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Regie-Nachwuchstalente mit Vorzeige-Arbeiten

Wie kann man die Vielfalt von Begabungen und Visionen angehender Regisseure nicht nur öffentlich präsentieren, sondern ihnen zugleich ermöglichen, entspannt ihre Erfahrungen, Arbeitsweisen und Ideen zu diskutieren? Das Hamburger "Körber Studio Junge Regie" ist eine Antwort darauf. Zum vierten Mal hatte sich vergangene Woche der deutschsprachige Theatermacher-Nachwuchs in Hamburg versammelt.

Von Michael Laages |
    Mit der hinreißenden, ebenso sparsamen wie dichten Bühnenfassung von Aki Kaurismäkis frühem Film "Das Mädchen aus der Streichholzfabrik" hatte Julia Hölscher von der Hamburger Theaterakademie schon am ersten Abend Maßstäbe gesetzt; und die hielten sogar bis zum Sieg im Finale. Die Regisseurin kann auch weiterhin stark durchstarten: mit dem Körber-Preis - das Düsseldorfer Schauspielhaus, in der Jury vertreten durch Chefdramaturg Joachim Klement, hat ihr eine Inszenierung angeboten. Und am Frankfurter Schauspiel, dessen Oberdramaturg Jens Groß ebenfalls in der Jury saß, inszeniert sie demnächst sowieso.

    Gierig und immerzu sucht ja nach Talent das deutsche Stadttheater, dieser geliebt-gehasste Arbeitsplatz der Zukunft. Über unendlich viel haben die jungen Leute aus Essen und Gießen, Hildesheim und Berlin, Hamburg und München, Zürich und Salzburg und Wien eine wilde Woche lang gesprochen, in immer neuen Gesprächsrunden, mal unter- und übereinander, mal mit dem Publikum, mal mit den Journalismus-Studenten, die das Fest mit einer eigenen (und leider noch sehr studentischen) Zeitung begleitet haben.

    Für das Publikum bleiben zehn teilweise sehr erstaunliche Regie-Versuche in Erinnerung - am verstörendsten die "Monster Truck"-Show aus Gießen, fern aller Konventionen, und ein bisschen überkandidelt halt auch, sowie die in Hildesheim kreierte bürgerliche Flucht-Vision "Separatisten", voll von laienhaftem Charme und großem Ernst. Vieles will zu früh zu routiniert wirken: Barbara Schultes karge Horvath-Splitterbilder aus Wien und Jan-Philipp Glogers aalglatter "Biedermann" aus Zürich, der Max Frischs im Grunde heute erzreaktionärem Text handwerklich geschickt, aber völlig haltungslos gegenüber tritt; Anne Lenks Münchner Schnitzler-"Liebelei" und Rabea Kiels Essener Fosse-Versuch mit "Der Name".

    Mancher und manche hat sich auch schlicht und ambitiös übernommen am Material: Alexander Charim in Berlin mit "Liebe 68" nach Jean Eustache und Jean-Luc Godard, Beatrix Schwarzbach in Salzburg mit Fassbinders Faschismus-Studie "Preparadise sorry now" und Verena Stoiber in München - witzigerweise ebenfalls mit Fassbinder, aber ganz anders: wenn dessen "Bremer Freiheit" auch nach dreieinhalb Jahrzehnten Feminismus gedanklich plötzlich wieder ganz in den 60er Jahren spielt.

    Aber wie auch immer sie sich verrennen - pragmatischer Mut und ganz viel Kampfgeist zeichnen eine Generation aus, die keine Werbe-Etiketten braucht. Von all denen werden wir wie hören und lesen. Die werden wir noch kennen lernen.