Dienstag, 23. April 2024

Archiv

Regeln für Router-Software
Hinterzimmer-Lösung

Die EU-Direktive zu funkenden Geräten blieb fast unbemerkt von der Öffentlichkeit.

Von Jan Rähm | 24.10.2015
    Bereits vor über einem Jahr verabschiedeten das EU-Parlament und der Europäische Rat die Richtlinie "2014/53/EU". Nichts besonderes, ist die Richtlinie doch einfach nur eine Aktualisierung einer alten Richtlinie aus dem Jahr 1999. Und weil sie so unscheinbar ist, hat kaum jemand mitbekommen, dass es die Neuauflage in sich hat. Denn sie legt fest: Hersteller von Funkanlagen müssen künftig verhindern, dass Dritte die Funkschnittstellen verändern können. Damit sollen zum Beispiel Interferenzen und andere Störungen wie ausufernde elektromagnetische Felder vermieden werden. Was aber sind die kritischen Punkte? Der IT-Jurist und Richter am Landgericht Frankfurt am Main, Reto Mantz:
    "Problematisch ist, wie diese Begrifflichkeit auszulegen sind. Also die Richtlinie definiert in Artikel zwei, was eine Funkanlage ist und das ist extrem weit. Da ist der klassische WLAN-Router dabei. Da kann aber eben auch ein Mobiltelefon oder sogar das Telefon, dass man hier zu Hause stehen hat von erfasst sein. Also im Grunde genommen wirklich alles, was über Funk funktioniert."
    Und obwohl nicht klar ist, welche Technik eigentlich genau betroffen ist, macht die Richtlinie hinsichtlich der Maßnahmen eine klare Ansage.
    "In Artikel 3 Absatz 3 ... da steht, Software, es soll verhindert werden, dass Software aufgespielt wird. Und da stellt man sich die Frage, ist damit die komplette Firmware gemeint? Also darf man jetzt gar nichts mehr aufspielen? Oder soll man nur solche Software nicht aufspielen können, die die Konformität mit den Funkregularien beinträchtigen könnte."
    Damit wolle man sicherstellen, so teilt uns die EU-Kommission schriftlich mit, dass die steigende Zahl der funkenden Geräte und deren Kombination nicht zu massiven Störungen und zu Rechtsbrüchen führten. Doch diese Vorschrift könnte drastische Folgen haben, so Reto Mantz.
    "Im Grunde genommen, ist es für Hersteller am Einfachsten, das Aufspielen von jeglicher Software zu verhindern, anstatt sich die Mühe zu machen, einen bestimmten Teil, abzusichern. Sondern es ist viel einfacher zu sagen, ich verbiete komplett das hier Software aufgespielt wird."
    So hat sich das die Kommission nach eigener Aussage aber nicht gedacht. Viel mehr würden Rahmenbedingungen geschaffen, die eine freie und quelloffene Vielfalt fördern würden, lässt uns die Kommission wissen. Das aber scheinen Forscher, Entwickler und Aktivisten aus Deutschland, Europa und in den USA anders verstanden zu haben. Sie befürchten, dass es schon bald kaum mehr Hardware gebe, die sie für ihre eigenen Zwecke anpassen könnten. 260 von ihnen demonstrieren nun mit einem offenen Brief gegen Pläne der US-amerikanischen Regulierungsbehörde FCC, die ganz ähnliche Regeln plant, wie die, die auf EU-Ebene bereits Tatsachen sind. Einer der Unterzeichner ist der Wifi-Mitentwickler und Programmierer Dave Täht.
    "Die FCC-Vorgaben enthalten einen Passus, demzufolge Hersteller die Nutzer davon abhalten müssen, eigene Software wie OpenWRT oder DD-WRT auf ihren Geräten zu installieren".
    Für Dave Täht geht es dabei nicht nur um die bloße Möglichkeit, eigene Software zu nutzen. Er meint, dass gerade Router-Hersteller in der Vergangenheit schlechte Firmware abgeliefert haben, voll mit Sicherheitslücken und mäßig in der Leistung.
    "Es geht nicht nur um die Router. Denken sie an das Internet der Dinge. Das werden Milliarden von Geräten sein. Wenn die auch nicht aktualisiert werden können, so wie es die FCC und die Europäische Kommission planen, dann werden wir potenziell Millionen smarte Glühbirnen haben, die Spam versenden".
    Täht und die anderen Unterzeichner des offenen Briefes wollen aber nicht nur protestieren und warnen. Sie schlagen auch eine - aus ihrer Sicht - ganz einfache Lösung vor: Software quelloffen machen und dokumentieren, ganz unabhängig von der Lizenz.