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Regeln für Unregelbares

Sie sind die Hotspots des Internets: Plattformen wie Google, Facebook, Youtube oder Itunes. Millionen User aus der ganzen Welt tummeln sich dort, tauschen Informationen aus, machen Geschäfte, laden Inhalte hoch und schauen sich Videos an. Tendenz steigend. Doch welche Risiken bringt diese Entwicklung mit sich?

Von Vera Linß | 29.01.2011
    Kein Wunder, dass Plattformen längst zu strategischen Zentren der digitalen Medienwirtschaft geworden sind. Hier wird das Geld verdient, denn hier lassen sich die User am leichtesten erreichen, können Nutzerdaten verwaltet und Inhalte verteilt werden. Doch welche Risiken bringt diese Entwicklung mit sich? Können diese monopolartigen Plattform-Strukturen die Meinungsvielfalt im Netz bedrohen? Auf diese Fragen wurden Antworten gesucht in dieser Woche in Berlin – auf Einladung der Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten.

    Ein Leben ohne Ebay? Unvorstellbar. Über 14 Millionen User tummeln sich hierzulande regelmäßig auf dem Online-Marktplatz. Ebenso viele Deutsche haben sich bei Facebook registriert. Generell gilt: Plattformen sind beliebt, denn sie vereinfachen die Kommunikation im Netz.

    Die Schattenseite: Den großen Flaggschiffen mangelt es an Transparenz. Beispiel Apple. Nach welchen Kriterien das Unternehmen Apps freigibt? Großes Fragezeichen, erklärt der Medienwissenschaftler Klaus Goldhammer und berichtet von einem Fall, ...

    "... wo eine Radio-App nicht lizenziert wurde, weil man gesagt hat, das ist zu einfach und sei eine 'Furz-App', gleichzusetzen mit einem Geräusch, dass man nicht unbedingt hören. ... das entpuppte sich zwar als Ente, aber da wurde man plötzlich dafür sensibilisiert, dass auf der anderen Seite jemand sitzt, der entscheidet: ja oder nein. Welche Kriterien der hat, ist für die Anbieterseite wenig transparent."

    Doch das ist nicht einzige Sorge, wenn es um Plattformen geht. Gerade im Internet gibt es eine ungehemmte Konzentration – Netzwerkeffekt nennen das die Experten. Das heißt, wenige Anbieter ziehen viele User auf sich. Klaus Goldhammer:

    "Das simple Beispiel ist Ebay: Ja, es gibt noch andere Auktionsplattformen im Internet, aber sowohl die Käufer als auch Verkäufer wissen beide, dass sie dort am meisten Chance haben, den besten Preis und die beste Produktauswahl zu bekommen und deshalb strömen alle in Scharen zu dieser einen Plattform ... Und diese Konzentrationstendenzen sind in Netzwerkmärkten ganz vehement vorhanden und das ist die andere Seite der Medaille, dass man sicherstellen muss, dass es doch noch Wettbewerb gibt."

    Eine Herausforderung, bei der die deutschen Medienwächter noch ganz am Anfang stehen. Denn: Noch ist nicht einmal medienrechtlich geregelt, was Internetplattformen überhaupt sind. Geschweige denn, wie man sie kontrolliert.

    Darum kann das geltende Recht nur unzureichend auf Entwicklungen im Netz reagieren, kritisiert der Medienökonom Robin Meyer-Lucht und fordert ein unkonventionelles Herangehen:

    "Wir sollten ... überlegen, was wir tun können, damit der Plattformwettbewerb funktioniert. Das muss nicht immer gleich ein neues Gesetz sein, sondern es kann auch einfach ein gesellschaftlicher Diskurs sein, welche Anforderungen wir als Nutzer, als Gesellschaft an Plattformen haben."

    Für Hans Hege, Chef der Medienanstalt Berlin-Brandenburg, haben hingegen ganz konkrete Alltagsfragen Priorität. Als Medienwächter hat er zuallererst die Vielfalt des privaten Radio- und Fernsehangebots sicherzustellen, auch im Netz. Deshalb beschäftigen ihn die Pläne von RTL und Pro Sieben, eine gemeinsame TV-Web-Plattform zu schaffen.
    Zwar prüft derzeit noch das Bundeskartellamt. Doch schon jetzt fordert Hege Chancengleichheit für alle privaten Fernsehanbieter im Internet. Er will sicherstellen,

    " ... wenn die großen Fernsehveranstalter zusammenarbeiten, was sich ja abzeichnet, dass eben lokale und regionale und kleinere auch da drauf sind. Und nicht nur die Großen. Also das wird eines unser Hauptaugenmerke sein."

    Dass dies auf lange Sicht hilft, Meinungsvielfalt und Transparenz von Internetplattformen sicherzustellen, bezweifelt Claus Grewenig vom Verband Privater Rundfunk und Telemedien. Für ihn ist dieses Herangehen – auch mit Blick auf den Konkurrenten Google – zu kurz gegriffen:

    "Ich halte es für einen gewissen Beißreflex der Landesmedienanstalten, dass sie sich jetzt erstmal an diejenigen wenden, die sie für die Regulierung schon sehr lange kennen und das sind eben TV-Sender. Es gibt ja genug andere audiovisuelle Angebote im Netz, die man sich auch anschauen könnte. Insofern glaube ich, man sollte sich allen Fallkonstellationen gleichermaßen widmen und auch entgegen der hier teilweise vertretenen Auffassung, können sich Plattformfragen für Google-TV und Apple-TV stellen aus unserer Sicht."

    Doch der notwendige rechtlichen Voraussetzungen sind – so wurde deutlich – bislang eben nicht in Sicht.