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Reichtum einfach wachsen lassen

Ingenieurwissenschaften. - Um sie unter den Weihnachtsbaum zu legen, dafür eignen sie sich vorzüglich: die Diamanten, in Gold eingefasst oder als Steinbesatz. In diesem Jahr sind die ersten gezüchteten Diamanten in den Handel und damit auch unter den Weihnachtsbaum gekommen. Wissenschaftler der Universität von Florida halten das Patent an einem Verfahren zur Herstellung von Diamanten, bei dem gezüchtete Stein kaum noch von natürlichen Steinen zu unterscheiden sind.

Von Peter Welchering |
    Wer die Produktionshalle der Gemesis Corporation in Sarasota in Florida betritt, könnte auf den ersten Blick meinen, in einer Schnapsfabrik zu sein. 16 schwarze mannshohe Zylinder beherrschen die Fabrikhalle. Und diese 16 schwarzen Zylinder sehen aus wie Destillationsapparate für die Branntweinproduktion. Hier wird aber kein Schnaps hergestellt so Produktionsleiter David Hellier, hier werden Diamanten gezüchtet:

    Wir haben es hier mit einem hochkomplexen Prozess zu tun, bei dem es darum geht, die natürlichen Bedingungen bei der Entstehung von Diamanten nachzuahmen. Wir setzen einen kleinen Diamanten einer hohen Temperatur und einem hohen Druck aus. Dann geben wir Kohlenstoff hinzu. Dieser Kohlenstoff löst sich auf, wandert zur Diamantschicht und geht dort eine stabile Verbindung mit den Diamantatomen ein. Das ist vom Aussehen her, aber auch chemisch und physikalisch das gleiche wie ein geschürfter Diamant.

    Die Materialwissenschaftler ahmen hier die Bedingungen nach, unter denen natürliche Diamanten tief unter der Erde bei großer Hitze und unter hohem Druck entstehen. Sie lassen in den 16 schwarzen Zylindern Kristalle auf eine Diamantschicht aufwachsen. In eine Keramikkapsel geben sie Graphit, ein Lösungsmittel für Metalle und eben eine dünne Diamantschicht. Die Kapsel wird auf über 1600 Grad Celsius erhitzt und einem Druck von mehreren Atmosphären ausgesetzt. Und das über mehrere Tage, wie Diamantexperte Christoph Tutsch erläutert.

    Es ist ja nicht so, dass ich einfach kurz zusammendrücke, und dann fällt unten ein Diamant raus. Der Kristallisationsprozess an sich ist ein natürlicher Prozess. Ich schaffe ihm nur die Umgebungsvariablen, den hohen Druck, die hohe Temperatur. Und dann macht die Natur den Rest. Der Kristallisationsprozess an sich, der muss halt wachsen. Und das dauert bei einem gelben Stein ungefähr 80 Stunden, ein blauer Stein braucht etwas länger auf Grund des nicht vorhandenen Stickstoffs, was das Wachsen des Steins beschleunigt und ihn auch von der Reinheit her einfacher macht zum Wachsen.

    Diesem Kristallwachstum helfen die Materialwissenschaftler mit einem Verfahren nach, das an der Universität von Florida entwickelt wurde. Hitze und Druck sind dabei nur zwei von 500 Prozessvariablen. Der Aufbau der verwendeten Keramik-Kapsel, das Lösungsmittel und beispielsweise die Rezeptur für das verwendete Graphit werden als Betriebsgeheimnis der Diamantzüchter streng gehütet. Immerhin haben sie einige Jahre herumgetüftelt, bis das Verfahren wirklich verwertbare Diamanten hervorgebracht hat. Christoph Tutsch.

    Am Anfang war die Ausschussquote 95 Prozent. In der Zwischenzeit ist es andersherum. Wir sind bei 97 Prozent der Steine, die rauskommen, dass die wirklich geschliffen werden können. Und das ist natürlich sehr gut.

    Unter Druck und Hitze zerbrechen die Atombindungen des Graphit. Und dann kommt es darauf an, wie die Graphitatome entlang dem in der Keramikkapsel aufgebrachten Lösungsmittel zur Diamantschicht wandern. Denn dort, auf der Diamantschicht, gehen die Graphitatome eine stabile vieratomige Verbindung mit jedem Diamant-Atom ein. Auf diese Weise wächst Schicht für Schicht ein Diamant heran. Sind genügend Schichten aufkristallisiert, ist der Diamant also groß genug, wird er der Keramik-Kapsel entnommen und kann geschliffen werden zu Schmuck verarbeitet werden. Rein äußerlich ist er von einem natürlichen Diamanten nicht mehr zu unterscheiden.