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Reich auf'm Deich

Das niedersächsische Umweltministerium will die Gelder für Küstenschutz wirtschaftlicher einsetzen: Der für den Deichbau benötigte Klei soll künftig auch aus dem Deichvorland abgebaut werden. Nur gibt es einen Haken: Das Gebiet liegt im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer. Umweltschützer sehen die geschützten Salzwiesen in Gefahr.

Von Andreas Barnickel |
    Bisher wird der Klei im Binnenland gewonnen, und mit Lastwagen an die Deichbaustellen an der Küste gefahren. Grundlage für diese Vorgehensweise sind die "Grundsätze für einen effektiven Küstenschutz", die 1995 noch die alte rot-grüne Landesregierung beschlossen hatte. Demnach ist eine Kleientnahme aus dem Deichvorland nur in Ausnahmefällen vorsehen.

    Niedersachsens Umweltminister Hans-Heinrich Sander, FDP, will diesen Kompromiss nun aber möglicherweise aufkündigen, er denkt darüber nach, Klei künftig auch im Deichvorland abzubauen - dadurch könnten unter anderem Transportkosten gespart werden, meint der Minister:

    "Ich habe es für meine Pflicht gehalten - aufgrund der Voraussetzungen, die wir haben, das heißt, wir haben eine gewisse Summe an Geld, 45 Millionen, in den letzten Jahren für Küstenschutzmaßnahmen bereitgestellt - darüber nachzudenken, ob wir in den vergangenen Jahren mit diesem Geld wirtschaftlich umgegangen sind. Und aufgrund dieser Tatsache habe ich mit meinen Fachleuten auch erörtert, wie weit also eine Kleientnahme an gewissen Stellen aus dem Deichvorland sinnvoll und auch richtig ist."

    Sander sieht noch weitere Vorteile: Die Lärmbelästigung der Anwohner durch die Klei-Transporter könnte reduziert werden, außerdem würde weniger landwirtschaftliche Nutzfläche im Binnenland verloren gehen. Außerdem sei Klei aus dem Deichvorland ein nachwachsender Rohstoff, ein ökologischer Schaden sei aus seiner Sicht deshalb nicht zu befürchten:

    "Wir sagen auch nicht aus dem Umweltministerium, dass wir ganzflächig aus dem Deichvorland entnehmen, sondern nur dort, wo wir auch eine Riesenfläche im Deichvorland haben und wo wir auch sicher sein können, dass die Salzwiesen in einem Zeitraum - der ist unterschiedlich, hängt mit der Größe des Deichvorlandes zusammen - entweder in 20, in 30 oder in 50 Jahren neu entstehen. Wir wollen aber unabhängig davon mit Bepflanzungen nachhelfen, damit die Salzwiesen dann in einem kürzeren Zeitraum wieder entstehen und somit auch für die Vogelwelt einen unheimlichen Nutzen bringen können."

    Rückenwind bekommt der Umweltminister von den Deichverbänden in Weser-Ems, die für die Unterhaltung der Deiche zuständig sind und das Geld dafür vom Land Niedersachsen bekommen. Scharfe Kritik an den Planungen hingegen übt nicht nur die Opposition im niedersächsischen Landtag, auch Naturschutzverbände wie der NABU fürchten um den Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer, sagt Elke Meier, Diplom-Biologin beim NABU in
    Hannover:

    "Wir halten es für nicht vertretbar, wenn Klei in den Salzwiesen abgebaut wird, es gibt genügend Möglichkeiten, Klei zu gewinnen, und vor allem, es gab ja auch ein Abkommen, dass mit den Verbänden, auch mit den Deichverbänden, geschlossen wurde. Wir haben bisher nicht gesehen, dass es da irgendwelche Komplikationen gab, und der Deichbau ist da in keiner Weise gefährdet, wenn der Klei an anderer Stelle entnommen wird."

    Der NABU sieht die Gefahr, dass mit den Salzwiesen ein einzigartiges Biotop für immer vernichtet werden könnte, zumal bereits früher große Flächen zerstört worden seien. Dass Salzwiesen durch Bepflanzung neu angelegt werden könnten, bezweifelt Elke Meier vom NABU:

    "Einfach zu sagen, es wird etwas Neues entstehen, sicher, es ist dann irgendetwas neues da, aber es sind keine Salzwiesen, und Salzwiesen sind auch europaweit geschützt, also es handelt sich um ein Biotop, das auch nach der EVU-Richtlinie, FFH-Richtlinie unter Schutz steht, und das sollten wir uns auch vor die Augen halten."

    Der NABU schließt daher auch rechtliche Schritte nicht aus, sollte die niedersächsische Landesregierung den Kleiabbau im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer beschließen.