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Reformen für Deutschlands größten Pflegedienst

Pflegende Angehörige sind der größte Pflegedienst der Nation. Seit Januar gilt für sie das Familienpflegezeitgesetz. Danach können Angestellte ihre Arbeitszeit verkürzen, um greise oder kranke Familienangehörige zu betreuen. Die Resonanz ist jedoch mehr als dürftig.

Von Doris Arp | 06.07.2012
    "Der Sommer war noch sehr schön und danach zeichnete sich ab, dass sie nicht mehr ewig da sein würde. Und dann hatte ich auch das dringende Bedürfnis, die maximale Zeit mit ihr zu verbringen. Ich hab’ sie gewaschen, war mit ihr auf Toilette und wir sind ganz viel essen gewesen. Ich hab’ sie gefüttert, weil sie konnte eigentlich gar nichts mehr machen. Aber sie konnte laufen und wir sind dann ins Auto gestiegen und sind rausgefahren ins Grüne. Ich hab ihr Spargel bestellt und hab’ sie damit gefüttert. Und ich weiß, auch wenn sie nicht mehr geredet hat, dass sie das genossen hat mit mir."

    Auch Elsa Wimmel hat die letzten Monate zusammen mit ihrer Mutter genossen.

    "Ich hätte alles für sie getan. Ich hätte auch ein Jahr nicht gearbeitet, wenn es gegangen wäre. Auf jeden Fall."

    Ein Angehöriger, der sich ganz dem pflegebedürftigen Familienmitglied widmen kann, das ist für viele eine Idealvorstellung. Denn nach einer aktuellen Studie des Instituts für Demoskopie in Allensbach hat mehr als jeder zweite Bürger Angst, mit den Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung nicht ausreichend für den Pflegefall abgesichert zu sein. Und 82 Prozent der Befragten werfen der Politik vor, sich nicht ausreichend mit den Folgen einer alternden Gesellschaft zu beschäftigen. Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr reagiert Anfang Januar mit einer Gesetzesreform.

    "Die Hauptlast der Pflege tragen die Familien. Das sind diejenigen, die sich tagtäglich mit viel Einsatz um ihre Angehörigen sorgen und kümmern. Und denen müssen wir mehr Unterstützung geben. Und deswegen trägt auch die Pflegereform dazu bei, den Zusammenhalt in der Familie zu gewährleisten und zu unterstützen."

    Erstmals sollen Menschen im Frühstadium einer Demenz auch ohne Pflegestufe 220 Euro Pflegegeld bekommen. Insgesamt steigt das Pflegegeld in jeder Stufe im Schnitt um 100 Euro. Um die damit verbundenen Kosten bis 2015 zu decken, wird der Versicherungsbeitrag im nächsten Jahr um 0,1 Prozentpunkt erhöht. Das soll 1,1 Milliarden Euro in die Kassen der Pflegeversicherung bringen. Außerdem hat der Bundestag Ende Juni eine freiwillige private Zusatzversicherung beschlossen, ähnlich dem Modell der Riester-Rente. Unabhängig vom Einkommen will sich der Staat ab 2013 mit einem Zuschuss von 5 Euro monatlich aus Steuermitteln an der privaten Vorsorge beteiligen.

    Damit will die Regierung Anreize bieten für mehr private Vorsorge. Denn die Pflegeversicherung deckt als Teilkaskoversicherung längst nicht alle Kosten. Bei Pflegestufe 3 verlangt ein Heim mehr als das Doppelte der 1550 Euro aus der Pflegekasse. Das Kabinett hat den Pflege-Riester Anfang Juni mit einem Budget von 100 Millionen Zuschuss für das Jahr 2013 beschlossen.

    Als "Klientel-Politik", "Verschwendung von Steuermitteln" und "Förderung der privaten Versicherungswirtschaft" kritisieren SPD und Grüne den so genannten Pflege-Bahr. Der Sozialverband VdK bemängelt, dass nur sehr hohe Einzahlungen die Lücke schließen könnten. Geringverdiener hätten trotz staatlichem Zuschuss keine Chance.

    Neben solchen Finanzierungsfragen sieht das Pflege-Neuausrichtungsgesetz ein Bündel von weiteren Maßnahmen vor.

    Pflegebedürftige können künftig ihre Leistungen flexibler wählen. Neben festgelegten Pflegeeinheiten im Minutentakt für Kämmen, Waschen, Anziehen soll es freie Zeitvolumen geben. Die Reform sieht daneben die Förderung von alternativen Wohnformen vor. Und pflegende Angehörige sollen besser unterstützt werden, wenn sie eine Auszeit nehmen. Auch das Familienpflegezeitgesetz, das seit Januar in Kraft ist, soll dazu beitragen.

    Viele kleine Schritte, aber kein großer Wurf, urteilt Jürgen Gohde, Vorsitzender des Kuratoriums Deutscher Altershilfe.

    "Das ist nicht die große Reform. Ich würde von einem Neuausrichtungsgesetz erst dann sprechen, wenn sie dazu führt, dass die Menschen in Achtung und Würde alt werden können, gepflegt sein können, dort wo sie leben. Die Zukunft der Pflege liegt im Quartier, also in den Bereichen in denen Menschen leben, in denen sie zugehörig sein wollen und in denen sie aus diesen Gründen auch gerne leben."

    Und so liegt ein großer Teil der Verantwortung auf den Schultern pflegender Angehöriger. Sie sind der größte Pflegedienst der Nation. Hannelore Krause ist 61 Jahre alt. Vor anderthalb Jahren hat sie ihre Schwiegermutter aus dem Heim nach Hause geholt und pflegt sie seither rund um die Uhr.

    Die 96-Jährige sitzt frisch gekämmt mit kleinem Dutt und orangenem Seidenschal in ihrem Pflegerollstuhl am Frühstückstisch. Hannelore Krause reicht ihr löffelweise Ei, angedickten Tee und Früchtequark. Die alte Dame verspeist zufrieden ihr Frühstück. Immer wieder greift sie zur Hand ihrer Schwiegertochter oder lehnt den Oberkörper nach vorne, um ihr näher zu sein. Die Schwiegermutter hat zuhause wieder zugenommen und genießt sichtlich den gemeinsamen Alltag.

    Hannelore Krause hat als gelernte Krankenschwester zuletzt eine Sozialstation geleitet.

    "Also, ich bin vom Fach, dadurch fällt es mir schon mal wesentlich leichter als jemand, der nie was mit Pflege zu tun hatte. Man muss den Popo waschen und das ist kein eigenes Baby mehr, sondern das ist unter Umständen die Mutter oder die Schwiegermutter, die man vielleicht auch mal nicht leiden kann oder konnte. Das ist schon ´ne Überwindung. Oder auch Trinken geben mit einem Löffel oder Haare kämmen. Das sind unangenehme, aber auch schöne Arbeiten und man ist dazu gebunden."

    Etwa 2,4 Millionen Menschen sind derzeit pflegebedürftig. Nur 30 Prozent werden laut einer Erhebung des Statistischen Bundesamtes stationär betreut. Etwa 1,6 Millionen Menschen werden zuhause gepflegt. Bei der Hälfte kümmern sich ausschließlich die Angehörigen um die Pflege, bei 24 Prozent kommt Entlastung durch ambulante Dienste hinzu.

    Auch bei Hannelore Krause klingelt jeden Morgen um 8 Uhr der Pflegedienst der Caritas, das bezahlt die Familie vom Pflegegeld aus der Pflegestufe 3. Als es vor anderthalb Jahren der Mutter so schlecht ging, hat die 61-Jährige ein halbes Jahr Sonderurlaub genommen.

    "In der Zeit habe ich sie aufgepäppelt, ihr ging es prima. Also stand überhaupt nicht infrage, sie wieder ins Heim zu geben. Also musste ich mir was überlegen."

    Das Heim kostete monatlich ungefähr 4000 Euro. Für die stationäre Unterbringung zahlte die Kasse etwa 1550 Euro. Dazu kam die Rente der Mutter und die Einnahmen aus der Vermietung von zwei Wohnungen. Das Ehepaar Krause musste dennoch zum Schluss jeden Monat rund 300 Euro dazuzahlen.

    "Dann haben wir alles durchgerechnet und gesagt, wenn ich jetzt aufhöre zu arbeiten, haben wir die Mieten, ihre Rente und das restliche Pflegegeld und dann kommt das wieder hin. Das macht ungefähr das aus, was mein Gehalt war."
    Ihr Arbeitgeber hatte noch ein weiteres Jahr Sonderurlaub bewilligt, denn eine gute Pflegefachkraft ist nicht leicht zu bekommen. Doch Hannelore Krause hat gekündigt. Sie ist zufrieden mit der Arbeit zuhause und Dank der Mieteinnahmen kann sie es sich auch leisten. Eine Ausnahme. Die Mehrheit der pflegenden Angehörigen ist auf das Gehalt angewiesen. Angesichts der demografischen Entwicklung gilt es zunehmend, Pflege und Beruf in Einklang zu bringen. Das wollte Bundesfamilienministerin Kristina Schröder mit dem Familienpflegezeitgesetz erleichtern. Seit Januar ist es in Kraft.

    Arbeitnehmer können zwei Jahre Teilzeit arbeiten und ihren Lohn dabei bis zu 75 Prozent weiterbeziehen. In den darauf folgenden Jahren arbeiten sie wieder Vollzeit und bekommen so lange weiter das reduzierte Gehalt, bis das Konto ausgeglichen ist. Kristina Schröder in einem Telefoninterview mit dem Deutschlandfunk zum Start der Initiative:

    "Mit dem Familienpflegezeitgesetz schaffen wir einen modernen Weg Familie und Pflege miteinander zu vereinbaren ohne dass wir dadurch immer weitere Leistungsgesetze erfinden und immer weiter Schulden machen."

    Dieser "moderne Weg" ist für die Unternehmen freiwillig und kostenneutral. Arbeitgeber bekommen die Lohnvorausleistung vom Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben zwischenfinanziert. Der Sozialexperte Jürgen Gohde hält es für richtig, Angehörigen eine echte Auszeit zu geben. Das Familienpflegezeitgesetz greife aber zu kurz:

    "Das größte Problem besteht darin, dass es keinen Rechtsanspruch gibt. Und das zweite ist, viele können sich diese Auszeit nicht leisten. Wenn 2000 Euro verdient werden und sie müssen auf 25 Prozent ihres Gehaltes über zwei Jahre verzichten, die meisten können sich das finanziell einfach nicht erlauben. Es klappt in den Betrieben, wo dieser Betrag aufgestockt wird. Und ich könnte mir vorstellen, dass in einer breiten Vereinbarung, wenn es Rechtsansprüche gäbe, so etwas in Tarifverhandlungen durchaus ein wichtiges Thema wäre. Wir müssen über die Formen nachdenken, wenn wir diese Aufgabe künftig lösen wollen."

    Nach einem halben Jahr ist die Resonanz der Familienpflegezeit noch dürftig. Selbst große Unternehmen, wie Daimler, Evonik, RWE und die Bayer AG haben kaum Nachfragen.

    "Für uns persönlich wäre es nicht in Frage gekommen. Dann geht´s natürlich auch ums Finanzielle. Ich denke, je nachdem welchen Beruf man hat, da kann man dieses Modell von sich aus gar nicht wählen, weil der Arbeitgeber das gar nicht mitmachen wird. Ich kenne keinen - und ich kenne viele, die pflegebedürftige Eltern oder Angehörige haben -, der dieses Modell annimmt."

    Monika Kramer arbeitet in einem ambulanten Pflegedienst in Köln. Ihre Schwiegermutter ist 94 Jahre alt und inzwischen nach einem Schlaganfall und einer fortschreitenden Demenz sehr pflegebedürftig.

    "Wir hatten den Pflegedienst, das ist die Situation, die ich ja gut kenne, aber ich weiß, dass die nur wenige Stunden am Tag abdeckt. Wir haben sie auch mal in die Kurzzeitpflege gegeben, um mal die Situation auszutesten, wie ist das in so einem Altenheim. Aber letztendlich wollte sie sich nicht mehr an irgendeine andere Situation gewöhnen."

    Die 94-Jährige lebt deshalb weiter in ihrer eigenen Wohnung, inzwischen in einer wechselnden Wohngemeinschaft mit einem festen Kreis von vier Frauen aus Polen. Der Pflegedienst macht die medizinische Grundversorgung und eine der Frauen begleitet sie jeweils für zwei Monate in ihrem Alltag.

    "Das Geld von der Pflegestufe, das geht ja quasi an den Pflegedienst. Also war uns klar, wir müssen selber das irgendwie bezahlen. Und die beste Lösung ist eben, dass da immer jemand rund um die Uhr ist, und da haben wir uns für die polnischen Hilfen entschieden."

    Als Haushaltshilfe verdient Ina in Deutschland rund 1000 Euro im Monat. Ob sie sich davon sozialversichert bleibt ihr selbst überlassen. Über 100.000 solcher Haushaltskräfte leben zeitweise in deutschen Haushalten. Sie sind in der Regel gern gesehene Gäste in den Familien. Denn sie ermöglichen ein Weiterleben in den eigenen vier Wänden.

    "Ich denke es ist richtig von einem Graubereich zu reden",

    sagt der Vorsitzende des Kuratoriums Deutsche Altershilfe, Jürgen Gohde. Diese Arbeitskräfte fallen weder unter die Regelungen der Freizügigkeit, die seit Mai 2011 vollständig gilt, noch unter das Entsendegesetz. Deklariert als Haushaltshilfen oder einfach als Gast sind sie die billigen Retterinnen der häuslichen Pflege.

    "Das ist eine Frage der Qualität, das ist eine Frage der Verknüpfung mit vorhandenen Diensten, um die Sicherung der Qualität zu erreichen. Der Bericht des MDS, der in diesen Tagen vorgelegt worden ist, weist ja wieder für den stationären als auch für den ambulanten Bereich deutliche Probleme aus für Menschen mit Demenz. Und nicht zuletzt aus diesem Grund muss man das ganz sorgfältig sehen. Andererseits zeigt sich an dieser Stelle ein ganz tiefes Bedürfnis, nämlich dass Pflegebedürftige Menschen haben wollen, die für sie konstant da sind und die auch bereit sind, mit ihnen zu leben."

    Ambulant hat weiter Vorfahrt, sagt Gesundheitsminister Daniel Bahr. Sicher auch, weil immer noch die Familie, insbesondere die pflegenden Töchter, die beste Absicherung des Pflegerisikos sind. Doch dann sollten Angehörige auch tatsächlich Vorfahrt haben, meint Pflegewissenschaftler Prof. Andreas Büscher von der Hochschule Osnabrück.

    "Es ist ja so, dass die Pflegeversicherung implizit auf der familiären Pflege aufbaut. Was bisher versäumt wurde ist, eine passende Infrastruktur aufzubauen, an die Angehörige sich wenden können. Es geht darum, dass jemand fachlich in der Lage ist mit Angehörigen darüber zu sprechen, was sie denn zu erwarten haben, wenn sie sich für die Pflege eines erkrankten Familienmitglieds entscheiden. An dem Punkt sind wir nur schwach ausgestattet. Da ist es schon notwendig, die Angehörigen stärker in den Blick zu nehmen und sie auch differenziert in den Blick zu nehmen."

    Denn häusliche Pflege unterscheidet sich, wie die Möbel in den Wohnungen. Da gibt es betagte Paare, die sich gegenseitig pflegen, alte Eltern, die ihre erwachsenen Kinder pflegen, die 50-/60-jährigen pflegenden Töchter und Söhne, die eigene Familie, Beruf und Pflege unter einen Hut bringen müssen. Dann gibt es zunehmend Alleinstehende, die nur durch professionelle Pflegedienste zuhause versorgt werden. Das kennt auch Monika Kramer aus ihrer Arbeit in der ambulanten Pflege.

    "Wir haben dann meist den Schlüssel. Wir sind der erste Kontakt, machen dann unsere Arbeit. Je nachdem oftmals in einem Minimal-Programm, weil die Pflegestufe das nicht hergibt. Die Zuzahlung ist bei wenig Rente einfach nicht möglich. Dann ist es sehr schwer dort wegzukommen. Die Menschen bitten dann immer drum, noch einen Kaffee mit ihnen zu trinken, weil sie einfach froh wären, derjenige würde bleiben."

    Einsamkeit ist heute eines der größten Probleme alter Menschen. Gespräche beim Kaffee kann der Pflegedienst aber nicht abrechnen.

    "Wir leisten uns ein Leistungsspektrum ambulanter Pflegedienste, was nur auf die körperliche Verrichtung abzielt für die, die bislang als pflegebedürftig gelten. Und das ist tatsächlich ein Problem. Man verbietet sozusagen ambulanten Pflegediensten Leistungen anzubieten, die bedarfsgerecht sind, weil man einen Leistungskatalog hat, der nur bestimmte Dinge vorsieht. Da muss man dringend etwas ändern, um hier zu mehr Flexibilität und Passgenauigkeit zu kommen."

    Das Problem hat auch Gesundheitsminister Daniel Bahr erkannt.

    "Starre Minutenpflege nach der jetzt kalkuliert wird, ich sage es zugespitzt, eine Minute für das Haare-Kämmen, zwei Minuten fürs Zähneputzen, das wird den Ansprüchen der Pflegebedürftigen an individueller Pflege nicht gerecht. Wir müssen wegkommen von solch starren Konzepten, sondern mehr Flexibilität in der Auswahl der Pflegeleistung geben."

    Was notwendig wäre, weiß man seit Jahren: ein neuer umfassender Pflegebedürftigkeitsbegriff, der nicht nur die körperliche, sondern auch psychosoziale Pflegebedürftigkeit mit einschließt. Allein es hapert an der Umsetzung, kritisieren Fachleute wie Jürgen Gohde. Denn sie kostet Geld. Der Sozialexperte vom Kuratorium Deutscher Altershilfe hat deshalb dem Gesundheitsminister den Dienst verweigert, als dieser ihn im März erneut mit der Leitung des Pflegebeirats beauftragen wollte. Es geht vor allem um einen neuen Pflegebegriff, der nicht nur die körperliche Pflege im Blick hat und damit den Personenkreis erweitert.

    "Es ist die Schlüsselfrage, ob wir auch die Lebenssituation von Menschen mit Demenz und demenziellen Erkrankungen, psychisch-kognitiven Einschränkungen der Alltagskompetenz entsprechend abbilden können. Denn diese Zahl nimmt zu."

    Menschen mit einer demenziellen Erkrankung werden derzeit genauso wenig erfasst, wie chronisch psychisch Kranke oder Menschen mit einer geistigen Behinderung. Sie alle aber werden meist in ihren Familien betreut. Und die brauchen dabei eindeutig mehr Unterstützung. Sicher gibt es überall in Deutschland Orte mit kleinen Leuchttürmen der familiennahen Pflegeversorgung. Doch es fehlt ein Gesamtkonzept für kommunal differenzierte Angebote, sagen Fachleute wie Jürgen Gohde vom Kuratorium Deutsche Altershilfe.

    "Wir müssen einen so genannten Hilfemix erarbeiten, in dem professionelle, Ehreamtliche, Freiwillige miteinander arbeiten. Aber es geht um die Sicherung der Qualität, es geht um neue Versorgungsformen. Es geht um eine noch bessere Absicherung in der Tagespflege, es geht um die Dienste nach Paragraph 45, als die entlastenden Dienste, die freie Zeit ermöglichen. Es geht um eine Anerkennungskultur. Und wenn sie sehen, dass eine Pflegezeit in der Familie immer noch rentenrechtlich nicht gleich behandelt wird mit der Kindererziehungszeit, dann sieht man, dass hier ein ganz großes Brett zu bohren ist."

    Die Bereitschaft in den Familien ist hoch. Doch ohne entsprechende Rahmenbedingungen könnte diese gesellschaftliche Kraft irgendwann erschöpfen. Dann sagt bald vielleicht niemand mehr:

    "Oma ist zuhause in ihrem gewohnten Umfeld und wird verhätschelt und vertätschelt. Oma wird 100. Haben wir beschlossen (lacht)."