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Reformkompromiss

Es hätte auch eine Nacht der langen Messer werden können. Schließlich gab es vor gut einer Woche noch einige Hinweise darauf, dass so manch einer in der Union das Verfahren gerne hätte scheitern sehen. Soweit ist es nicht gekommen. Zehn Stunden haben die Partei- und Verhandlungsführer gebraucht, um am frühen Montag Morgen die Einigung und damit auch die vielfältigen Kompromisslinien verkünden zu können. Und so zeigen sich heute auch diejenigen einigermaßen zufrieden, denen vor einer Woche noch ein anderes strategisches Interesse zugeschrieben wurde.

Von Volker Finthammer |
    Ich bin damit sehr unzufrieden, dass die Strukturreformen am Arbeitsmarkt nicht kommen, d.h. die Reformarbeit muss vollständig weitergehen. Jeder, der glaubt, er hätte jetzt einen wesentlichen Schritt erreicht, und man könne jetzt hoffen, dass von selbst sich etwas bewegt, der wird sich irren. Die Steuerreform wird höchstens einen kurzen Impuls, keine wirtschaftliche Erholung bringen, aber die Frage Flexiblisierung am Arbeitsmarkt, betriebliche Bündnisse für Arbeit, ganz anderes im Bereich im Kündigungsschutzrecht, das werden die Stichworte sein, die uns wieder beschäftigen. Und solange wir die nicht gelöst haben, wird alles andere eher eine Medienarbeit sein als eine Frage, wirklich an den Strukturen in Deutschland etwas wirksam zu verändern.

    So der hessische Ministerpräsident Roland Koch. Ihm wurden in dem ganzen Verfahren die größten Ambitionen nachgesagt, die Reformagenda der Koalition quasi vor die Wand fahren zu lassen. Doch im Konzert der Ministerpräsidenten der Union, der gewichtigen Stimme des bayerischen CSU-Chefs Edmund Stoiber und der erst jüngst durch den Parteitag gestärkten CDU-Vorsitzenden Angela Merkel, spielte Koch eben nicht die entscheiden Rolle. Insoweit war absehbar, die Union würde sich auf einen Kompromiss zu bewegen und gleichzeitig versuchen, den Preis dafür in die Höhe zu treiben. Das scheint der Union auch gelungen zu sein, glaubt man den Worten von Angela Merkel:

    So würde ich in insgesamt sagen, dass wir ein konstruktives Ergebnis ereicht haben, dass wir ein Ergebnis erreicht haben, das die Handschrift der Christlich Demokratischen Union trägt, das alle Optionen für Wachstum möglich macht und trotzdem die Markenkerne der Union - solide Finanzen und geringere Steuern - zusammenbringt und damit wirklich etwas für das nächste Jahr leistet.

    Wie sehr diese Entscheidung auch von einem Kompromiss innerhalb der Union geprägt war, verdeutlichte am Nachmittag der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber:

    Ich verhehle nicht meine Zufriedenheit, denn Sie wissen alle, dass es auch in der Union insgesamt unterschiedliche Stimmen gegeben hat hinsichtlich der Zustimmung zum Vorziehen der Steuerreform, und Sie wissen auch, dass ich immer gesagt habe, wenn die Bedingungen stimmen, dann halte ich es für abslout sinnvoll und notwendig, hier zuzustimmen, denn zuerst kommt das Land und dann die Partei.

    Abgesehen von den unionsinternen Rechtfertigungsmanövern, ähnelten sich denn heute auch die Einschätzungen. Quer durch alle politischen Lager wurde der Kompromiss als Erfolg gefeiert und als Aufbruchsignal. Auch der Bundeskanzler wusste das Ergebnis angemessen darzustellen.

    Also ich denke, das ist ein Ergebnis, das sich sehen lassen kann. Wir hätten bei dem Vorziehen der Steuerreform alles gerne gesehen, Zweidrittel sind aber auch eine Zahl, mit der man leben kann, und zwar gut leben kann, das wird dazu beitragen, dass auch der Aufschwung stabilisiert und unterstützt wird auf dem Binnenmarkt. Es hat sich gezeigt, dass entgegen mancher Einschätzung Deutschland sehr wohl zu Reformen in der Lage ist.

    Und gerade auf letzteres, also den Beweis der Reformfähigkeit, musste es Gerhard Schröder angesichts der schwierigen konjunkturellen Lage, dem Umfragetief der SPD und der Mehrheit der unionsregierten Länder im Bundesrat ankommen. Das gilt ganz besonders im Blick auf die Steuerreform. Deren ökonomische Wirkung ist zwar selbst unter den Fachleuten umstritten. Zu einem messbaren Konjunkturaufschwung wird die Steuerreform, erst recht in der jetzt eingeschränkten Form, kaum beitragen. Doch wichtiger als die realen Entlastungen in Euro und Cent bewerten die Ökonomen, Sachverständigen und nicht zuletzt auch der Kanzler und seine Koalition die psychologische Wirkung der Tarifsenkungen, mit denen die Bürger jetzt rechnen können. Diese psychologische Wirkung war es auch, die die Union im Vermittlungsverfahren erheblich unter Druck gesetzt hat. Die Christdemokraten hätten sich kaum der aufgeheizten Debatte der letzten Wochen und Monate entziehen und den Kompromiss verweigern können. Zu sehr hätte die Union ein Glaubwürdigkeitsproblem - und den geballten Volkszorn - fürchten müssen, hätte sie die Steuerreform abgelehnt.

    Dabei hat das Vorziehen der dritten Steuerreformstufe, auf die sich die Verhandlungen konzentrierten, im Kern wenig mit Schröders Reformagenda zu tun. Veränderungen in der Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik sollten das eigentliche Herzstück der rot-grünen Reformagenda sein. Sie wurden es auch. Der Katalog war lang und wurde Teil der Verhandlungen im Vermittlungsausschuss. Änderungen beim Kündigungsschutz, die Reform der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit, die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe mit neuen Zumutbarkeitskriterien für die Annahme einer Arbeit und einiges mehr. Dazu die Gesundheitsreform 2004, die den Versicherten der gesetzlichen Krankenkasse deutlich mehr Eigenvorsorge abverlangt. Zuviel für die Linken in der SPD. Die den Kanzler prompt vor die Machtfrage stellten.

    Zum einen sind wir der Auffassung, dass die Lasten ungleich verteilt sind - ich erinnere an ein Motto von Willy Brandt, breite Schultern müssen mehr Lasten tragen als schmale Schultern - und im übrigen im Zentrum steht dann natürlich die Frage, mit welchen Instrumenten soll mehr Beschäftigung erreicht werden, wenn ich das Arbeitslosengeld kürze, die Arbeitslosenhilfe kürze, dann nehme ich zusätzlich Nachfrage vom Markt. Und nach meiner festen Überzeugung sind das die ganz falschen Wege zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.

    So der SPD-Parteilinke Ottmar Schreiner. Geradezu als Kompensationsgeschäft beschließt das Kabinett Ende Juni in großer Runde auf Schloss Neuhardenberg im Brandenburgischen, die dritte Stufe der Steuerreform um ein Jahr vorzuziehen, damit den Bürgern durch die Reformen nicht nur genommen, sondern auch etwas gegeben wird. Die Spitzen der Union begrüßten den Schritt, plädierten für rasche Steuersenkungen, lehnten aber eine zu wesentlichen Teilen über Kredit finanzierte Steuerreform ab.

    Zusätzlich 16 Milliarden Euro, so dagegen die Rechnung der Koalition, sollte die vorgezogene Steuerreform neben der ohnehin beschlossenen zweite Stufe den Bürgern ab 2004 bringen. Für die Gegenfinanzierung hatte die Koalition jedoch keine weitreichenden Finanzierungsvorschläge auf den Tisch gelegt. Nüchtern betrachtet, lief ihr Konzept darauf hinaus, rund 80 Prozent der Steuerausfälle über eine Erhöhung der Neuverschuldung zu finanzieren.

    Militärisch gesprochen, gab es in der Frage der Steuerreform seit Anfang Juli einen materialintensiven Stellungskrieg, bei dem erst Ende September dieses Jahres die Hoffnung auf einen Kompromiss sichtbar wurde.

    Wir befinden uns in einer kontinuierlichen Entwicklung, die mit einer so dramatischen Veschuldung der öffentlichen Haushalten in Bund, Ländern und Gemeinden einhergeht, dass wahrscheinlich jetzt die beste Zeit dafür ist, die Frage zustellen, was können wir tun, um dauerhaft das, was der Staat ausgibt, ein Stück zu reduzieren. Wir sind auch an die Eigenheimzulage herangegangen, wir haben den gesamten Block der Abschreibungen in der Bundesrepublik Deutschland uns vorgenommen, selbstverständlich die Entfernungspauschale, die Steinkohle, den Arbeitnehmerpauschbetrag, Sparerfreibetrag, halber Steuersatz für betriebliche Veräußerungsgewinne.

    So die Ministerpräsidenten Koch und Steinbrück, die in einer Art vorausschauender Großer Koalition ein gemeinsames Papier zum Subventionsabbau vorgelegt hatten. Es wurde ein wichtiger Bestandteil der Verhandlungen im Vermittlungsausschuss. 15,8 Milliarden Euro sollte ihrem Konzept zufolge in den kommenden drei Jahren an staatlichen Subventionen eingespart werden. Ein ehrgeiziges Projekt. Doch die Finanzstrategen im jeweiligen politischen Lager hatten dieses Geld bereits für anderes verplant. Finanzminister Hans Eichel etwa wollte die Eigenheimzulage und die Pendlerpauschale stärker kürzen, um seinen Haushalt 2004 finanzieren zu können.

    Die Union wollte sich diesen Schritt aber für ihre eigene Steuerreform vorbehalten, die auf dem jüngsten Parteitag beschlossen wurde. Im jetzt gefunden Kompromiss trägt der Subventionsabbau allenfalls ein Viertel zur Finanzierung der vorgezogenen Steuerreform bei. Den größten Block sollen noch nicht näher beschriebene Privatisierungserlöse bringen. 5,3 Milliarden Euro werden dafür veranschlagt. Faktisch läuft das aber auf eine indirekte Neuverschuldung hinaus. Denn realistisch gesehen muss der Finanzminister Anteile des Bundes an Telekom, Post, Bahn und anderem mehr bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau zwischenparken, bis die Aktienpakete auf dem Markt auch verkauft werden können. Für die Union hatte diese Lösung jedoch einen großen Charme, zumal der Kanzler angeboten hatte, den Ländern die Hälfte der Erlöse abzutreten. Weitere Zugeständnisse, etwa bei der Umsatzsteuer, wollte Schröder aber nicht machen.

    Am Ende war es dann auch eine Überlegung von Frau Merkel und von mir, nachdem das dann kurz vor dem Scheitern stand, dass man eben dann mit der verfügbaren Summe das machen müsste, d.h. dann keine 15,6 Milliarden Euro Entlastung, sondern eben dann eine Entlastung von 7,8 Milliarden Euro. Und bei 7,8 Milliarden Euro kommen die Länder eben dann zu einer Finanzierungsquote, die unterhalb der 25 Prozent Schuldenfinanzierung liegt.

    So die einfache Rechnung von CSU-Chef Edmund Stoiber, mit der die Union den Kompromiss rechtfertigen kann. Sowohl der Haushalt des Bundes als auch der der Länder bleibt bei der abgespeckten Steuerreform unterhalb der von der Union vorgegebenen Schuldenquote von 25 Prozent. Über diesen Weg kamen die 7,8 Milliarden Euro zustande, die jetzt den Bürgern konkret in Aussicht gestellt werden. Deshalb sinken Eingangs- und Spitzensteuersatz im kommenden Jahr auch weniger stark ab, als ursprünglich von der Koalition geplant.

    Und wir haben etwas erreicht, was mittelfristig aus meiner Sicht ganz, ganz wichtig ist. Nach den Plänen der Bundesregierung wäre das Bezahlen des einmaligen Vorziehens der Steuerreform dauerhaft beim Subventionsabbau überkompensiert worden. D.h. die Streichungen bei der Eigenheimzulage und bei der Pendlerpauschale hätten mittelfristig mehr Belastung hervorgerufen als die eigentliche steuerliche Entlastung ausmacht. Dies haben wir verhindert.

    Sagt die CDU-Vorsitzende Angela Merkel. Zwar bekommen Pendler und Häuslebauer künftig weniger. Die Entfernungspauschale wird von 40 auf 30 Cent pro Kilometer gekürzt und die Eigenheimzulage, die nach den ursprünglichen Plänen von Rot-Grün ganz gestrichen werden sollte, wird nur um ein Drittel gekürzt. Probleme dürfte das vor allem dem Finanzminister bereiten, der in seinem Haushalt bereits ungleich größere Einsparungen eingestellt hat.

    Es ist schon bemerkenswert festzustellen im Ergebnis des Vermittlungsausschusses, dass es offensichtlich mit Union und FDP weniger Steuererleichterungen gibt und auch weniger Subventionsabbau als mit Rot-Grün. Mehr Steuererleichterungen wären möglich gewesen, wenn die Union bereit gewesen wäre, beim Subventionsabbau weiterzugehen, als sie das letztlich sich abringen konnte.

    So der grüne Parteivorsitzende Reinhard Bütikofer. Sicher scheint jedoch, dass die verkürzte Steuerreform Finanzminister Eichel zugleich einen verfassungskonformen Haushalt ermöglichen könnte. Der Haushaltsexperte der Union, Dietrich Austermann, geht zumindest davon aus, dass die Neuverschuldung unterhalb der Summe der Investitionen liegen wird. Das Finanzministerium konnte bislang noch keine Gesamtschau der Auswirkungen des Kompromisses auf den Etat 2004 nennen.

    Aber nicht nur bei der Steuerreform, auch bei den Arbeitsmarktreformen hat die Union ob ihres klaren Übergewichts im Bundesrat punkten können:

    Wir haben etwas nachgeben müssen im Bereich des Kündigungsschutzes, also Betriebe bis zu zehn Beschäftigten werden in Zukunft keinen Kündigungsschutz mehr haben. Wir haben etwas zugeben müssen im Beriech der Zumutbarkeit, aber wir haben dafür erreicht, dass die Tarifautonomie unangetastet bleibt. Und das ist der wichtigere Punkt aus unserer Sicht.

    Sagt SPD-Fraktionschef Franz Müntefering. Für die Opposition war die Verknüpfung der Arbeitsmarktreformen mit der Steuerreform jedoch eine der Kernfragen im Verhandlungspoker. In der Frage gesetzlicher Öffnungsklauseln soll es jetzt eine Protokollerklärung der Bundesregierung geben, in der die Tarifpartner aufgefordert werden, binnen eines Jahres freiwillige Vereinbarungen zu betrieblichen Beschäftigungsbündnissen zu treffen.

    Die FDP werde dies in einem Jahr auch einklagen, sollten die Tarifpartner keine entsprechenden Vereinbarungen treffen, erklärte prompt der Parteichef der Liberalen, Guido Westerwelle. Beim Kündigungsschutz soll der Schwellenwert, ab dem das Gesetz greift, auf zehn Mitarbeiter angehoben werden, und für Sozialhilfe- und Arbeitslosenempfänger soll künftig jede Arbeit zumutbar sein. Die vor allem von SPD-Linken und Teilen der Grünen geforderte Voraussetzung, dass ein ortsüblicher Lohn gezahlt werden müsse, wurde gestrichen.


    Ich freue mich darüber, dass damit ein Teil dessen, was ja zum Schaden unseres Landes die Linken bei SPD und Grünen seinerzeit abhandeln konnten, jetzt wieder wegfällt, so dass wir hier einen Schritt in Richtung Marktwirtschaft unternehmen konnten, und das ist richtig so.

    So FDP-Chef Guido Westerwelle voller Zuversicht. Den Grünen, aber stärker noch der SPD ist dieser Kompromissvorschlag ein Dorn im Auge.

    Ich sehe allerdings, dass es durchaus die Möglichkeit gibt, dagegen erfolgreich vorzugehen, dass nun Langzeitarbeitslose bei der Bezahlung ins Bodenlose fallen. Es gibt rechtliche Grenzen im Sozialgesetzbuch, und ich vermute, die Weigerung der Union, sich hier mit uns auf eine vernünftige Mindestgrenze zu einigen, wird zur Konsequenz haben, dass die Sozialgerichte diese Frage entscheiden müssen.

    Kündigt der grüne Parteichef Reinhard Bütikofer an. Im SPD Präsidium hatte sich jedoch keiner der Teilnehmer gegen das Vermittlungsergebnis ausgesprochen. Generalsekretär Olaf Scholz nannte das Ergebnis in allen Punkten akzeptabel. Und auch SPD-Fraktionschef Franz Müntefering geht davon aus, dass die Fraktion trotz der empfindlichen Zugeständnisse im Arbeitsrecht mit dem Kompromiss wird leben können:


    Das tut nicht nur Links oder Rechts weh bei uns, sondern der Partei insgesamt. Da denken alle gleich darüber. Ich gehe davon aus, dass wir insgesamt den Kompromiss tragen können.


    Derweil kündigte der Parteilinke Ottmar Schreiner bereits die Ablehnung der Reform im Bundestag an, wenn der Kompromiss bedeute, dass Langzeitarbeitslose jede Arbeit unabhängig von tariflichen oder ortsüblichen Löhnen annehmen müssten. Ähnlich äußerte sich Christian Ströbele von den Grünen. Abweichler wollen Müntefering und Schröder jedoch gar nicht zulassen. Die Gesetze müssten im Bundestag schon mit einer eigenen Mehrheit verabschiedet werden, heißt es in der SPD-Führungsspitze.

    Keinen Streit dürfte es dagegen beim Kompromiss für die Zusammenlegung der Arbeitslosen- mit der Sozialhilfe geben. Dort stritten sich Regierung und Opposition bis zuletzt um die Frage der Zuständigkeit. Die Koalition wollte die Zuständigkeit der Nürnberger Bundesanstalt übertragen, die somit neben den Arbeitslosen auch für rund 1 Million erwerbsfähigen Sozialhilfeempfänger zuständig wäre. Die Opposition warnte vor soviel Zentralismus, sah die ohnehin schon durch den Reformprozess angeschlagene Behörde überfordert und wollte die Kommunen die Pflicht nehmen.

    In Zukunft hat jeder Landkreis, jede kreisfreie Stadt in Deutschland das Recht, selbst diese Operationen zu machen. Ich habe das im Vermittlungsausschuss am Freitag vorgeschlagen, ich habe selbst lange Zeit nicht geglaubt, dass wir eine Chance hätten, das durchzusetzen. Es ist dann irgendwann in der Nacht zwischen eins und zwei dazu gekommen, dass es nun dieses Optionsmodell gibt. Ich denke, wenn die ersten Kommunen es jetzt wahrnehmen, und da bin ich ganz sicher, dass die ersten es jetzt tun, wird Jahr für Jahr im Wettbewerb mit der Bundesagentur für Arbeit klar werden, dass das ortsnäher besser organisiert werden kann, und es werden immer mehr in Deutschland machen.

    So der hessische Ministerpräsident Roland Koch, der mit seinem in Amerika entlehnten Offensivmodell noch viel weiter gehen und den einzelnen Bundesländern die Hoheit für diese Aufgabe übertragen wollte. In der Koalition sieht man diesen Kompromiss gelassen. Man werde sehen, welches Modell von den Städten und Gemeinden angenommen werde, hält SPD-Fraktionschef Franz Müntefering dagegen. Allerdings erhalten die Kommunen denselben Zuschuss und den gleichen Instrumentenkasten wie die Arbeitsämter. Auf diese Weise soll nämlich vermieden werden, dass in den einzelnen Ländern unterschiedliche Regeln gelten. Sicher ist jedoch, dass die Zusammenlegung nicht schon zum ersten Juli des kommenden Jahres, sondern erst am 1. Januar 2005 in Kraft treten wird.

    Da mögen Außenstehende bereits wieder von Reförmchen reden. Für die Akteure im Vermittlungsausschuss verbirgt sich hinter dem Kompromiss eine Reform, die sich sehen lassen kann. Heute zumindest waren die Gräben, die Regierung und Opposition sonst trennen, vorrübergehend zugeschüttet. Länger als bis zum kommenden Freitag, wo die Einigung in Bundesrat und Bundestag abgesegnet werden muss, dürfte der Schulterschluss kaum reichen. SPD-Fraktionschef Franz Müntefering ließ sich da auch nicht von den ersten warnenden Stimmen aus den eigenen Reihen verrückt machen.

    Ich bin sicher, wenn morgen der Vermittlungsausschuss eine Bereinigungssitzung macht, er wird dann noch einmal zusammentreten, und die Beschlüsse entsprechend fasst, dass wir dann am Freitag beschlussfähig sind, und dass dann auch die Dinge rechtzeitig im Bundesgesetzblatt stehen werden.