Donnerstag, 25. April 2024

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Reformpläne beim DOSB
Wohl eher kein Neuanfang

Der geplante Neustart des DOSB ist nach der missglückten Leistungssportreform ein weiterer Reformversuch. Es soll nun wieder eine inhaltliche, strukturelle und personelle Runderneuerung werden. Doch wohin der Kurs des DOSB und des deutschen Sports führt und wer ihn steuern soll, ist ungewisser denn je.

Eine Kolumne von Bianka Schreiber-Rietig | 28.08.2021
Unscharfes Bild von DOSB-Präsident Alfons Hörmann, der hinter Schatten verschwindet
DOSB-Präsident Alfons Hörmann hat seinen Rückzug bereits bekannt gegeben - ob das für einen Neuanfang reicht, ist fraglich (picture alliance/dpa | Christoph Soeder)
Es gibt auch diesmal keine klare Zielvorgabe. Wer den deutschen Sport, seine Strukturen und seine Protagonisten kennt, der ahnt, dass ein Neuanfang und Veränderungen eine kaum zu bewältigende Mammutaufgabe sind. Konstruktive, vielleicht auch rebellische Vorschläge aus den AGs, die engagiert für einen Neuanfang arbeiten, werden es sicher nicht in die Endrunde schaffen. Das Große Ganze mal als Linie vorgeben und durchdenken? Da könnte man ja gezwungen sein, sich von Dingen zu verabschieden, die man aus Eigeninteresse nicht aufgeben will. Ein Status quo mit kleinen Korrekturen und einer neuen/alten Führungscrew wird wohl am Ende herauskommen.
Man sollte eigentlich erwarten, dass seit der Implosion des DOSB im Frühjahr – ausgelöst durch einen anonymen Brief aus dem Mitarbeiterkreis mit schweren Vorwürfen gegen Präsident Alfons Hörmann, Präsidium und Vorstand - sich vor allem die Mitgliedsorganisationen laut zu Wort melden. Zu hören ist bislang so gut wie nichts. Man überlässt es wieder einer kleinen Führungs-Crew, aus der einige am DOSB-Debakel beteiligt waren. Und im Hintergrund, aber auch manchmal öffentlich, werkeln Hörmann-Kritiker rund um den Präsidenten der Triathleten, Martin Engelhardt, seit geraumer Zeit an eigenen Reform-und Personalplänen. Die Macher hier und dort haben noch drei Monate Zeit bis zur Mitgliederversammlung in Weimar.
Dort sollten sich Hörmann und das übrige Präsidium - so die Empfehlung der Ethikkommission - einer Vertrauensabstimmung in Form von Neuwahlen stellen. Doch das ist nur möglich, wenn alle zurücktreten. Außer Hörmann und dem Vize Kaweh Niroomand hat noch niemand angekündigt, den Weg für Neuwahlen freizumachen. Ein hauseigenes juristisches Gutachten besagt, dass Neuwahlen nicht möglich sind, wenn nur ein einziges Präsidiumsmitglied die Amtszeit erfüllen möchte. Die freien Posten werden in diesem Fall in einer Nachwahl besetzt. Dann gäbe es erst im Dezember 2022 turnusgemäß Neuwahlen.

Interims-Präsident möglich

Als DOSB-Präsident Thomas Bach im Herbst 2013 zum IOC wechselte, wurde vom Präsidium ein Interims-Präsident bestellt. Schatzmeister Hans-Peter Krämer führte den Verband bis zur Wahl von Hörmann im Dezember 2013. Ein Übergangspräsident könnte es auch diesmal werden. Ob der deutsche Sport mit derartigen Manövern Vertrauen zurückgewinnen kann, ist eher zu bezweifeln. Das gilt auch für hartnäckige Gerüchte, Hörmann bereite sein Comeback vor und ziehe im Hintergrund weiter Strippen. Welche honorigen potentiellen Kandidaten werden sich ernsthaft auf so einen Prozess einlassen?
IOC-Präsident Thomas Bach (l.) und DOSB-Präsident Alfons Hörmann beim Empfang in der Stadthalle Tauberbischofsheim
Wer tritt die Nachfolge von Thomas Bach und Alfons Hörmann an? (imago images)
Eigentlich wollte man sich ja um Personalien erst kümmern, wenn inhaltlich die Richtung gefunden ist. Nun ist alles wie immer, der Neustart-Versuch ruckelig. Und es wird über Köpfe vor allem hinter den Kulissen diskutiert, eine Findungskommission ist nun als Suchtrupp unterwegs.
Wenn der DOSB wieder an gesellschaftlicher Bedeutung gewinnen will, muss er endlich aufhören, sich nur auf den olympischen Spitzensport zu konzentrieren, sondern eine Balance mit dem Breitensport finden, die die Mitgliedsorganisationen widerspiegelt. Auch gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen muss sich der DOSB stellen. Das haben vor allem die Landessportbünde und einzelne Verbände lange begriffen: Klima – und Umweltproblematik sind für viele Sportarten Überlebensfragen. Die Corona-Krise zeigte nochmal besonders deutlich, welche Themen der DOSB jahrelang schwer vernachlässigt hat – etwa auch im Sozial- und Gesundheitsbereich.

Gesucht: ein offenes, kommunikatives Team

Um das zu erreichen, muss ein starkes, offenes und kommunikatives Führungsteam gefunden werden. Die Betonung liegt auf Team. Nicht zuletzt deshalb will wohl die Mehrheit aus den Arbeitsgruppen das Ressortprinzip im Präsidium abschaffen. Ganzheitliche Betrachtung des Sports als neue Philosophie: Das eine bedingt das andere. Die einzelnen Präsidiumsmitglieder sollen sich deshalb darauf konzentrieren, ihrer Aufsichtspflicht gegenüber dem hauptamtlichen Vorstand nachzukommen, anstatt sich ständig in deren Arbeit einzumischen.
Neue Aufgaben, neue Strukturen und vor allem neue Köpfe braucht der DOSB. Manche im Sport, aber besonders DOSB-Präsidiumsmitglieder haben den Ernst der Lage offensichtlich immer noch nicht erkannt. Wenn sie es je mit Fair play ernst meinten, dann ist ihr Rückzug ohne Rückkehr unvermeidlich. Und es wäre die erste vertrauensbildende Maßnahme gegenüber verprellten, und genervten politischen und geschäftlichen Partnern sowie einer sportkritischen Bevölkerung. Vor allem könnten die Mitarbeiter und MitarbeiterinnenInnen im DOSB hoffen, dass in einer Atmosphäre des respektvollen Miteinanders ihre Arbeit und ihre Kreativität von einer neuen Führungscrew auch so geschätzt und umgesetzt werden, wie sie es verdienen.