Dienstag, 16. April 2024

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Regisseur Noah Baumbach
"Ich denke in Filmbildern"

Die Filme des Regisseurs Noah Baumbach liefen auf der Berlinale, waren Oscar-nominiert - neuerdings wird er sogar als neuer Woody Allen gehandelt. Zum Start seines neuen Films "Gefühlt Mitte 20" spricht er über Ideenfindung und seine Beziehungen zu Greta Gerwig und Wes Anderson.

Noah Baumbach im Gespräch mit Thilo Wydra | 29.07.2015
    Regisseur Noah Baumbach, Porträt
    Regisseur Noah Baumbach (imago/stock&people/Seeliger)
    Thilo Wydra: Noah Baumbach - Ihr neuer Film "Gefühlt Mitte 20" behandelt die Lücke zwischen den "fourty-somethings" und den "twenty-somethings", die unterschiedliche Wahrnehmung der Dinge, die zwischen diesen beiden Generationen liegt. Das beschreiben Sie am Beispiel zweier sehr verschiedener Paare. Ist alles nur reine Fiktion und Imagination, oder - Sie sind Mitte 40 - aufgesammelt in Ihrem realen Leben?
    Noah Baumbach: Nun, es gibt nicht den einen Weg, über den ich an die Themen gelange. Ich tendiere dazu, Ideen zu haben, die vom Kleinen ins Große übergehen, vom Plot zu den Charakteren, die ich manchmal in Notebooks aufnehme und die sich entweder zu Teilen des nächsten Filmes entwickeln oder zumindest zur Inspiration dafür werden. Normalerweise ist es eine Synthese all dieser vorhandenen Ideen, oder eine neue Idee kommt und lässt eine alte zu mir zurückkommen - ganz gleich was es ist. Hier, im Fall von "While We're Young"/ "Gefühlt Mitte 20", wollte ich unbedingt etwas über Paare machen. Und es war diese Idee, diese Art einer Beziehung, die ich schon eine Zeit lang im Kopf hatte und erst mit diesem Film habe ich jetzt in Brooklyn einen Platz dafür gefunden, die Idee umzusetzen.
    "Ich wollte Ben Stillers komische Seite"
    Wydra: Sie sind in Brooklyn geboren und aufgewachsen. Kennen sich dort bestens aus. Haben Sie deshalb auch vollständig "on location" im Viertel gedreht?
    Baumbach: Wir haben komplett vor Ort gedreht, bis auf ein oder zwei Tage, die wir im Studio drehen mussten wegen spezieller New Yorker Bestimmungen beim Dreh. Es ist ein Film, der davon lebt, "on location" gedreht zu sein.
    Wydra: Ja man fühlt sich beim Sehen von "Gefühlt Mitte 20" wirklich vor Ort in New York City - unmittelbar mittendrin ...
    Baumbach: Ich habe New York-Filme schon immer sehr gemocht, besonders die aus den Siebzigern und Achtzigern. Insbesondere, wenn man Menschen in den Straßen sieht, und spürt, dass es wirklich die Straße gibt. Der Film "Midnight Cowboy" wäre ein ikonografisches Beispiel hierfür: Man fühlt wirklich New York, beinahe wie bei einer wunderbaren Fotografie der Straßen dieser Stadt. Das ist immer mein Ziel, wenn ich etwas in dieser Stadt mache. So ist es auch bei meinem neuen Film: Wenn Ben Stiller und Adam Driver zu sehen sind, wie sie über die Park Avenue gehen, auf dem Weg zum Pitching von Bens Dokumentarfilm - das ist wirklich die Park Avenue mit ihren Menschen. Genau so. Nicht inszeniert. Es ist schon ziemlich schwierig, solche Szenen hinzubekommen, vor allem, wenn man wiedererkennbare Schauspieler am Set hat, und normale New Yorker sich weiter normal verhalten sollen.
    Josh (gespielt von Ben Stiller) und Cornelia (Naomi Watts) haben ein Schlüsselerlebnis: Filmszene aus "Gefühlt Mitte Zwanzig" von Noah Baumbach
    Josh (gespielt von Ben Stiller) und Cornelia (Naomi Watts) haben ein Schlüsselerlebnis: Filmszene aus "Gefühlt Mitte Zwanzig" (SquareOne/Univers)
    Wydra: Sie haben nach "Greenberg" - der 2010 im Wettbewerb der Berlinale lief - zum zweiten Mal mit Ben Stiller zusammengearbeitet. Auch mit Adam Driver war es die zweite Zusammenarbeit. Amanda Seyfried ist das erste Mal bei Ihnen mit im Cast, ebenso Naomi Watts. Arbeiten Sie lieber mit vertrauten oder mit "frischen" Schauspielern?
    Baumbach: Ich denke, es ist eine Kombination dessen: Mit Naomi wollte ich schon seit einer ganzen Weile arbeiten, und ich war einfach begeistert, als sie zusagte. Für Ben Stiller war die Rolle hier eine ganz andere als die Figur des "Greenberg". "Greenberg" war völlig anders als Ben und ließ keinen Platz für sein komödiantisches Talent. In "Gefühlt Mitte 20" wollte ich seine komische Seite.
    Zusammenarbeit mit Gerwig: "Es ist anregend und spannend"
    Wydra: Sie haben auch mit Greta Gerwig schon mehrfach gearbeitet, haben zusammen das Drehbuch zu "Frances Ha" geschrieben, in dem sie übrigens auch die Hauptrolle spielte. In ihrem nächsten Film, "Mistress America", der im August in Amerika und im Dezember in Deutschland in die Kinos kommt, ist es wieder so: Sie spielt mit und schrieb mit Ihnen zusammen am Buch. Wie ist für Sie als Regisseur das Arbeiten mit einer schreibenden Schauspielerin?
    Baumbach: Das erste Mal, das wir zusammengearbeitet haben, war in "Greenberg" - wir probten, ich castete sie, und wir hatten eine wirklich gute Zeit bei diesem Film. Wir haben eine ganz ähnliche Sensibilität. Ich schreibe sehr gerne mit ihr, einiges schreiben wir zusammen, einiges nicht. Es ist anregend und spannend. Es klappt wunderbar. Ich liebe sie auch als Schauspielerin - und wir sind mittlerweile in einer Beziehung. "Mistress America" ist der erste Film, seit wir zusammen sind. Bei "Greenberg" und "Frances Ha" war das noch nicht so.
    Wydra: Ist es leichter oder schwerer, in einer Arbeits- und Liebesbeziehung zugleich zu sein?
    Baumbach: Für uns war es bei diesem Film einfacher, weil wir am selben Ort waren. Die schwierigere Aufgabe war vorher, Zeit zu finden, um miteinander arbeiten zu können.
    Wydra: Der Zugang eines Regisseurs zu einem Drehbuch ist ja ein anderer als der einer Schauspielerin - das kann kompliziert werden, oder beglückend.
    Baumbach: Ich denke, wir arbeiten beide sehr lange an einem Drehbuch - gerade bei "Frances Ha" und "Mistress America" - bis die endgültige Fassung steht und wir das Gefühl haben, es ist wirklich fertig. Hinzu kommt, dass wir beide zwei interpretierende Berufe haben - auch hier, bei "Gefühlt Mitte 20", interpretiere ich das als Regisseur noch mal neu, auch wenn ich es selbst geschrieben habe. Greta macht dasselbe als Schauspielerin: Sie geht vom darstellerischen Blickwinkel an die Sache heran. Und ich glaube, ein Teil Deines Gehirns vergisst in dem Moment, dass dies Deine eigenen Worte sind.
    Wydra: Sie haben für "Der Tintenfisch und der Wal" 2005 eine Oscar-Nominierung erhalten - ist das Ihr bisher persönlichster Film? Der Film behandelt die Scheidung eines Elternpaares - Ihre geschiedenen Eltern sind beide Filmkritiker, haben Sie sehr beeinflusst. Ihre Mutter schrieb Filmkritiken in "The Village Voice".
    Baumbach: Ich kann das nicht wirklich sagen, nein. Ich hatte bis dahin ein paar Filme gemacht, als ich in meinen Zwanzigern war. Und es gab da eine Zeit, in der ich mich etwas verloren fühlte. Zum Teil schon etabliert, aber ich hatte mich als Filmemacher noch nicht richtig gefunden. Zu dieser Zeit hatte ich auch Probleme, das ein oder andere geregelt zu bekommen. Und so habe ich all das in den Film gesteckt. Es war der eigentliche Start meiner Karriere, obwohl ich vorher schon zwei Filme gemacht hatte.
    "Woody Allen ist noch da"
    Wydra: Ihr erster Film, ihr Debüt als Filmregisseur, stammt aus dem Jahr 1995: "Kicking and Screaming". Da waren Sie 26 Jahre alt. Wie sicher waren Sie damals, dass Film ihr Metier ist?
    Baumbach: Als ich "Kicking and Screaming" machte, wusste ich nicht einmal, was ich da tat. Weil meine Eltern Filmliebhaber waren, habe ich von klein auf sehr viele Filme gesehen. Ich glaube, dass ich in Filmbildern, Filmkategorien denke. Ich hatte immer irgendwelche Ideen, was wohl einen guten Film ausmachen würde. Dann plötzlich wurde der erste Film finanziert.
    Wydra: Regisseur Wes Anderson ist ein wichtiger Name in Ihrer Karriere. Sie schrieben mehrere Drehbücher für ihn - wie beispielsweise "Der fantastische Mr. Fox" (2009). Wie kam es zu diesem wichtigen Kontakt?
    Baumbach: Oh, Wes - ich glaube, unser jeweils erster Film kam etwa gleichzeitig heraus, innerhalb von 12 Monaten. Wir begegneten uns recht bald danach und wurden gute Freunde.
    Wydra: "The Guardian" schrieb kürzlich: Jetzt, wo Woody Allen nicht länger Woody Allen ist, haben wir Noah Baumbach.
    Baumbach: Nun, Woody Allen ist noch da.