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Reichtum für wenige, Elend für viele

Nigeria ist der sechstgrößte Ölproduzent der Welt. Seit 1958 fließen Milliarden Petrodollars in die Staatskassen. Immer neue Ölquellen werden entdeckt, und trotzdem leben die meisten Menschen in Nigeria in bitterster Armut. Von einem Bürgerkrieg ist das Land nicht mehr weit entfernt.

Von Jan Tussing | 11.11.2006
    Oloibiri ist keine Vogelart, die vom Kolibri abstammt. Oloibiri ist das erste Dorf im Nigerdelta, in dem nach Erdöl gebohrt worden ist. Vor genau 50 Jahren. "Well Number One, June 1956” - das steht auf dem rostigen Schild, das halb mit Gras überwachsen ist. Förderbrunnen Nummer eins.

    In Oloibiri fahren die Kinder mit dem Kanu in die Schule. Der Ort liegt mitten im Nigerdelta, einem Labyrinth aus Flussarmen des Nigers. Oloibiri habe in den vergangenen 50 Jahren von den Erdölgewinnen nichts gesehen, sagt Sunday Foster Inengite-Ikpesu, der 70-jährige Dorfälteste.

    "Uns hat das Öl nichts gebracht, am allerwenigsten die erste Ölquelle. Heute erhalten die betroffenen Gemeinden wohl Kompensationszahlungen, weil sie aufgeklärter sind als wir damals. Wir haben nichts bekommen. Sollte es Zahlungen gegeben haben, dann müssen sie in der Regierung versickert sein. Die Zentralregierung hat keine Sympathien für die Regionen gezeigt, wo das Öl herkam."
    In Oloibiri wird ein trauriges Jubiläum gefeiert. Das Dorf ist verseucht. Ein halbes Jahrhundert Ölförderung ist an dem Ort nicht spurlos vorübergegangen. Die Ausbeutung des Landes zeigt sich an dem leichten Ölfilm, der überall auf dem Wasser liegt, und dem Gestank vom Abfackeln der Gase. Befestigte Straßen gibt es in Oloibiri nicht, ebenso wenig wie Strom. Das Gemeindekrankenhaus hat dicht gemacht, und die Dorfschule ist einsturzgefährdet. Wer den Dorfältesten besuchen will. muss durch riesige, knöcheltiefe Pfützen waten. Sunday Foster lebt in einer Lehmhütte. Er hat den Untergang seines Dorfes hautnah erlebt.

    "Bevor Shell kam und die Erdölförderung begann, hatten wir von allem ausreichend. Die Böden waren sehr fruchtbar. Aber weniger als zwei Jahre, nachdem 1956 die Ölförderung losging, stellten wir Veränderungen fest. Die Ernten wurden schlechter. Die Feldfrüchte gerieten mickrig. Der Fisch wurde knapp. Wir erlitten mehrere Ölkatastrophen, die Flüsse und Felder verseuchten. Tote Fische trieben auf der Wasseroberfläche. So begann unser Leidensweg."

    Oloibiri liegt im Bundesstaat Bayelsa, eine der 36 Provinzen Nigerias, kaum größer als Hessen. Einen Tag dauert der Ausflug mit dem Kanu bis zur Landeshauptstadt Yenagoa. Oloibiri ist typisch für die Dörfer in den Sümpfen Nigerias. Die Menschen sind arm und meist arbeitslos, und ihre Umwelt ist zerstört.

    "Ich konnte nur einen Fisch fangen, obwohl ich drei Stunden auf dem Fluss war. Das Öl hat die ganzen Gewässer verschmutzt."
    Joseph Amakiri ist Fischer. Sein Dorf Efere-sug-bene liegt am Warri-Fluss, keine 50 Kilometer nördlich von Oloibiri entfernt in der Delta-Provinz. Auch hier ziehen sich kilometerlange Ölpipelines wie Kraken durch die Region, oberirdisch und unterirdisch. Umweltexperten wie Oriri Omorodion sind entsetzt über das Ausmaß der Zerstörung im Nigerdelta.

    "Sowohl das Brackwasser als auch Salzwasser sind nicht zum Trinken geeignet. Die einzige Quelle für Frischwasser ist das Grundwasser."

    Oriri ist Lehrbeauftragte am "Petroleum Training Institute" in Lagos, eine Erdölspezialistin.

    "Jede Form von Umweltverschmutzung an der Erdoberfläche verunreinigt auch das Grundwasser. Genau das geschieht durch die Erdölarbeiten im Nigerdelta. Oft findet sich auf dem an die Oberfläche gepumpten Grundwasser ein Ölfilm. Das Öl ist also entweder durch das Erdreich gesickert oder oben in den Wasserkreislauf geraten."

    Die Menschen im Nigerdelta leben seit Jahrhunderten in den feuchten Sümpfen des Deltas. Trinkwasser hatten sie quasi vor der Haustür. Heute aber müssen sie für Trinkwasser weite Strecken zurücklegen.

    "Für dieses Wasser hier musste ich rund 50 Kilometer gehen. Wenn möglich, versorgen wir uns daher mit Regenwasser. Aber das ist durch das Gasabfackeln auch verunreinigt. Wir haben keine Filtermöglichkeiten für unser Wasser. Ich weiß, dass das alles schädlich ist. Aber was soll ich machen? Es gibt keinen Ausweg. Es ist wie in einem Gefängnis. Man muss nehmen, was kommt."
    Immer mehr Menschen im Nigerdelta, vor allem Jugendliche, wollen die Ungerechtigkeit nicht mehr hinnehmen, die sie tagtäglich erleben. Sie sehen vom Ufer aus eine hell erleuchtete Ölförderstation. Sie selber aber wohnen in zusammengeflickten Hütten aus Palmwedeln, Blech, Plastikplanen, Holzplanken und Pappe. Und als wäre das nicht genug, platzten damals auch noch Pipelines und Oloibiri wurde Opfer einer Ölpest, erinnert sich Sunday Foster.

    "Zuerst wussten wir nicht, was los war. An einigen Flussstellen war der Ölschlick einen halben Meter dick. Wir hatten ja Rohöl noch nie zuvor zu Gesicht bekommen, weil es sonst durch Pipelines fließt. Erst als Leute uns aufklärten, wurde es uns klar. Aber nichts geschah. Die Ölpest wurde nicht bekämpft. Der Schlick blieb da über viele Monate. Und die Fische starben. Die Behörden wussten natürlich, was vor sich geht. Aber sie haben uns nichts gesagt. Es waren andere Informationsquellen, aus denen wir die Wahrheit bekamen. Wir appellierten an die Konzerne, aber unsere Petitionen stießen auf taube Ohren."
    Nigeria ist heute der sechstgrößte Ölproduzent der Welt. Seit 1958 fließen Milliarden von Petrodollars in die Staatskassen. Das Land – seit 1996 demokratisch - gehört zum Club der reichen Ölförderstaaten OPEC und schwimmt im Geld. Immer neue Ölquellen werden entdeckt, und trotzdem leben die meisten Menschen in Nigeria in bitterster Armut.

    Mujahid Dokubo Asari ist Nigerias Staatsfeind Nummer eins. Asari ist Rebellenführer im Nigerdelta und selbsternannter Chef der viertgrößten Volksgruppe Nigerias, den Ijaws. Asari ist 40 Jahre alt und für die meisten Menschen im Nigerdelta eine Art Robin Hood.

    "Wir nehmen das Öl und geben es den Menschen. Wenn du hier durch die Gegend gehst, dann siehst du, dass wir unser eigenes Benzin haben. Es ist so billig. Öl wird in Nigeria für etwa 200 Nairap pro Liter verkauft, und wir geben es den Menschen für 50 Nairap. Wir nehmen es uns aus den Pipelines, weil es ja unser eigenes Land ist. Wir raffinieren es ein bisschen, damit man es benutzen kann, und dann geben wir es an die Menschen weiter."
    Seit über einem Jahr sitzt Asari im Gefängnis: im Hochsicherheitstrakt. Er ist wegen Hochverrats und Staatszersetzung angeklagt. Darauf steht in Nigeria die Todesstrafe. Asari ist nämlich auch Chef einer Rebelleneinheit, die sich "Brigade der Märtyrer" nennt, eine Bewegung zur Befreiung des Nigerdeltas. Er kämpft gegen die Ausbeutung seiner Heimat durch die Ölkonzerne und hat mit Entführungen von ausländischen Arbeitern viel Geld verdient. Als er aber anfing, auch politische Forderungen zu stellen, wurde er verhaftet.

    "Wir appellieren an den nigerianischen Staat, eine nationale Konferenz einzuberufen - und was dort entschieden wird, soll einem Referendum unterliegen, an dem alle Nationalitäten und Ethnien Nigerias teilnehmen können, die in diesen nigerianischen Staat gezwungen worden sind."
    Asaris Volk, die Ijaws, sind mit 14 Millionen Menschen die viertgrößte Volksgruppe in dem Vielvölkerstaat. Daher spielen sie auch nur die vierte Geige im Land. Aber im April 2007 sind in Nigeria Wahlen. Dann werden die Gouverneure aller 36 Provinzen und der Präsident gewählt. Amtsinhaber ist Olegun Obasanjo. Asari verlangt einen Volksentscheid über die Zukunft Nigerias.

    "Die Entscheidungen, die in dieser nationalen Konferenz zu treffen sind, müssen einem Referendum unterliegen. Wenn das nicht passiert, werden wir einen eigenen souveränen Staat ausrufen."
    Asaris Volk, die Ijaws, leben sie im ölreichen Nigerdelta, wo 95 Prozent des gesamten Bruttoinlandsprodukts Nigerias erwirtschaftet wird. Aber von den Gewinnen sehen auch sie keinen Cent. Das will der "Robin Hood der Armen" ändern - notfalls mit Gewalt. Asaris Armee zählt rund 5000 Mann. Sie sind bis an die Zähne bewaffnet, mit Panzerfäusten, Maschinengewehren und Granaten, ausgerüstet für einen Krieg. Gleichzeitig macht Asari Wahlkampf aus dem Gefängnis. Sein Plakat hängt überall in der Provinz Rivers. Hier kandidiert er für den Posten des Gouverneurs. Sollte er gewinnen, erhält er automatisch politische Immunität und kommt aus dem Gefängnis. Solange aber darf ihn niemand sprechen. Nur seine Frau hat Besuchsrecht. Und seine Schwester verkündet seine Botschaften.

    "Während der letzten Gerichtsverhandlung hat er uns nochmals darauf eingeschworen, den Kampf für die Befreiung der Völker des Nigerdeltas beizubehalten. Und die Ijaws außerhalb Nigerias sollen zusammenkommen, um diesen Traum wahr zu machen. Die Geschichte Südafrikas lief ähnlich: Nach der Apartheid kam die Unabhängigkeit. Wir glauben nach wie vor, dass wir nicht als eine Minderheit abgespeist werden sollten, sondern dass wir die Region repräsentieren, die den immensen Reichtum Nigerias erwirtschaftet. Und so sollten wir auch behandelt werden."

    Seit Asari im Gefängnis sitzt, ist die Gewalt in Nigeria eskaliert. Staatspräsident Obasanjo hat den Ausnahmezustand im Nigerdelta ausgerufen. Seine Armee liefert sich mit den Rebellen erbitterte Gefechte, bei denen immer wieder Dutzende auf beiden Seiten ums Leben kommen.

    "Es geht hier nicht nur um Öl, sondern um das gesamte System Nigerias, das uns unterdrückt und uns nimmt, was uns gehört. Dazu sagen wir Nein."
    Asaris Kampfansage ist ernst gemeint. Seine Anhänger haben sich in der "Bewegung zur Befreiung des Nigerdeltas" zusammengeschlossen, bekannt unter dem Kürzel MEND: Movement for the Emancipation of the Niger Delta. Bello Oboko ist ihr Sprecher. Immer, wenn ausländische Ölmitarbeiter in die Hände von Rebellen geraten, verhandelt Oboko mit den nigerianischen Behörden.

    "Man darf diese Entführungen nicht missverstehen als Aktionen von Terroristen oder Kriminellen. Es ist Selbstverteidigung. Die Geiseln werden als Schutzschild benutzt, als Garantie dafür, dass die Dörfer der Geiselnehmer nicht weiter angegriffen werden. Es gibt immer wieder militärische Vergeltungsschläge. Die Leute müssen sich also verteidigen."

    Seit Beginn dieses Jahres häufen sich die Anschläge auf Ölförderanlagen. Pipelines werden angezapft oder zerstört. Mitarbeiter ausländischer Konzerne werden auf dem Weg zur Arbeit aus ihrem Auto heraus entführt oder auf offener Straße erschossen. Der Ölkonzern Shell musste seine Produktion um gut ein Viertel drosseln. Die Krise im Nigerdelta heizt den ohnehin hohen Ölpreis auf den internationalen Märkten weiter an.

    "Meine Leute haben nie gesagt, dass wir Krieg mit Nigeria wollen. Wir haben immer den Dialog gesucht. Unsere Position haben wir in einer Deklaration klar formuliert. Wir glauben an die nigerianische Staatsidee und wollen ein Teil davon sein., aber nur in einem wahren föderalen System. Wir brauchen Kontrolle über unsere Bodenschätze. Jede Region muss eigenverantwortlich sein."
    Früher waren Obokos Milizen die Hauptdrahtzieher hinter den Entführungen im Nigerdelta. Heute, so scheint es, tummeln sich Hunderte von Banden und Kriminellen in den Sümpfen des Deltas. Die Entführungen seien außer Kontrolle geraten, meinen Beobachter wie Chido Okafor. Er schreibt für die nigerianische Tageszeitung "The Guardian" in Warri. Und ist der Korrespondent für das Nigerdelta

    "Die Lage im Nigerdelta ist äußerst ernst. Selbst Topmilitärs sind davon überzeugt, dass die Situation zu einem Bürgerkrieg führen kann, wenn nicht ernsthaft mit der Ungerechtigkeit umgegangen wird. Der Konflikt hat eine Stufe erreicht, in der die Wirtschaft des Landes und auch die Sicherheit auf dem Spiel stehen. Wer wie ich die Milizen gesehen hat, ist schockiert von dem Grad der Militarisierung, der Quantität und Qualität der Waffen, Panzerfäuste et cetera. Nimmt der Druck zu, sind wir von einem heftigen Bürgerkrieg nicht mehr weit entfernt."

    Die Bar Goodfellas kennt in Port Harcourt fast jeder. Zumindest jeder, der sich abends amüsieren will. Drei rustikale Sitzecken aus Holz stehen auf der einen Seite. Auf der anderen flimmern zwei bunt beleuchtete Kühlschränke von bekannten Getränkemarken. Ein Humphrey-Bogart-Casablanca-Plakat hängt an der Wand, ebenso eine Anweisung der Direktion: "Mädchen – sucht nicht nach Freiern in dieser Kneipe'". Das Goodfellas war noch bis vor kurzem ein Ort, wo sich die vielen ausländischen Arbeiter abends trafen. Aber seit die Gewalt eskaliert, bleibt die Kundschaft aus. Es sei im Nigerdelta für Ausländer zu gefährlich geworden, sagt John, ein Brite, der es vorzieht, anonym zu bleiben.

    "Vor 15 Jahren war es hier viel angenehmer. Die Leute konnten sich frei bewegen. Keine Einschränkungen. Das kann natürlich an den Unternehmensregeln liegen. Man muss sich mit einem Leben im Camp arrangieren. Ich habe Familie und komme damit zurecht. Aber für andere, die noch etwas erleben wollen, ist es schon sehr schlecht hier."

    Wie fast alle Ausländer lebt auch der Brite mit seiner Familie in einem Camp. So nennen die Einwohner ihre eigene kleine Stadt, abgeschnitten vom Leben der übrigen Deltabewohner. Johns Unternehmen stellt ihm ein Haus und einen Chauffeur. Der fährt ihn morgens zur Arbeit und abends zurück. Die Kinder gehen auf die internationale Schule. Selbst ein kleines Krankenhaus wurde errichtet für die Arbeiter des Unternehmens. Fast ein Staat im Staat also. Aber allen Sicherheitsmaßnahmen zum Trotz: Erst vor wenigen Wochen wurde ein Deutscher auf dem Weg zur Arbeit aus seinem Auto heraus entführt.

    "Wenn du hier lebst, besteht das Risiko, als Geisel genommen zu werden. Es ist eine schlimme Sache. Aber wir gehen damit wahrscheinlich unaufgeregter um als der Rest der Welt."
    Seit einiger Zeit bleibt das Goodfellas fast leer. Fünf stark geschminkte Damen sitzen gelangweilt an der Bar, drei Männer im Eck zeigen kein Interesse an ihnen. Zu frisch sind die Erinnerungen an die Ereignisse im August, als bewaffnete Männer den Laden stürmten. Sie verschleppten Ausländer, vor allem Briten.

    Es war das erste Mal, dass eine Kidnapper-Bande ihre Opfer mitten im Herzen der Stadt Port Harcourt ausgesucht hat. Sonst ereignen sich die Geiselnahmen auf entlegenen Pumpstationen und auf Landstraßen. Über die Eskalation der Gewalt ist der Journalist Abru Elyger in großer Sorge:

    "Port Harcourt und das gesamte Nigerdelta sind jetzt zu einem Krisen-Brennpunkt geworden: Diebstähle, Prostitution, Schmuggel, Drogenkriminalität. Und nun werden wir quasi über Nacht auch Zeugen von Entführungen. Geiselnahmen gab es früher nicht."

    Inzwischen wird mit dem Kidnappen von Ausländern viel Geld verdient. 15 bis 20 Millionen Narias verdienen die nigerianischen Entführer an ihren ausländischen Geiseln. das sind umgerechnet rund 9000 bis 12.000 Euro. In Nigeria ist das eine Menge Geld. Auch wenn die Behörden die Zahlung von Lösegeld abstreiten. Hier sei ein Wirtschaftszweig entstanden, der über den politischen Kampf im Nigerdelta hinausgehe, sagt der Herausgeber der Lokalzeitung "The Port Harcourt Telegraph", Ogbonna Nwuke. Er beobachtet die Situation seit langem.

    "Im Nigerdelta zeigt sich das Versagen der nigerianischen Regierung. Auch die Regierungen der Provinzen müssen sich verantworten. Aber wenn die Leute nichts zu tun haben, kommen sie auf dumme Gedanken. Und wenn man sich anschaut, wie die Banden arbeiten, dann sieht man, dass viele Schulabgänger dabei sind. Die Kidnapper wissen genau, wie und wo sie zuschlagen müssen."

    Seit Beginn des Jahres wurden mehr als 100 Ölarbeiter entführt: ein Rekord. Viele Geiselnehmer stellen kaum noch politische Forderungen. Alles was sie interessiert, ist das Lösegeld. Der nigerianische Präsident hat inzwischen den Ausnahmezustand erklärt und bekämpft die Rebellen mit der Armee. Aber offiziell kenne niemand die Entführer, sagt der Journalist Nwuke.

    "Wenn sie ihre Opfer haben, dann kommen die so genannten Verhandlungsführer ins Spiel. Das ist eine weitere Ebene, bei der ich mich frage: Woher weiß die Regierung überhaupt, wer die Leute sind, wenn sie doch angeblich nichts mit denen zu tun haben? Für mich ist das nur eine weitere Methode, Geld aus dem System abzuzweigen. Und dabei leidet der Name unseres Landes sehr."

    Wer steckt also hinter den Entführungen? Sind nigerianische Gouverneure wirklich an den gewalttätigen Auseinandersetzungen beteiligt? Schon möglich, sagt die Anti-Korruptionsbehörde EFCC. Seit ihrer Gründung regnet es Haftbefehle. Gegen rund die Hälfte aller 36 Gouverneure wird sie Strafverfahren einleiten – das kann zum Ausschluss der Kandidatur für das Präsidentenamt führen. Es geht ein Schock durch die politische Szene. Ein Gouverneur hat sich bereits ins Ausland abgesetzt. Andere schlagen zurück. Mit Gewalt.

    Die politische Situation in Nigeria ist verworren. Das Öl hat sich für die meisten Menschen als Fluch entpuppt und nicht als Segen. Und der innere Frieden ist gefährdet. Die Gewaltspirale ist in vollem Gange, und niemand glaubt, dass die Wahlen im kommenden Jahr diese Lage verändern werden. Selbst die nigerianische Armee scheint machtlos gegen die vereinten Kräfte der Milizen. Im Nigerdelta wird ein Guerillakrieg geführt, in dem die ausländischen Konzerne zerrieben werden. Von einem Bürgerkrieg ist das Land nicht mehr weit entfernt. 50 Jahre Öl in Nigeria, ein trauriges Jubiläum.