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Reihe: Wahlversprechen
CSU-Basis grummelt über Söders Weltraumprogramm

Mit der Ankündigung eines bayerischen Raumfahrtprogramms hatte CSU-Chef Söder vor der Landtagswahl viel Spott kassiert. Doch zehn Monate später löst er sein Wahlversprechen ein: 700 Millionen Euro werden für das Projekt bereitgestellt. Dafür macht sich an der Basis Unmut breit.

Von Michael Watzke | 29.07.2019
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) bei der Vorstellung der neuen bayerischen Luft- und Raumfahrtstrategie in der Technischen Universität München
Für seine Raumfahrt-Ideen hat CSU-Chef Markus Söder zunächst viel Häme geerntet (picture alliance/dpa)
"Es ist keine Spinnerei, wenn wir über Raumfahrt-Technologien sprechen!", sagt Prof. Wolfgang Herrmann, der Präsident der Technischen Universität München (TUM). "Und wir müssen zeigen, dass wir das Zeug dazu haben, die Nummer 1 in der Welt zu werden."
Bescheidenheit ist kein typischer Wesenszug des TUM-Präsidenten. Das hat er mit jenem Mann gemeinsam, der an diesem Juli-Morgen im vollbesetzten Audimax in der ersten Reihe sitzt. "Ich darf den Ministerpräsidenten Dr. Söder auf die Bühne bitten. Sie dürfen auch über Geld reden, wir haben nichts dagegen."
1.000 Studenten, Professoren und Wissenschaftler warten gespannt, ob Söder sein Wahlversprechen hält: 700 Millionen Euro Investitionen in Bayerns Luft- und Raumfahrt-Forschung. Das hatte der CSU-Chef den bayerischen Wählern vor der Landtagswahl 2018 angekündigt.
Nicht Aliens suchen, sondern die Erde besser verstehen
"Heute startet Bayern sein Programm 'Bavaria One' – das ist der Blick ins Weltall. Aber nicht, um nach Aliens zu suchen, sondern um die Erde besser zu verstehen. Wir haben ein Programm auf den Weg gebracht mit der Gründung der größten Fakultät für Luft- und Raumfahrt in Europa. Mit der Entwicklung eines bayerischen Satelliten."
Ein Mann im Anzug hält seine Hand mit gekreuzten Fingern hinter den Rücken
Reihe: Versprochen – gebrochen?
Was aus Wahlversprechen geworden ist

Wahlversprechen gehören zu Wahlen wie Plakate und TV-Duelle. Wenn alle Stimmen ausgezählt sind, bleibt von großen Ankündigungen oft kaum etwas übrig.
Für dieses Versprechen hatten Söders Gegner den forschen Franken im Wahlkampf verspottet. "Größenwahn", ätzte beispielsweise Kevin Kühnert von der SPD. Und weil auch noch ein Bavaria-One-Logo der Jungen Union mit Söders Konterfei im Netz auftauchte, lachte halb Deutschland über "Söderchens Mondfahrt": "Bavaria One – da geht's um ein Raumfahrt-Programm. Das heißt, der Markus sagt: Jedes Marsmännchen soll wissen, wer jetzt in Bayern das Sagen hat."
Söder reagierte damals verärgert auf den Spott: "Es zeigt doch, in welchem Zustand wir in Deutschland Politik diskutieren. Wir haben solche Herausforderungen vor uns. Unser Land braucht Entscheidungen für die Zukunft und keine Kinderdebatten, die Manche führen."
Spott über "Söderchens Mondfahrt"
Zehn Monate später, im Hörsaal der Technischen Universität München, schlägt die Stunde der Wahrheit. Söder tritt ans Rednerpult. Will er sein 700-Millionen-Euro-Versprechen einhalten, muss die bayerische Staatsregierung ihren Zuschuss zur Gründung der neuen Luft- und Raumfahrt-Fakultät verdoppeln. Der bekennende Star-Wars-Fan Söder fantasiert erst einmal wolkig über das Weltall:
"Mich hat Science Fiction immer fasziniert. Bis heute übrigens. Ich gebe zu, ich lasse keine Sci-Fi-Idee aus. Und wissen Sie: Wenn Sie ein paar der Rätsel entschlüsseln, die mir so brennend auf der Seele liegen – nach dem Ursprung, dem Warum – dann führt es dazu, dass jeder Cent, den wir hier anlegen, ein human angelegter Cent ist."
Aber wie viel Cent will Söder investieren? Bis zum Schluss seiner Rede wartet der CSU-Chef. TUM-Präsident Herrmann wird schon nervös. Aber dann liefert Söder: "Herr Professor Herrmann, ich bilanziere: Die Fakultät wird unterstützt. Es wird am Ende in den nächsten zwei Jahren doppelt so viel Geld geben."
Entweder der Weltraum oder schuldenfrei bis 2030
Damit bindet sich der bayerische Ministerpräsident an "Bavaria One". Er steht zu seinem Weltraum-Wahlversprechen. Allerdings muss Söder dafür ein paar Tage später ein anderes Wahlversprechen einkassieren. Er kündigt an: Bayern werde das gesetzlich verankerte Ziel aufgeben, bis zum Jahr 2030 schuldenfrei zu werden.
"Wir brauchen mehr Investitionen in Forschung und Entwicklung, auch in das Wachstum. Und deshalb muss man sehen, wie viel wir an Schuldentilgung leisten können. Man muss zugeben: Geld schießt Tore. Geld macht auch Forschung. Ich möchte nicht, dass aus Bayern die besten Forscher abwandern. Ich möchte, dass noch mehr kommen. Das müssen wir in Balance bringen."
Die Kritik der bayerischen Opposition an dieser Entscheidung hält sich in Grenzen. Dafür erntet der bayerische Ministerpräsident erstmals deutliche Kritik aus dem eigenen Lager. An Söders Basis hört man Stimmen, der Chef gehe allzu leichtfertig mit Steuergeldern um. Die Junge Union wirft ihrem früheren Vorsitzenden gar vor, er versündige sich an der Generationen-Gerechtigkeit. Dabei hatte ausgerechnet die Junge Union Söder noch zehn Monate zuvor mit jenem Logo gefeiert, das über Söders Konterfei den stolzen Schriftzug "Bavaria One" trug.