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Regiestudio-Festival
Junge Regiearbeit in Frankfurt am Main

In diesem Jahr gab es bei dem Regiestudio Festival eine neue Zusammenarbeit mit dem Autorenstudio. Drei junge Regisseure haben mit zwei Nachwuchsautoren an drei Stücken gearbeitet, die nun beim Festival uraufgeführt wurden. Es gab viel Quatsch mit ganz viel Soße süßsauer, Märchenhaftes mit Albtraum und Zimmerschlacht mit explosiver Kraft.

Von Michael Laages |
    Oper und Schauspiel in Frankfurt am Main (Hessen), aufgenommen am 09.12.2013.
    Oper und Schauspiel in Frankfurt am Main (picture alliance / dpa / Daniel Reinhardt)
    Dieser Hans war wohl eher keiner im Glück - Hans Block, Stipendiat im Frankfurter Regie-Studio und Ideenstifter beim freien Berliner Theaterprojekt "Unkoordinierte Bewegung", nahm sich im Festival zum Finale des aktuellen Jahrgangs im Frankfurter Regie-Studio unglücklicherweise den schwächsten der Texte aus dem Autoren-Studio vor; allerdings auch den mit dem ulkigsten Titel: "Flankufuroto" (so sprechen Chinesen womöglich tatsächlich den Namen der Bankenstadt aus!), eine flotte Farce von Bonn Park, Sohn koreanischer Eltern und in Berlin aufgewachsen. Gerade war Bonn Parks Text "Traurigkeit & Melancholie" erst als Hörspiel im Deutschlandradio und dann auf der Bühne am Bonner Theater uraufgeführt worden (und hatte vor allem auf der Bühne eher gemischte Gefühle hinterlassen), nun folgte mit "Flankufuroto" ziemlich viel Quatsch mit ganz viel Soße süß-sauer.
    China hat endgültig die Macht übernommen im Stück; überall und grundsätzlich, aber auch in Frankfurt und am Main. Ein paar Überlebende der "weißen Rasse" nisten im Untergrund, in der (so sagt es das Stück) Kanalisation noch weit unter der Kanalisation. Lisa kommt von dort unten herauf gekrabbelt, eine Kämpferin, die sieben Proben bestehen und (Achtung! China-Speisekarte!) "sieben Kostbarkeiten" erringen muss, um "die weiße Rasse" zu retten. Die Prüfungen sind teils sehr albern, und natürlich schafft's die kleine Lisa ... aber ob "die weiße Rasse" von uns Langnasen diesen Kampf und diesen Sieg überhaupt wert ist, das bleibt durchaus unklar.
    Ein Studenten-Ulk, haarsträubend en gros und voller Klischees en détail. Da blieb dem jungen Regisseur Hans Block nicht sehr viel mehr übrig, als sich in Effekten auszutoben. Aber auch derlei Unfug wird gelegentlich ja dringend gebraucht im Theateralltag - er füllt die Kasse.
    Nach Hans im Pech bleiben wir bei den märchenhaften Stoffen, denn mit einem war zuvor in Frankfurt schon der Autor Simon Paul Schneider zu entdecken gewesen. Er erzählt die Geschichte vom "Fischer und seiner Frau" ganz anders als sonst.
    "Ich will nur noch nach Hause. / Das können Sie doch auch. Und dann machen Sie mal richtig Urlaub! So, mir machen das jetzt hier ganz unbürokratisch ... und Foto! Zack!"
    Da steckt der arme Fischer schon mitten drin im Albtraum. Erst ging der Deal mit dem ertricksten Fisch-Reichtum schief, weil er an den falschen Herings-Dealer geriet, dann wollte er sich in der Badewanne vom Schock erholen - und wurde erst fast ersäuft, dann von Polizisten festgenommen, die in ihm einen Sprengstoff-Attentäter vermuteten. Jetzt hält ihn plötzlich eine schrille Party-Schnepfe für einen Flüchtling, der übers Mittelmeer kam und dabei fast ersoff, und will ihm originellerweise die Kreuzfahrt schenken, die sie selber gerade gewonnen hat.
    Krude driftet die Fabel hin und her, und gegen Ende entpuppt sie sich tatsächlich als finstrer Traum - Laura Linnenbaum, die in Frankfurt schon mit Recherche-Projekten über die brasilianischen Groß-Proteste vor der Fußball-Weltmeisterschaft oder Beschwörungen der früh verstorbenen Schriftstellerin Sylvia Plath auf sich aufmerksam machte, bringt die verstörende, wüst mäandernde Fantasie des Autors Schneider wirklich ziemlich auf Touren; der Autor kann aber auch ganz anders: "Exit:Lulu", Simon Paul Schneiders zweites Stück im Festival, frei jonglierend mit Motiven von Frank Wedekind bis Ingeborg Bachmann, obendrein Text-Passagen von Georg Büchner als Zugabe, funkelt und sprüht vor intimer Energie wie sonst nichts an diesem langen Festival-Abend:
    "Schau mich nicht so unverschämt an! Ich weiß auch, wo bei Dir der Engel aufhört und der Teufel anfängt!"
    Und die Regisseurin Mizgin Bilmen (die in dieser Spielzeit auch schon eine nachhaltig eindrucksvolle Version von Heiner Müllers "Auftrag" in Frankfurt gezeigt hat) schärft den quälerisch-selbstquälerischen Dialog des Paares, das nicht mit- und auch nicht ohne einander leben, zur Zimmerschlacht von explosiver Kraft.
    Frankfurts Schauspiel-Direktor Oliver Reese hat mit Autoren- und Regie-Studio seinem Stadttheater erstaunlich effektive Strukturen eingezogen, als Ergänzung zur dominierenden akademischen Ausbildung. Er wird ja bald wechseln nach Berlin und Claus Peymann am "Berliner Ensemble" beerben; er kann sich guten Gewissens überlegen, ob er ein Festival wie dieses und ob er solche theatereigenen Studios nicht auch in Berlin etablieren sollte.