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Refugium für alte Rassen

Das deutsche Lachshuhn, das Lehmkuhlener Pony oder das Brillenschaf - diese Nutztier-Rassen sind ebenso vom Aussterben bedroht wie rund 90 weitere. Jetzt entsteht die erste "Arche-Region" in Deutschland. Es ist das dünn besiedelte Amt Neuhaus im Kreis Lüneburg

Von Angelika Hoffmann |
    Hinter rund 50 Kilometer Flussufer ducken sich die alten Niedersachsenhöfe im dünn besiedelten Amt Neuhaus hinter dem Elbdeich. Aber viele Ställe stehen leer. Denn schon lange bewirtschaften Investoren aus Holland die meisten Äcker und Wiesen, haben zentrale Massentierställe und Biogasanlagen gebaut, ackern fast nur noch Mais. Freilaufende Nutztiere sind in Flusslandschaft kaum zu sehen. Aber das ändert sich jetzt. Bereits neun Hofbesitzer haben ihre Liebe zu alten Tierrassen entdeckt und sich der Arche-Bewegung angeschlossen. Wie Landwirt Hans-Jürgen Niederhoff zum Beispiel. Der 62jährige Marschenbauer züchtet inzwischen Wildpferde und Auerochsen. Auf seinem Hof sind neben den seltenen Rauwolligen Pommerschen Landschafen auch Thüringer Bergziegen eingezogen. Die müssen gemolken werden.

    "Hätte ich nie gedacht , dass ich noch einmal Ziegen melk, tja, das ist eben so, manchmal kommt es anders als man denkt."

    Insgesamt 34 bedrohte Rassen vom Karnickel bis zum Kaltblutpferd leben bereits auf den Höfen. Grund für die "Gesellschaft zum Erhalt alter Haustierrassen" GEH, das Amt Neuhaus als erste Arche-Region in Deutschland auszuzeichnen. Das sei aber kein Streichelzoo, sondern ein Netzwerk mit durchaus auch wirtschaftlichem Hintergrund, sagt GEH-Geschäftsführerin Antje Feldmann:

    "Man hat viele Beteiligte die sich in vielfältiger Weise engagieren. Man kann in der Region die Futtermittel nutzen was dort auch extensive Weiden bedeutet . Und man kann mit angepassten Rassen auch Produkte erzeugen, die man vielleicht gemeinsam vermarkten kann, es gibt also vielmehr Synergie-Effekte wenn mehrere Leute am selben Thema arbeiten."

    Auch die Biosphären-Verwaltung des Landes fördert die Entwicklung . Könnte sie doch ein kleines Gegengewicht zu Massentierhaltung und Monokulturen bilden . Behördenchef Johannes Prüter hält inzwischen selbst Hühner und einen Hund von bedrohten Rassen.

    "Ein Biosphärenreservat will biologische Vielfalt fördern. Das bedeutet Vielfalt an Kulturarten, an Nutztierarten und da ist die Tendenz mindestens so besorgniserregend wie vielerorts in der freien Landschaft."

    Moorschnucken, Meißner Widder oder Mangalitza-Wollschweine sollen auch Touristen in die finanzschwache Gemeinde am Elberadweg locken. Amt Neuhaus als Zentrum für alte Haustierrassen sei eine große Chance, sagt Hartmut Heckenroth, Motor der Bewegung und Geschäftsführer der Naturschutzstiftung "Storck Foundation" mit ihrem Elbe-Storchendorf.

    "Und da bietet es sich doch an mit diesen Rassen etwas zu machen um auch das Amt Neuhaus zu beleben. Dass die Gäste aus der Stadt hier noch einen Hinweis finden auf alte Rassen, die sie sonst nicht mehr finden, es sei denn sie gehen in den Zoo."

    Interesse an der neuen Arche-Region zeigt auch die Feinschmecker-Organisation Slow Food. Unter dem Motto: "essen was man retten will" baut der Verein ein Netzwerk für traditionell und artgerecht erzeugte Lebensmittel auf und knüpft nun auch Kontakte an die Elbe. Kulinarisch und touristisch erhoffen sich auch die Arche-Züchter so einen kleinen geldwerten Ausgleich für ihr Engagement.

    "Ich hab ja nun Pommersche Landschafe, hatte vorher Schwarzköpfe, aber die Pommerschen sind ja bedroht. Ich mach das auch wegen der Wolle, die ist ja schön dunkel, die andere war hell. - Ja, sie sind eben anders - einmal ihre Robustheit, dann auch das Fleisch was unser Schlachter uns bestätigt und auch unsere Feriengäste. - Das bringt einen Zulauf von Feriengästen, die sind begeistert wenn die mal ein freilaufendes Huhn sehen oder eine Ziege oder ein Schaf - das ist für die schon ein Zulauf."

    Auf der Grünen Woche im Januar soll Amt Neuhaus offiziell die Anerkennung als Arche-Region verliehen werden. Dann wird auch Bauer Niederhoff dabei sein und über seine ersten Erfahrungen mit Wollschafen und dem Ziegenmelken berichten

    "Man muss mit dem Herzen dabei sein, sonst sollte man die Finger davon lassen. Geld steht ja nicht im Vordergrund dabei, es ist eben viel Idealismus".