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Regenerative Therapie nach Bandscheibenoperation

Die Zahl der operierten Bandscheibenvorfälle hat in den letzten fünf Jahren um gut 40 Prozent zugenommen. Oft klagen Patienten nach der OP wieder über Schmerzen. Ein neuartiges Verfahren der regenerativen Medizin will den operativen Erfolg langfristig verbessern, seit zehn Jahren wird es in klinischen Studien beobachtet.

Von Anna-Lena Dohrmann | 06.11.2012
    "Ja, natürlich hat man Skepsis gegenüber neuen Therapien, vor allen Dingen, wo diese Therapie nun überhaupt nicht bekannt war in der Öffentlichkeit. Aber aufgrund der Aufklärung hier im Hause und auch durch den Herrn Prof. Dr. Meisel, habe ich gesagt: OK, wir machen das."

    Das war vor zwei Jahren. Damals willigte Konrad Diedam zur sogenannten autologen Bandscheibenzelltransplantation ein. Das klingt kompliziert, doch das Prinzip dahinter ist einfach, so Prof. Hans Jörg Meisel. Er ist der Direktor der Klinik für Neurochirurgie an den Berufsgenossenschaftlichen Kliniken Bergmannstrost in Halle:

    "Man operiert den Patienten an einem Bandscheibenvorfall, entnimmt das Bandscheibengewebe, was auf den Nerv drückt, gibt das in die Zellzüchtung und kann dann nach drei Monaten, wenn die Bandscheibe beim Patienten verheilt ist, mit einer Injektion diese Zellen zurückführen und diese Zellen bilden dann neues Bandscheibengewebe."

    Das Ziel der Therapie ist, die Bandscheibe zu rekonstruieren. Die angezüchteten Zellen wachsen wieder in das Gewebe ein. Dort produzieren sie dann die sogenannte extrazelluläre Matrix. Die sorgt zum Beispiel dafür, dass Wasser eingelagert werden kann. Und das ist wichtig für die stoßdämpfende Wirkung der Bandscheibe. Verliert die Bandscheibe hingegen durch das Entfernen von Bandscheibengewebe nach einem Bandscheibenvorfall an Höhe, so verschleißt sie schneller. Genau diesen Prozess verzögert die neue Therapie.

    "Und wenn man das vergleicht mit einem normal operiertem Klientel, dann sehen wir hier nach zwei Jahren die guten Ergebnisse bei den Patienten, die wir transplantiert haben."

    Bei Konrad Diedam sind diese zwei Jahre jetzt vorbei. Schmerzen hat er keine und auch von den MRT-Bildern seiner Wirbelsäule ist er ganz begeistert:

    "Für mich war es schön, dass man sieht, dass es besser geworden ist. Man konnte also deutlich sehen, dass sich zwischen den Bandscheiben, eine neue Struktur gebildet hat, das konnte ich also auch als Laie ganz deutlich sehen."

    Der 53-Jährige strahlt. Bei ihm hat alles gut geklappt und die bisherigen Ergebnisse sprechen dafür, dass das so bleibt. Nach zehn Jahren klinischer Erfahrung ist selbst Meisel noch überrascht:

    "Ich habe früher immer gedacht, man würde dann sehr schnell wieder eine Degeneration des Segmentes bekommen. Das sehen wir bei den Patienten nicht, die wir im Langzeitverlauf haben. Und eine Sache ist ganz wichtig: Es gibt ja sozusagen das Wiederauftreten von Bandscheibenvorfällen aus der gleichen Bandscheibenhöhe, wir nennen das Rezidivvorfall. Und wir konnten in unserem Klientel diese Häufigkeit eines Rezidivvorfalls um 50 Prozent verringern und das ist doch erheblich."

    Doch so vielversprechend die Ergebnisse sind, natürlich gilt trotzdem immer noch: Vor einer Operation müssen alle konservativen Therapien ausgeschöpft sein. Außerdem ist das Verfahren auch nicht für jeden geeignet.

    "Wir haben uns zunächst einmal auf jüngere und gesündere Patienten konzentriert. Welche, die jetzt nicht übergewichtig sind, die nicht rauchen, die sozusagen auch noch eine Bandscheibe haben, die nicht vollständig zerschlissen ist, das ist ganz wichtig. Also die ganz kaputten Bandscheiben, die haben wir jetzt nicht therapiert damit, weil einfach wir auch die Gefahr sehen, dass das Transplantat hinterher da herausläuft und so."

    Langfristig hofft Meisel auch diesen Patienten helfen zu können – zum Beispiel mit Zellen von gesunden Spendern. Doch das ist noch ein langer Weg. Konrad Diedam jedenfalls ist froh, diese Therapie gemacht zu haben:

    "Ich verspüre überhaupt keinerlei Schmerzen mehr und kann also – was ich vorher nicht mehr machen konnte -, ich konnte meine geliebte Sportart, das Laufen, nur eingeschränkt noch vollziehen. Heute bin ich wieder soweit, dass ich also Marathon, Halbmarathon, Stadtläufe mache und ich merke nichts mehr! Toi, toi, toi! Also, mir geht es – ich klopfe auf Holz – hervorragend!"