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Regenbogen über der Kurve

Die Hertha Junxx waren bei ihrer Gründung vor zehn Jahren der erste schwul-lesbische Fanklub der Bundesliga. Sie wollen zeigen, dass Fußball und Homosexualität kein Widerspruch sind. Mittlerweile gibt es rund 20 weitere schwullesbische Fanvereinigungen, oft stoßen sie auf Widerstände.

Von Ronny Blaschke |
    Das Straßenfest in Schöneberg vor einer Woche, vermutlich leben in keinem Berliner Kiez so viele Lesben und Schwule wie hier an der Motzstraße. Hunderte Menschen schieben sich an den Ständen vorbei. Dabei fällt ein weißer Wagen besonders ins Auge, darauf prangt das blaue Logo von Hertha BSC. Hinter der Theke des Wagens stehen Gerd Eiserbeck und Werner Pohlenz, sie tragen knallblaue T-Shirts und verteilen Autogrammkarten der Berliner Bundesligaspieler. Eiserbeck und Pohlenz sind die treibenden Kräfte der Hertha Junxx. Der 45-jährige Pohlenz erzählt seine Geschichte.

    "Ich wäre ohne die Hertha Junxx niemals allein ins Stadion gegangen, weil mir das zu brisant war. Also ich lebe ja seit meinem 17. Lebensjahr offen schwul, und wenn ich mir vorstelle, im Stadion offen schwul aufzutreten, man sieht es mir zwar auf den ersten Blick nicht an – das Klischee Schwule jedenfalls nicht – aber ich hätte auch keine Lust, mich in einem heterosexuellen Fanklub zu verstecken."

    Im Alter von zehn oder elf Jahren dachte Werner Pohlenz, dass mit ihm etwas nicht stimmt. Er las in der Bravo über eine Phase, die vorüber gehen kann, aber bei ihm nicht vorüber gehen sollte. Er verliebte sich in Schulfreunde, gestehen wollte er ihnen das nicht. Das Versteckspiel zerrte an seinen Nerven, seine Schulnoten stürzten ab – er isolierte sich. Viele Mitstreiter der Hertha Junxx haben vergleichbare Erinnerungen. Der Fußball hat sie zusammengeführt, im Olympiastadion sind sie akzeptiert – mit wenigen Ausnahmen, wie Gerd Eiserbeck berichtet.

    "Wir haben es einzig erlebt bei Fußballturnieren für die Hertha-Fangruppen. Da nahm man an, Schwule könnten keinen Fußball spielen und wir haben den heterosexuellen Fans genau das Gegenteil bewiesen: Von 100 Fangruppen sind wir unter die ersten 25 gekommen."

    Gerd Eiserbeck ist Polizist, dort war er gegen seinen Willen geoutet worden, doch längst akzeptieren ihn alle Kollegen. In seiner Jugend war die Lage anders, als Fußballer war Eiserbeck in die Rolle des harten Verteidigers geschlüpft, auf dem Platz grätschte und brüllte er, damit niemand Verdacht schöpfen konnte, dass er auf Männer steht. Mehr als zwanzig Jahre später gehen der 43-jährige Eiserbeck und seine Freunde zu jedem Heimspiel von Hertha BSC. Im Olympiastadion rollen sie ein 12 Meter langes Banner aus, darauf die Regenbogenfarben, das Vereinswappen und der Spruch: "Fußball ist alles – auch schwul!"

    "'"Wir gehen bewusst nicht in die Fankurve, um auch für die Fankurve sichtbar zu sein. Wenn wir in der Fankurve sind, gehen wir in der Fankurve unter. So sitzen wir zwischen den Fronten – zwischen der eigenen Fankurve, zwischen den Auswärtsfans – und beide nehmen uns wahr.""

    Geboren wurden die Hertha-Junxx 2001, nach Annäherungsversuchen in Internetforen und im schwullesbischen Stadtmagazin Siegessäule. Inzwischen ist aus dem Fanklub ein eingetragener Verein geworden. Hertha BSC hat seine Unterstützung zugesichert, sagt Gerd Eiserbeck.

    "Für die ist es natürlich ein gefundenes Fressen: Man hatte immer einen schlechten Ruf auf Grund der Hertha-Frösche, auf Grund rechter Szene. Und da konnte man sich natürlich auch seitens Hertha mit einem schwullesbischen Fanklub nach außen hin als toleranter Verein präsentieren."

    Die Hertha Junxx sind Treffpunkt und Pilgerstätte für Fans. Doch sie sind auch ein politisches Forum, das um Akzeptanz wirbt. Die Hertha Junxx nutzen das Medium Fußball, inzwischen sind sie selbst ein Medium geworden. Politiker schauen vorbei, um neue Wählergruppen zu erschließen, Claudia Roth von den Grünen ist Ehrenmitglied.

    An diesem Samstag finden in Berlin wieder dutzende Partys, Ausstellungen, Lesungen statt, um die Rechte von Homosexuellen in den Blickpunkt zu rücken. Mit dabei die Hertha Junxx, die ihren Lieblingsverein manchmal eben doch etwas anstoßen müssen, wie Werner Pohlenz zu berichten weiß.

    "In diesem Jahr zum Beispiel weiß ich aus dem CSD-Organisationskomitee, dass eine E-Mail-Anfrage lange nicht beantwortet wurde. Und erst als wir dann mal interveniert haben, kam Schwung in die Sache. Es ging darum, dass Hertha sich mit einem Stand auf der Abschlussmeile des CSD am Brandenburger Tor präsentiert und hätten wir da nicht interveniert, wäre da wahrscheinlich nie was zustande gekommen."

    Das Modell der Hertha Junxx hat Schule gemacht. Nach ihnen haben sich zwanzig schwullesbische Fanklubs gegründet, Queerpass in St.Pauli, die Rainbow-Borussen in Dortmund oder Anderum Rut-Wiess in Köln. Sie alle schlossen sich in einem Netzwerk zusammen: Queer Football Fanclubs. Oft hört Werner Pohlenz in Berlin, die Hertha Junxx würden sich abschotten. Warum müsse es schwullesbische Fanklubs überhaupt geben?

    "Erinnert mich ein bisschen an die Frage, wie lange muss es schwule Cafés oder schwule Kneipen noch geben. Selbst wenn wie hier in Berlin fast jede größere Kneipe, jedes größere Café kein Problem mit schwulen Gästen hat, wird es trotzdem immer wieder Rückzugsräume geben für Schwule oder Lesben, für die Community, wo sie unter sich sind, wo sie über die eigenen Scherze lachen können, wo sie noch ungestörter sind."

    Ein Selbstläufer ist der Aufbruch nicht: Borussia Dortmund hatte sich anfangs gesträubt, die Rainbow-Borussen als schwullesbischen Fanklub kenntlich zu machen. In vielen Vereinen stehen Funktionäre solchen Initiativen skeptisch gegenüber, in den östlichen Bundesländern gibt es bis heute keinen einzigen schwulen Fanklub.