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Reihe "Innovationsmotor Kultur"
Hartmut Rosa: "Inspiration braucht Irritation"

Der Lockdown sei eine Herausforderung für die Kreativität, sagte der Soziologe Hartmut Rosa im Dlf. Es bestehe die Gefahr, dass man in den immer gleichen Kreisen laufe, denselben Gedanken folge und dabei komplett unkreativ werde.

Hartmut Rosa im Gespräch mit Karin Fischer |
Der Soziologe und Politikwissenschaftler Hartmut Rosa
Entschleunigung kann bedrohliche Formen annehmen, sagt der Soziologe und Politikwissenschaftler Hartmut Rosa (picture alliance / dpa / Horst Galuschka )
In der Corona-Zeit erleben viele Menschen eine fast unwirkliche Gleichzeitigkeit von extrem schnellen Entwicklungen einerseits und einer durch die Pandemie fast abrupt gestoppter Alltagsroutine andererseits. Und diesem letzten Phänomen, der subjektiv gar nicht als Geschenk empfundenen vielen freien Zeit, widmet sich der Dlf in der Reihe "Innovationsmotor Kultur".
Kultur lebe von Wechselwirkungen, die man nicht vorhergesehen hatte, sagt der Soziologe Hartmut Rosa. Er versucht, dieses Phänomen mit dem Begriff der "Unverfügbarkeit" zu beschreiben. "Und deshalb ist der normale Beschleunigungsdruck und Zeitdruck nicht besonders hilfreich für kreative Prozesse.
"Aber die Abwesenheit von unverfügbaren Wechselwirkungen und Irritationen, wie wir sie jetzt zum Teil erleben, ist vielleicht auch nicht das Richtige." Man brauche dichte und oft auch unberechenbare Interaktion, um sich lebendig zu fühlen und auch kreativ zu werden, egal ob beim Werkeln im Garten oder beim Musizieren in einer Band. "Sich inspirierend irritieren zu lassen und von Zielvorgaben abzuweichen, ist bei fast allem, was wir als Menschen tun, hilfreich."

Kreative Formen wiederentdecken

Den Lockdown erlebten viele als "Zwangsentschleunigung", aber auch sonst werden Phasen des kreativen Rückzugs mit Erwartungen überfrachtet, meint der Soziologe.
"Langeweile wird nicht automatisch produktiv, sie ist nicht automatisch Muse." Dadurch werde auch die Wertschätzung für Kultur nach der Pandemie wieder steigen, ist Hartmut Rosa überzeugt. In der Wiederentdeckung kreativer Formen liege für ihn eine große Hoffnung.

Kultur nicht an Erfolgsquoten messen

Es sei wichtig, dass man Kultur nicht nur als "Genussprodukt" wahrnehme, das man sich am Freitagabend gönne, als eine Sonderzone, die mit dem Rest der Gesellschaft nichts zu tun habe. "Ich glaube, stattdessen brauchen wir kulturelle Institutionen, kulturelle Produktionen, musikalisch, literarisch, cineastisch, in allen Formen. Als Raum, in dem Gesellschaft sich entwirft und sich verhandelt und sich deutet und vielleicht auch neue Möglichkeiten eröffnet."
Dafür sei Geld eine wichtige Voraussetzung, aber genauso wenig, wie man gute Wissenschaft finanziell erzwingen oder erzielen könne, sei gute Kultur nicht allein dadurch zu gewährleisten. Dazu müssten entsprechende soziale und kulturelle Voraussetzungen geschaffen werden. "Und ich glaube schon, dass Kultur auch davon profitiert, dass sie dann da, wo sie wieder produziert werden kann, nicht an Quoten gemessen wird oder an irgendwelchen messbaren Ergebnissen, sondern an der Lebendigkeit ihres Entstehens oder auch ihre Rezeption", so Hartmut Rosa.