Freitag, 19. April 2024

Archiv

Reggae-Doku "Inna de Yard"
Liebe, Frieden und gute Vibes

In einem Garten hoch über Kingston spielen Veteranen des jamaikanischen Reggae zusammen mit den "Youngsters" ein Unplugged-Album ihrer Klassiker ein. Regisseur Peter Webber dokumentiert die Session - und gibt Einblick in das Leben der Musiker.

Von Sigrid Fischer | 15.06.2019
Drei Reggaemusiker von "Inna de Yard" 2019
Sind ihren Überzeugungen immer treu geblieben: drei Reggaemusiker aus der Dokumentation "Inna de Yard - The soul of Jamaica" (Pressefoto aus der Dokumentation Inna de Yard - The Soul of Jamaica)
Statt Öl, Perlen oder Diamanten hat Jamaica die Reggae-Musik. Und in ihrem Auftrag sind sie unterwegs: Winston McAnuff, Cedric Myton, Kiddus I, Ken Boothe und die anderen vom Projekt "Inna de Yard".
"Wir sind Soldaten, die die Musik verteidigen und ihre Message verbreiten"
Drei Rastafari um die 70, die gleich zur Sache kommen: Die USA, ein Erste-Welt-Land - und trotzdem leiden dort so viele Menschen, ähnlich wie in Venezuela, Jamaica oder Afrika. Man sollte lieber Brücken von Mexiko in die USA bauen. Weg mit den Grenzen, fordert Cedric Myton.
Cedric: "Wir sind Soldaten, die die Musik verteidigen und ihre Message verbreiten. Wir wollen das Beste für jeden. Wer arbeitet, soll gut bezahlt werden. Ob in Amerika oder sonstwo in der Welt. Seid lieb zu den Menschen! Aber was Revolution und Freiheitskampf angeht – die meisten laufen weg, wenn es ernst wird. Sie haben Angst. Ich nicht, ich habe vor nichts Angst."
Den eigenen Überzeugungen immer treu geblieben
Reggaemusiker der ersten Stunde sind sie, und sie hatten ihre Erfolge. In der ersten Reihe standen sie nicht. Die Konkurrenz war stark – der Star bei Cedrics Label war eben Bob Marley. Und Kiddus – heißt es im Film – hätte der nächste Marley werden können, aber er war zu rebellisch, konnte seinen Mund nicht halten.
Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
Cedric Myton, Winston McAnuff und Kiddus I 2019 (Pressefoto aus der Film-Dokumentation Inna DeYard /Peter Webber )
Kiddus: "Wir haben uns nicht verkauft, einige von uns hätten bestimmt sehr viel verdienen können. Aber wir sind unseren Überzeugungen immer treu geblieben, das kam nicht zu allen Zeiten gut an. Radios wollten unsere Musik nicht spielen, weil wir nicht das gesagt haben, was sie hören wollten."
Für Regisseur Peter Webber sind Cedric, Winston, Kiddus und die anderen die letzten Zeugen des Reggaebooms. In der Dokumentation "Inna de Yard" sieht man sie auch als junge Rastamänner performen.
Heute sind ihre Dreadlocks angegraut und sie haben sich Verstärkung geholt, junge Musiker mit dem gleichen Spirit, den sie selbst damals hatten, so Cedric und Kiddus.
Cedric: "Sie wissen, was wir durchgemacht haben. Wir haben in der Vergangenheit oft ohne Bezahlung gearbeitet."
Von hungernden Kindern, von Malcolm X und von Messerstechereien
Kiddus: "Sie respektieren, dass wir trotz aller Hurricanes und Stürme des Lebens weiter machen. Der ökonomische Gewinn war nicht so groß, aber wir machen trotzdem weiter und dabei sehen wir, dass sich die Türen jetzt wieder etwas weiter öffnen. Wir unterstützen und stärken uns gegenseitig."
Die Doku zeigt auch, wie naturverbunden, bescheiden und arm die Musiker in Jamaica leben. Ausnahme: Ken Boothe, der die meisten Charterfolge hatte und mit "Everything I own" schon früh einen großen Hit landen konnte. Er präsentiert seine umfangreiche Schuh- und Anzugkollektion.
Cedric dagegen steht im Rohbau eines Hauses, an dem er seit 2003 Stück für Stück weiter baut. Aber wenn er zu seinem alten Hit "Row Fisherman" ansetzt, wirkt er wie der glücklichste Mensch der Welt.
Szene aus der Dokumentation Inna de Yard - The Soul of Jamaica 2019
Szene aus "Inna de Yard" (Pressefoto aus der Dokumentation Inna de Yard - The Soul of Jamaica / Peter Webber )
Von hungernden Kindern, von Malcolm X und von Messerstechereien singen sie, und diese Songs passen gut in die verstörende Zeit heute. Und Cedric ist davon überzeugt, dass man ihre Message gerade heute hören will: "Egal, in welches Land du gehst – die junge Generation will Reggae-Musik spielen, weil sie revolutionär ist, rebellisch. Es ist Protest."
Rasta bedeutet: Liebe, Frieden und gute Vibes
Winston: "Auf Reggaekonzerten prügeln sich die Leute nicht, beim großen "Rebel Salute Festival" in Jamaica kann man keinen Alkohol kaufen, weil Rasta bedeutet: Liebe, Frieden und gute Vibes. Mit Aggression hat Rasta nichts am Hut. Das ist etwas Hässliches für uns."
Rastafari – ihre Religion, ihre Lebenseinstellung. Man denkt beim Film "Inna de Yard" nicht zufällig an die alten Damen und Herren vom kubanischen "Buena Vista Social Club". Auch Peter Webber will die Musiklegenden vor dem Vergessen bewahren. A propos Damen – Reggae, so der Eindruck im Film, ist eine sehr männliche Domäne.
Cedric, Winston, Kiddus: "No No No!"
Kiddus: "Wir haben immer auch Frauen in den Charts gehabt. Lange Zeit standen nur Männer im Vordergrund, es war eben eine Männerwelt. Heute haben wir eine Frauenwelt."
Eine Hommage, die auch traurig stimmt
Der Community-Spirit des Kollektivs kommt gut rüber in der Dokumentation. Die allerdings wenig darüber hinaus geht. Etwas mehr Kontext und Außensicht hätte Peter Webber ruhig einbringen dürfen, vieles bleibt im Vagen. "Inna de Yard" ist ganz klar eine Hommage, die auch traurig stimmt - über die verpassten Chancen dieser relaxten Leute, die offenbar nur für die Musik gelebt haben. Aber das schwarze Gold, wie sie in Jamaica den Reggae nennen, hat sie alle nicht reich gemacht, daran wird auch dieses Projekt nichts ändern.
Winston: "Wir machen das für unser Land und für die Musik, um ihr Auftrieb zu geben."
Drei Reggaemusiker von "Inna de Yard" 2019
Filmposter von "Inna de Yard" 2019 (Pressefoto aus der Dokumentation Inna de Yard - The Soul of Jamaica)