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Regierungswechsel am Rhein

Professor Nikolaus Risch, stellvertretender Vorsitzender der Landesrektorenkonferenz in NRW, erwartet von der neuen Landesregierung, die mit den Studiengebühren wegfallenden Mittel "hundertprozentig zu kompensieren". Ein ersatzloser Wegfall hätte dramatische Auswirkungen, sagte Risch.

Nikolaus Risch im Gespräch mit Regina Brinkmann |
    Regina Brinkmann: Im zweiten Anlauf hat sie es schließlich geschafft: Hannelore Kraft ist neue Ministerpräsidentin von NRW. Während diese Personalie also geklärt ist, bleibt noch bis morgen offen, wer die Nachfolge von Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart antritt, wer also den hochschulpolitischen Kurs einschlagen soll, den sich die neue rot-grüne Minderheitsregierung in den Koalitionsvertrag geschrieben hat. Über diese Pläne und über die Erwartungen der Hochschulen an die neue Landesregierung möchte ich mit Professor Nikolaus Risch sprechen, er ist Präsident der Uni Paderborn und stellvertretender Vorsitzender der Landesrektorenkonferenz. Herr Risch, ganz hohe Wellen hat ja schon das Thema Studiengebühren geschlagen, die sollen abgeschafft werden - eine Entscheidung, die von den Studierenden natürlich begrüßt wird. Wie aber sehen es die Hochschulrektoren in NRW?

    Nikolaus Risch: Zunächst mal gratulieren natürlich die Hochschulleitungen Frau Kraft zu ihrer Wahl als Ministerpräsidentin. Bei den Studiengebühren, da sind wir uns ganz einig: Sie sind außerordentlich wichtig und notwendig, dadurch hat sich nämlich die Qualität des Lehrangebots in Nordrhein-Westfalen nachhaltig verbessert, und ein ersatzloser Wegfall hätte dramatische Auswirkungen auf unsere Arbeit. Also, sehr viele Verträge mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und auch viele studentische Jobs könnten nicht fortgeführt werden, und das wissen auch die Studierenden und werden deshalb mit uns gemeinsam dafür kämpfen, dass die neue Landesregierung ihre Zusage auch einhält, bei Abschaffung von Studienbeiträgen diese Mittel hundertprozentig zu kompensieren und natürlich sie den Hochschulen auch verlässlich und dauerhaft zur Verfügung zu stellen.

    Brinkmann: Genau - macht Ihnen diese Verlässlichkeit Sorgen?

    Risch: Sie macht uns keine Sorgen. Es gibt klare Aussagen im Vorfeld durch die neue Landesregierung, aber wir müssen immer wieder bei knappen Landesressourcen - da sind wir ja auch nicht blauäugig - darauf aufmerksam machen, dass es diese Zusagen gibt.

    Brinkmann: Eine Rolle rückwärts gibt es ja nicht nur bei den Studiengebühren, sondern auch bei den Studienkollegs. Die neue Regierung plant, das 2007 beschlossene Auslaufen der Studienkollegs zu stoppen. Was halten Sie von dieser Entscheidung und was bedeutet das konkret für die Hochschulen?

    Risch: Ja, dazu ist die Einschätzung unter den Hochschulleitungen möglicherweise nicht ganz einheitlich. Die Studienkollegs haben in der Vergangenheit sicher nicht immer sehr effizient gearbeitet, aber ich will ihre Bedeutung nicht schlecht reden. Ich selbst würde, da es um knappe Finanzmittel geht, andere Themenbereiche priorisieren, ja, da in der Zwischenzeit auch Maßnahmen ergriffen worden sind, um ausländischen Studierenden zum Beispiel durch Stipendiensysteme zu unterstützen.

    Brinkmann: Das heißt, wenn man jetzt diese Studienkollegs wieder einsetzt, ausbaut, dass diese Finanzierung dann quasi zu Ungunsten anderer Projekte geht an den Hochschulen?

    Risch: Das könnte eben sein, ja. Die Ressourcen sind begrenzt und Geld lässt sich eben nicht zweimal ausgeben.

    Brinkmann: Noch etwas nebulös erscheint mir, was die neue Regierung mit den Hochschulräten vorhatte. Dagegen waren sie ja im Wahlkampf, Rot-Grün hat da deutlich Position bezogen, hat auch teilweise gesagt, wir wollen die Hochschulräte abschaffen. Welches Szenario erwarten Sie jetzt?

    Risch: Ja, der Erfolg, dass Bildung und Wissenschaft in Nordrhein-Westfalen einen so hohen Stellenwert bekommen hat, auch Sichtbarkeit bekommen hat, das hängt auch mit der Autonomie zusammen, die die Hochschulen bekommen haben, und Hochschulräte sind eben ein Teil dieser Autonomie. Man kann sicher über die Ausgestaltung der Rechte der Hochschulräte diskutieren, aber eine drastische Beschneidung der Rechte birgt große Gefahren, nämlich: Es ist gelungen, wirkliche Top-Persönlichkeiten für die Arbeit in den Hochschulräten zu gewinnen, ...

    Brinkmann: Aber die Hochschulräte sind ja auch gerade bei den Studierendenvertretungen sehr umstritten.

    Risch: Ja, aber es sind Persönlichkeiten da, wirklich Köpfe, die für die Hochschulen sehr hilfreich waren und sehr gut waren, und ein drastisches Beschneiden von Rechten könnte dazu führen, dass es nicht mehr gelingt, die besten Köpfe zu gewinnen. Und das wäre schlimm. Tatsächlich kann man sich darüber streiten, ob der Umfang der Rechte nicht in Details verändert werden könnte. Ich glaube, da sind wir uns mit den Studierenden einig. Aber ein drastisches Beschneiden, das wäre kontraproduktiv.

    Brinkmann: Jetzt habe ich ja eben schon gesagt: Die Personalie, wer der neue Wissenschafts- oder die neue Wissenschaftsministerin werden soll, ist ja noch offen. Welche Fußstapfen oder wie groß sind denn die Fußstapfen, die der Vorgänger Andreas Pinkwart seinem Nachfolger oder seiner Nachfolgerin hinterlässt?

    Risch: Ja, sicher, wir sind auch sehr gespannt, wer die Nachfolgerin oder der Nachfolger sein wird. Aber ich kann sagen - und da sind sich die NRW-Hochschulleitungen auch unabhängig von ihrer vielleicht parteipolitischen Haltung ganz einig: Herr Pinkwart hat eine wirklich gute Arbeit gemacht, und wir sind eben tatsächlich dankbar, denn in seiner Zeit hat sich die Wettbewerbsfähigkeit der Universitäten speziell in unserem Bundesland wirklich national und international enorm entwickelt. Ich hatte es schon angedeutet, der hohe Stellenwert von Bildung und Wissenschaft ist immer sichtbarer geworden und das heißt auch, dass die Erwartungen an seine Nachfolge sehr, sehr hoch sind.