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Reifenwahl und Klimaschutz

Ab November 2011 sollen spritsparende Reifen für Neuwagen EU-weit Pflicht werden und helfen, den Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen zu verringern. Der ADAC begrüßt die Maßnahme grundsätzlich, warnte jedoch davor, bei der Reifenwahl Sicherheitsaspekte zu vernachlässigen.

Von Dieter Nürnberger |
    Im Prinzip teilt der ADAC die Entscheidung des zuständigen EU-Kommissars, und man befürwortet auch den Vorschlag des Europäischen Parlaments, die Hersteller künftig anzuweisen, eine einheitliche Kennzeichnung von Reifenprodukten vorzunehmen. Denn derzeit ist die Kennzeichnung uneinheitlich. Manche Hersteller heben bestimmte Eigenschaften des Reifens hervor, um ihre Werbung zu unterstützen. Andere tun dies nicht.

    Grundsätzlich also begrüßt man die Entscheidung der EU. Aber man möchte bei der künftigen Kennzeichnung Sicherheitsaspekte nicht vernachlässigt sehen. Denn die Erfahrungen des ADAC zeigen auch, dass spritoptimierte Autoreifen vereinzelt Schwächen haben. Reinhard Kolke leitet die Abteilung Test und Technik beim ADAC.

    "Wir dürfen vor dem Hintergrund der Klimadiskussion nicht das Thema Verkehrssicherheit vergessen. Wir sehen, dass es durchaus rollwiderstandsarme und somit spritsparende Reifen gibt, die aber hinsichtlich ihres Bremsweges Schwächen haben. Aus diesem Grund brauchen wir eine ausgewogene Begrenzung der Eigenschaften Nassbremsen und Rollwiderstand."

    Und aus diesem Grund lehnt der ADAC es auch ab, die Verbraucher einseitig über den Rollwiderstand zu informieren - und Sicherheitsaspekte außer acht zu lassen. Wie gesagt, der Automobilclub hat umfangreiche Reifentests durchführen lassen. Und in Punkto Sicherheit sei da nicht zu spaßen, denn der Bremsweg bei den Leichtlaufreifen sei deutlich länger, sagt ADAC-Experte Reinhard Kolke.

    "Ein Beispiel: Wir vergleichen beim ADAC-Reifentest den besten Reifen im Verbrauch und den besten Reifen beim Bremsen. Während der beste Reifen im Bremsen schon steht, bei einer ursprünglichen Geschwindigkeit von 80 Kilometern pro Stunde, hat der beste reifen im Verbrauch immer noch eine Restgeschwindigkeit von 25 Stundenkilometern. Und 25 Stundenkilometer können durchaus für Bagatell- und auch Personenschäden verantwortlich sein."

    Eine weitere Schwäche sieht der ADAC zudem im unzureichenden Lärmmessverfahren der EU: Die gemessenen Werte der Reifen unterschieden sich deutlich von den realen Werten auf der Straße. Es geht also nicht nur um die Entscheidung des EU-Parlaments über spritsparende Neureifen, auch die künftige Kennzeichnung darüber ist für den Automobilclub ein wichtiges Thema. Der ADAC hat deshalb heute auch den EU-Parlamentarier Andreas Schwab nach Berlin eingeladen. Er ist Berichterstatter für die Verordnung der Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich ihrer allgemeinen Sicherheit. Wie könnte nun eine solche Kennzeichnung, oder neudeutsch, ein solches Labeling aussehen? Derzeit streitet man noch, sagt Andreas Schwab.

    "Die Hersteller, die bisher schon stärker auf umweltfreundliche Reifen gesetzt haben, die sagen, die Sicherheit sollte gar nicht mehr gelabelt werden. Das halte ich für fatal, denn wir müssen den Verbraucher auch in Zukunft darauf hinweisen, dass Sicherheit beim Fahrzeug und dessen Zubehör über allem steht. Aber es ist auch richtig, dass andere Eigenschaften des Reifens eine große Rolle spielen. Sie sind ja auch für die Kosten des Produkts mitverantwortlich. Beim Spritverbrauch soll diese Information ja helfen, Kosten zu sparen."

    Eine Entscheidung erwartet der EU-Parlamentarier der EVP-Fraktion noch vor der Sommerpause. Das Label, die Kennzeichnung, wird also kommen, doch davon unabhängig fordert der ADAC nun doch einige Nachbesserungen bei der Zulassung von reifen. Denn bei einigen Testreifen hat man recht gravierende Sicherheitsmängel festgestellt. Umweltfreundliche Reifen zwar, aber viel zu lang beim Bremsweg, sagt ADAC-Experte Kolke.

    "Es gibt preisgünstige Angebote, die nicht unbedingt Einschränkungen bei der Sicherheit haben. Aber der ADAC hat auch Produkte aus China getestet. Wir kommen zu dem eindeutigen Ergebnis, dass diese Produkte unsicher sind. Zurück zu unserem Beispiel: Während der beste Bremser schon steht, hat das chinesische Produkt noch eine Restgeschwindigkeit von 50 Kilometern pro Stunde, aus einem Bremsvorgang von 80 heraus. Der ADAC vertritt hier die Position, dass der Gesetzgeber nachbessern muss. Solche Reifen dürfen nicht auf den Markt gebracht werden."

    Trotz neuer Vorschriften aus Brüssel: Bei Reifen soll also auch künftig Sicherheit Trumpf sein, so der ADAC.