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Reichensteuer und längere Arbeitszeiten

In den französischen Rentenkassen fehlen Milliarden - nicht zuletzt wegen der Finanzkrise. Die Regierung in Paris unter Nicolas Sarkozy will nun das gesamte System überholen, um es zukunftssicher zu machen.

Von Burkhard Birke |
    Die Zeichen stehen auf Konfrontation: Die Gewerkschaften machen mobil: Ende des Monats und Mitte Juni wollen sie gegen die geplante Rentenreform demonstrieren. Die Lage ist brenzlig: Um 3,8 Prozent müssten in Frankreich die Rentenversicherungsbeiträge sofort steigen! In der Rentenkasse klafft nämlich ein zweistelliges Milliardenloch: Bleibt es beim Status quo, würde selbst unter optimistischsten Prämissen das Defizit des umlagefinanzierten Systems bis 2050 auf 100 Milliarden Euro im Jahr anwachsen. Die Regierung hat keine Wahl, sich selbst aber in die Pflicht genommen. Es soll bei der Umlagefinanzierung bleiben, das Rentenniveau darf nicht sinken, der Beitragssatz soll möglichst konstant bleiben.

    Unter solchen Voraussetzung wird die wichtigste Reform dieser Legislaturperiode unweigerlich zur Quadratur des Kreises, zumal sie möglichst im Konsens mit den Sozialpartnern über die Bühne gehen soll. Die wettern auf der Unternehmerseite gegen neue wettbewerbsschädliche Belastungen, auf der Arbeitnehmerseite befürchtet man jetzt nach Bekanntwerden der Regierungsleitlinien, dass die heilige Kuh der Rente mit 60 auf dem Reformaltar geschlachtet werden könnte. Jean Louis Malys, Rentenexperte der CFDT:

    "Zwischen den Zeilen klingt durch, dass man das Rentenalter heraufsetzen will. Das ist aus unserer Sicht die ungerechteste aller Maßnahmen, da diejenigen bestraft würden, die sehr jung ins Berufsleben eingestiegen sind und diejenigen, die zum Zeitpunkt des Renteneintritts arbeitslos sind."

    Die Verlängerung der Lebensarbeitszeit ist neben einer Reichensteuer auf Kapitalerträge Kern eines Eckpunktepapiers, das die Regierung jetzt den Sozialpartnern vorgelegt hat.

    "Diese Reichensteuer hat symbolischen Wert und nur begrenzte Wirkung. Sie wird nicht die Finanzierung der Rentenversicherung garantieren. Zwangsläufig steuern wir langfristig auf eine Absenkung des Rentenniveaus zu",

    befürchtet Eric Aubin von der mächtigen Gewerkschaften CGT! Vielleicht voreilig? Nach bisherigen Erkenntnissen könnte eine Sondersteuer auf Kapitalerträge ein paar Milliarden Einnahmen bescheren. In der Tat zu wenig, um die gigantischen Löcher zu stopfen, aber genug, um das von Sarkozy eingeführte Abgabenschutzschild zu durchlöchern. Der Präsident hatte durchgesetzt, die maximale Abgabenbelastung im Land auf 50 Prozent zu begrenzen.

    Dafür war er immer wieder kritisiert worden, zuletzt sogar aus eigenen Reihen. Die angedachte Rentensteuer auf Kapitalerträge soll jetzt nicht unter das sogenannte bouclier fiscal, das Abgabenschutzschild fallen.
    Von einer kleinen Delle im Schild, nicht aber dessen Ende spricht der Fraktionschef der Regierungspartei UMP, Francois Copé in diesem Zusammenhang.

    "Endlich stelle die Regierung die wohl größte Ungerechtigkeit ihrer Politik infrage: Die Tatsache, dass in Krisenzeiten alle außer den Reichsten den Gürtel enger schnallen müssten",

    begrüßte indes Sozialistensprecher Benoit Hamon die Ankündigung. Gewerkschaften wie die CGT fordern indes die Gewinne der großen Unternehmen stärker zur Finanzierung heranzuziehen. Eric Aubin:

    "Das sind 250 Milliarden, davon könnte man 20 gleich in die Rentenkasse umleiten, somit wäre sie wieder aufgefüllt und die Rentenfinanzierung ohne Beitragserhöhung und Anhebung des Rentenalters gesichert."

    Die ersten Pflöcke sind eingerammt, einen Konsens zu finden dürfte extrem schwer werden. Die Sozialisten spielen Opposition: Ihre Chefin Martine Aubry hatte vor Wochen eine Anhebung des Rentenalters von derzeit 60 um ein zwei Jahre für sinnvoll gehalten, um kurz darauf einen Rückzieher und jetzt Front gegen die Regierung zu machen.

    "Man gewinnt den Eindruck, dass die Regierung auf Zeit spielen und im Sommer das Reformgesetz einbringen will, damit die Leute während der Fußballweltmeisterschaft keine Zeit haben zu reagieren."

    Keine Zeit oder keine Lust!?