass die Rentenanpassungen deutlich geringer ausfallen. Sie hat zudem im Zuge der staatlich geförderten Privatvorsorge die Rentenerhöhungen bis 2008 um volle vier Prozentpunkte gekappt und die Witwenrenten deutlich verschlechtert. All dies führt zu niedrigeren Rentenzahlungen - und die treffen alle.
Ähnlich wirken die für 2004 beschlossenen Änderungen im Rentenrecht: Weil anders der Beitragssatz von 19,5 Prozent nicht zu halten wäre, werden die Rentner zur Kasse gebeten: Zunächst fällt die diesjährige Rentenerhöhung ganz aus. Zweitens müssen die Rentner ab April den vollen Beitragssatz zur Pflegeversicherung bezahlen – bisher war es die Hälfte. Allein das führt zu einer echten Rentenkürzung um 0,85 Prozent. Und da die meisten Krankenkassen im vergangenen Jahr ihre Beiträge angehoben haben, steigt - ebenfalls zum 1. April - für viele Rentner auch noch der Beitrag zur Krankenversicherung. DGB-Vize Ursula Engelen-Kefer sieht die Rentner als eigentliche Verlierer der rot-grünen Reformpolitik:
Das ist nicht mehr verträglich, dass diese so genannten Reformen der sozialen Sicherungssysteme vor allem auf den Schultern und dem Rücken der Rentner abgeladen werden. Und das halte ich für unmöglich – ob das die höheren Zuzahlungen für Medikamente, die Praxisgebühr, die höhere Krankenhausgebühr, ob das jetzt die Steuern auf die Renten, die ja vor allem erst einmal die Zusatzrenten treffen wird, ob das der höhere Pflegebeitrag für Rentner ist oder jetzt der volle Krankenversicherungsbeitrag für die Zusatzrenten - das trifft immer die gleiche Klientel so nach dem Motto: Den Rentnern geht's noch zu gut, jetzt müssen wir sie noch mal ordentlich schröpfen.
Die von Frau Engelen-Kefer erwähnte Besteuerung der Renten, die aufgrund eines Verfassungsgerichtsurteils ab 2005 greift, haben die meisten Rentner noch gar nicht ins Kalkül gezogen. Doch die Rentensteuer kommt, denn der von Bundesfinanzminister Hans Eichel vorgelegte Gesetzentwurf findet breite Zustimmung – von den Arbeitgebern bis hin zur Opposition.
Danach werden die Beiträge in die Rentenversicherung in der aktiven Zeit in den kommenden Jahrzehnten stufenweise steuerfrei gestellt. Parallel dazu werden die Renten - ebenfalls nach und nach - der vollen Steuerpflicht unterzogen. Das ist die so genannte nachgelagerte Besteuerung. Schon 2005 trifft das viele Rentner, wie Eichel erläutert:
Rund 3,3 Millionen steuerpflichtige Rentenempfänger werden nach dem neuen Recht steuerbelastet sein. Es sind davon heute schon, nach geltendem Recht, zwei Millionen belastet.
1,3 Millionen Rentner werden 2005 also erstmals steuerpflichtig. Wer heute schon als Rentner Steuern zahlt, muss ab 2005 mehr an den Fiskus abführen. Das steigert sich dann in den kommenden Jahrzehnten. Die normalen Rentner bleiben aber vorerst ungeschoren, sofern ihre Rente den Steuerfreibetrag von 1.575 Euro nicht überschreitet. Noch einmal Eichel:
Eine steuerliche Mehrbelastung wird weit überwiegend nur in den Fällen entstehen, in denen neben der Rente noch andere Einkünfte – aus Werkspensionen z.B., aus Vermietung und Verpachtung oder Kapitaleinkünfte oder von noch erwerbstätigen Ehepartnern – hinzu kommen. In diesen Fällen ist die Rente meist ein Nebeneinkommen.
Zu den bevorstehenden weiteren Renteneinschnitten im Zuge der Rentenreform kommt also noch eine sinkende Nettorente durch die Besteuerung.
Für den Rentner des Jahres 2030 sieht die Rechnung dann so aus. Das Bruttorentenniveau liegt nicht mehr bei 48 Prozent des letzten Bruttogehalts, sondern nur noch bei knapp 40 Prozent. Und auf diese 40 Prozent müssen dann noch Rentensteuer und Sozialabgaben entrichtet werden.
Die normale Sozialrente - das kann sich jeder ausrechnen - wird also künftig vorne und hinten nicht ausreichen, um den Lebensabend angemessen zu finanzieren und den gewohnten Lebensstandart zu halten. Privatvorsorge und Betriebsrenten - beide werden seit der Riesterreform deutlich stärker staatlich gefördert - müssen die Versorgungslücke ausgleichen. Deshalb ist es kräftig geschönt, wenn Ulla Schmidt sagt:
Die gesetzliche Rentenversicherung als verlässliche Säule in der Altersabsicherung der Menschen zu bewahren, dafür müssen wir sie ergänzen – ergänzen um den Nachhaltigkeitsfaktor, ergänzen um eine verbesserte Kapital gestützte Säule, damit eines erhalten bleibt, was seit über 100 Jahren in Deutschland gilt: Jung für Alt.
Diese beiden Ergänzungen kosten Geld: Die Privatvorsorge das der Aktiven, der Nachhaltigkeitsfaktor das der Rentner. Der Nachhaltigkeitfaktor soll ab 2005 gelten. Nach einer hochkomplizierten Formel berücksichtigt er die steigende Lebenserwartung und das deutlich schlechter werdende Verhältnis von Arbeitnehmern zu Rentnern. Steigt beispielsweise die Lebenserwartung, fallen die Rentenerhöhungen niedriger aus. Ähnlich wirkt es sich aus, wenn den aktiven Beitragszahlern immer mehr Rentner gegenüber stehen.
Die Gewerkschaften kritisieren die doppelte Kürzung der Rentenerhöhungen durch Nachhaltigkeitsfaktor und Rentenabschlag wegen der Privatvorsorge. Und die Rentenversicherung klagt, dass der Nachhaltigkeitsfaktor für die Menschen zu kompliziert und nicht nachvollziehbar sei. Zudem öffne er den Weg für ein über Gebühr sinkendes Rentenniveau, klagte BfA-Präsident Herbert Rische. Die Opposition, die einen ähnlich gestalteten Demografiefaktor plant, nahm diese Kritik auf. Andreas Storm erklärte:
Die Politik erhält einen Freibrief jedes Jahr nach Belieben in die Rentenanpassungen einzugreifen. Der Nachhaltigkeitsfaktor führt zu einem nach unten offenen Rentenniveau. Und deswegen ist für die Union eine Rentenformel, die zur Manipulation geradezu einlädt, nicht akzeptabel.
Mit derartigen Angriffen traf Storm die Bedenken zahlreicher Sozialdemokraten – auch wenn er natürlich verschwieg, dass die Konzepte von CDU und CSU vielen Rentnern teilweise noch mehr zumuten als das von Rot-Grün. Die SPD-Sozialexpertin Erika Lotze meinte denn auch:
Was sie hier aufführen, gelinde gesagt, ist auch nicht glaubwürdig. Man könnte auch etwas ganz anderes dazu sagen. Das ist doch eine Verlogenheit, was hier stattfindet.
Auf der anderen Seite wollen sich große Teile der SPD-Fraktion nicht damit abfinden, dass das Rentenniveau ungebremst sinken kann. Der SPD-Sozialpolitiker Horst Schmidbauer:
Wir müssen eine Niveausicherung machen. Die Menschen draußen, die bezahlen sollen, die wir für ein Solidarsystem, gewinnen wollen, auch die Jungen, die müssen wissen, mit welcher Berechenbarkeit und mit welcher Verlässlichkeit er letztendlich auch eine Rente in 10, 20, 30 oder 40 Jahren erwirbt dabei. Und das kann man nur machen, wenn man neben dem Beitragsziel auch ein Niveauziel einrichtet und sagt, unter diesem Niveau darf die Rente nicht absinken.
Allerdings muss man bedenken: Ein Rentenniveau von netto um die 60 Prozent geht von 45 beitragspflichtigen Arbeitsjahren aus – eine Vorgabe, die immer weniger Rentner erreichen. Deren Mehrzahl hat im Schnitt deutlich weniger Arbeits- und damit Beitragsjahre auf dem Buckel. Das tatsächliche Rentenniveau liegt deshalb schon heute häufig bei 50 Prozent und weniger des früheren Nettoeinkommens. Dieser Trend würde sich vor allem durch den Nachhaltigkeitsfaktor verstärken, betont Ursula Engelen-Kefer:
Dann wird man sehr schnell und für größere Personengruppen sehr nahe an die Sozialhilfegrenze kommen. Und dann stellt sich die Frage, wieso dann überhaupt noch Beiträge zu einer Rente gezahlt werden sollen, wenn nicht einmal mehr das Sozialhilfeniveau nennenswert überschritten werden kann.
Mehr noch: In diesem Fall sei es zumindest fraglich, ob die Pflichtversicherung Rente mit dann spürbar sinkenden Erträgen noch verfassungsgemäß sei. Davor warnt beispielsweise Erich Standfest, der alternierende Vorsitzender des Verbandes der Rentenversicherungs-träger. Rot-Grün hat aber noch andere Kürzungen vorgeschlagen:
Akademikern sollen die ihnen bisher anerkannte Ausbildungszeiten gestrichen werden, was deren Renten um rund 55 Euro verringert. Zudem will Rot-Grün die Frühverrentung stoppen. Deshalb wird das Renteneintrittsalter für Menschen aus Arbeitslosigkeit oder Altersteilzeit künftig auf 63 Jahre angehoben. Diese Einschnitte finden aber auch Zustimmung, vor allem im Arbeitgeberlager, dessen Sozialexperte Alexander Gunkel zum Regierungskonzept meint:
Die Vorschläge, die im Paket der Koalitionsfraktionen enthalten sind, können wir als Arbeitgeber im vollen Umfang unterstützen.
Einzige Ausnahme: Die Arbeitgeber wollen auch die Beiträge langfristig nicht über 20 Prozent steigen lassen. Das wollen auch CDU und CSU. Doch dann sind weitere Einschnitte bei den Rentnern kaum zu vermeiden. Denn mit 20 Prozent Beitrag ist im Jahr 2030 bestenfalls ein Bruttorentenniveau von nur noch 36,5 Prozent zu finanzieren. Dafür sorgt vor allem Demografiefaktor der Unionsparteien.
Zusätzlich wollen CDU und CSU auch den Nachwuchs für die Rentenversicherung fördern.
12 Mrd. Euro wollen sie für neue familienpolitischen Leistungen ausgeben. Einen Zuschuss zum Rentenbeitrag von 50 Euro soll es beispielsweise für jedes Kind bis zum 12. Lebensjahr geben. Und die rentensteigernden Erziehungsjahre sollen für nach 1992 geborene Kinder um zwei oder drei Jahre angehoben und damit fast verdoppelt werden.
Mehr Leistungen für Familien, die für mehr Kinder und damit zukünftige Beitragszahler sorgen sollen, müssen natürlich an anderer Stelle wieder eingespart werden...
Dabei denkt die CSU vor allem an Kinderlose: Bei ihnen sollen die Witwenrenten gekürzt werden, und bevor es Rente geibt, sollen sie einen Rentenbeitrag zahlen der um 2,7 Prozentpunkte höher ist als der normale Beitragssatz. Die CDU hingegen will die zusätzlichen Leistungen über Steuern finanzieren. Für CSU-Chef Edmund Stoiber, dessen Finanzierungsvorschlag auf Skepsis in allen Lagern gestoßen ist, macht eine steuerliche Förderung familienpolitischer Rentenleistungen aber keinen Sinn:
Damit würden letzten Endes auch wieder die mit Kindern ihren Kinderbonus finanzieren. Denn auch Eltern mit 2, 3, 4 Kindern zahlen Einkommensteuer, zahlen Umsatzsteuer, zahlen andere Steuern.
Hinzu komme: Selbst im Steuerkonzept der CDU sei keine Vorsorge getroffen worden, um diese Rentenleistungen zu finanzieren, kritisierte der CSU-Chef. Die Union will zudem die Altersgrenze auflockern: Wer 45 Jahre Beiträge gezahlt hat, soll künftig abschlagsfrei in Rente gehen dürfen, falls er mindestens 63 Jahre alt ist. Die CDU hat sich als einzige große Partei gleichzeitig für eine Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters auf 67 Jahre ausgesprochen – sehr zum Ärger von Stoiber:
Eine Rente ab 67 halte ich nicht für sinnvoll. Deshalb schlagen wir vor, dass Menschen, die eher in Rente gehen wollen, statt bisher 3,6 Prozent pro Jahr in Zukunft fünf Prozent Abschlag zahlen.
Auch das kann teuer werden für die Frührentner. Der fünfprozentige Abschlag liegt im Übrigen höher als die tatsächlich der Rentenversicherung entstehenden Mehrkosten durch die Frühverrentung.
Doch zuerst einmal hat die Union das Problem, sich auf ein gemeinsames Konzept zu einigen. Dann soll in parlamentarischen Beratungen ein Konsens mit der Regierung gesucht werden. Das macht Sinn, damit im Fall eines Regierungswechsel nicht die nächste große Rentenreform ins Haus steht. Allerdings legte der CDU-Rentenexperte Andreas Storm die Latte für die Regierung bereits ziemlich hoch:
Herzstück der Reform muss eine gerechte Lastenverteilung zwischen Jung und Alt und eine starke Familienkomponente sein. Das ist unverzichtbar für die Union. Und an dieser Stelle ist die Koalition bislang jede Antwort schuldig geblieben.
Aber man überlegt in Regierung und Koalition, ob man der Union entgegenkommen könnte. Vor allem für die Grünen bietet sich – nach Vorbild der CSU – dafür durchaus die Witwenrente zur Gegenfinanzierung an. Die Grüne Sozialexpertin Birgit Bender:
Die Idee, dass man die Hinterbliebenenversorgung zurückführt und im Wesentlichen darauf konzentriert, dass diejenigen Witwen- oder Witwerrente bekommen, die aufgrund von Kindererziehung nicht genügend eigenständige Alterssicherung aufgebaut haben, da sind wir gesprächsbereit.
Von Beitragszuschüssen für Familien mit Kindern, der zweiten Kernforderung der Union, hält man allerdings in der Koalition nichts. Franz Thönnes, parlamentarischer Staatssekretär im Bundessozialministerium betont:
Das halte ich nicht für finanzierbar, das macht – je nachdem, welche Variante man von der CDU oder von der CSU nimmt, zwischen vier bis acht Milliarden Euro an zusätzlichen Belastungen aus. Damit baumelt man den Menschen ein Wolkenkuckucksheim vor.
Der Weg zum Rentenkonsens ist also noch lang. Aber die Koalition muss ihn nicht unbedingt beschreiten. Denn es ist kein zustimmungspflichtiges Gesetz. Ulla Schmidt droht schon mit einem Alleingang, falls die CDU/CSU zu hohe Forderungen stellt:
Wenn es dort keine Zusammenarbeit gibt, werden wir es eben alleine machen müssen.
Einigkeit ist dagegen in der jahrzehntelang umstrittenen, vom Bundesrechnungshof immer wieder angemahnten, weil Kosten sparenden Verwaltungsreform der Rentenversicherungen erzielt worden. Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit wurden kurz vor Weihnachten die letzten Einzelheiten zwischen Bund und Ländern festgezurrt. Und so, wie es derzeit scheint, ziehen alle Beteiligten mit.
Bisher gibt es 26 Rentenanstalten, davon 22 auf Landesebene. Jetzt wird der Verband deutscher Rentenversicherungsträger wird mit der BfA zu einer bundesweiten Einrichtung fusioniert. Daneben bilden Bundesknappschaft, Seekasse und die Bahnversicherungsanstalt einen zweiten Sonderträger auf Bundesebene. Da gleichzeitig die Unterscheidung zwischen Rentenversicherung der Angestellten sowie der Arbeiter abgeschafft wird, werden die Versicherten stufenweise über 15 Jahre hinweg neu verteilt.
Das stärkt die Landesversicherungsanstalten, die bisher durch den Rückgang der Arbeiter zu den Verlierern gehören. Für die BfA bedeutet das weniger Versicherte und damit mittelfristig auch weniger Arbeit und weniger Beschäftigte, wie die Vorsitzende des Personalrats, Fatna Bischhaus, erläutert:
Wir rechnen mittel- bis langfristig in der Tat mit einem Wegfall von rund 5.000 Arbeitsplätzen. Uns hat immer nur berührt, dass es halt nicht zu betriebsbedingten Kündigungen kommen soll. Das sollte über eine natürliche Fluktuation geschehen.
Und so wird es jetzt auch passieren. Allerdings gibt es noch eine Auflage von Bund und Ländern, die den Personalabbau beschleunigen könnte: In den nächsten fünf Jahren müssen alle Rentenversicherungen mindestens 10 Prozent sämtlicher Verwaltungskosten einsparen. Erreicht werden soll das unter anderem durch Fusionen auch auf Landesebene. BfA-Direktor Herbert Schillinger:
Da gibt es ja durchaus einige ganz konkrete Überlegungen zu Berlin-Brandenburg. Es gibt Überlegungen für den Bereich des Nordens: Schleswig-Holstein, Hamburg, Mecklenburg–Vorpommern.
Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen wollen sich ebenfalls zusammenschließen. Und in Bayern, das alleine über fünf Landesversicherungsanstalten verfügt, wird ebenfalls eine Konzentration angestrebt. In wenigen Jahren könnte sich die Zahl der Rentenanstalten auf zehn mehr als halbiert haben, glaubt man beim Verband der Rentenversicherungsträger.