Dienstag, 23. April 2024

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Reihe Wald in Not (2/4): Forstbetrieb Thomas Ritschel
Borkenkäfer-Befall: Viel Arbeit und schlechte Geschäfte

Nach dem Dürresommer des vergangenen Jahres ist der Borkenkäfer in den Wäldern auf dem Vormarsch. Die befallenen Bäume müssen schnell gefällt werden. Viel Arbeit für Forstbetriebe, aber trotzdem alles andere als ein gutes Geschäft.

Von Mikro Smiljanic | 27.09.2019
Thomas Ritschelvom gleichnahmigen Forstbetrieb in typischer Selfie-Pose im Wald. Im Hintergrund ein Harvester für die Holzernte und gefällte Baumstämme.
Selfie im Wald: Thomas Ritschel (Thomas Ritschel)
Heiß scheint die Sonne an diesem Montagnachmittag auf die Wälder oberhalb des Königsforstes bei Köln. Fichten so weit das Auge reicht, grün, hoch, dicht an dicht, die Wälder im Bergischen Land sind eine Augenweide – zumindest für Laien.
"Auf den ersten Blick sieht es grün aus, wenn man genauer hinsieht, dann sieht man an den Wurzelanläufen, wir sagen Kaffeemehl, ist aber das Bohrmehl vom Borkenkäfer, vom Buchdrucker, nennt er sich, der geht unter die Rinde, macht seine Fraßgänge darunter, und der Baum stirbt dann ab,"
erklärt Thomas Ritschel, Geschäftsführer des gleichnamigen Forstwirtschaftlichen Betriebes im nahegelegenen Kürten.
Baumtod schon in wenigen Tagen
Schon in drei Tagen werde sich das Bild dramatisch wandeln, prognostiziert er, die Nadeln fallen ab, braunen Inseln gleich stehen tote Bäume zwischen noch einigermaßen intakten Wäldern. Für die Waldbesitzer eine Katastrophe. Die Bäume, sagt Thomas Ritschel…
"…entwerten sich auch relativ schnell durch Verfärbung, durch Blaupilze und, und, und, also, es ist jetzt möglichst schnell geboten, dass man Holz überhaupt noch vermarkten kann."
Die Bäume müssen rasch gefällt und verkauft werden, außerdem lässt sich nur so verhindern, dass Borkenkäfer gesunde Bestände befallen. In einem ersten Abschnitt erntet Thomas Ritschel 1.200 Festmeter Fichten, die er mit einem Harvester oder Holzvollernter auf einen Durchmesser von 25 Zentimeter und eine Länge von 11,80 Meter schneidet. Die Stämme werden in 12-Meter-Überseecontainern verladen und nach China verschifft.
Ohne Harvester – äußerlich vergleichbar mit einem riesigen Raupenbagger – geht kaum noch etwas in deutschen Wäldern, vor allem würde es nicht schnell gehen.
"So, vor mir habe ich einen Bildschirm, da wird das Holz erfasst, einmal habe ich eine Länge, jetzt ist die bei null, und hier ist der Durchmesser, also komplett geöffnet kann man sagen 70 Zentimeter."
Ohne Harvester nicht zu schaffen
Zehn Meter reicht der stählerne Ausleger nach vorne. An dessen Spitze sind Kameras und Sensoren zum Vermessen der Stämme installiert, mächtige Greifer, Schermesser und Sägen sorgen für das Fällen und Bearbeiten der Bäume.
"Jetzt sind wir hier am ersten Baum, jetzt kann man sehen wie der Ausleger ausfährt, das Aggregat geht rum, jetzt schneide ich erst mal die eine Seite an, jetzt wird er geschmälert der Baum. Ich muss immer gucken, in welche Richtung ich ihn haben will, jetzt will ich ihn nach da schmeißen, so jetzt ist er ab, ich kann ihn rüber nehmen, dann fällt der Baum runter, hängt im Moment durch die trockenen Äste etwas stärker fest. Jetzt muss ich drauf achten, er muss gesund sein, hier vorne sieht man einen Fleck drauf, das ist Rotfäule, das darf nicht mit in dem Wertstamm bleiben."
Nach zwei Minuten ist die Fichte gefällt, entrindet, vermessen und auf Maß geschnitten.
Borkenkäfer schädigt enorme Mengen
Pro Tag bis zu 250 Festmeter Holz erntet Thomas Ritschel mit dem Harvester. Das ist viel, bei weitem aber nicht genug, um die gewaltigen Massen vertrockneter Fichten rund um Bergisch Gladbach aus dem Wald zu holen.
"Die letzten Jahre war es so, es hatte sich alles eingespielt, wir hatten unsere Kunden, unsere Mengen, die gemacht werden konnten. Wir haben sechs Mitarbeiter, das war alles versorgt, das hat sich alles schön aufgebaut. Jetzt gerade könnten wir rund um die Uhr fahren und kriegen trotzdem die Kurve nicht, aber das ist ja endlich. Irgendwann wird es so sein, dass hier im Bergischen Raum, in unserem Einsatzgebiet, die Fichte weg ist, und dann stellt sich uns die Frage, was machen wir dann, wo schwenken wir hin? Da hängen ja viele Familien dran, die weiterhin ihren Lohn kriegen sollen und, und, und."
Zeitenwende im Wald
Ritschels Umsätze liegen bei etwa einer Million Euro jährlich, wegen des Waldsterbens mit steigender Tendenz. Doch das kann sich binnen weniger Jahre ändern. Forstwirtschaftliche Betriebe sind häufig so klein, dass sie konjunkturelle Verwerfungen kaum abfedern können. Und was zurzeit mit dem Wald geschieht, ist weit mehr als eine Verwerfung, es ist eine Zeitenwende, an deren Ende ein Wald mit neuer Baumstruktur steht. Die Fichte, Thomas Ritschels Brot-und-Butter-Baum, hat darin nur noch einen Nischenplatz. In dieser Situation auf Laubbäume umzuschwenken, klingt schlüssig, ist praktisch aber kaum umzusetzen. Erstens gibt es Forstbetriebe, die sich auf Laubbäume spezialisiert haben, zweitens fehlen Ritschel die richtigen Maschinen.
"Die Maschinen, die kommen aus Skandinavien, da haben sie Kiefer, Fichte, in der Regel Nadelbäume, dafür sind sie auch konzipiert worden. Es geht mit den Laubbäumen, meist in Verbindung mit der Motorsäge, da sind dickere Äste dran, die Bäume sind an sich stärker und auch schwerer, meist sind das so Kombinationsverfahren, die wir anwenden."
Problematisch sei auch, dass immer mehr Mitbewerber auf den Markt drängen. Aktuell sei das kein Problem, es gibt mehr Holz als Firmen, die es beseitigen können. Was aber passiert, wenn die Fichte wirklich aus den Wäldern verschwindet?
"Die wenigen Aufträge, die bleiben, gehen dann über den Preis, könnte ich mir vorstellen."
Durchaus möglich, dass der Klimawandel einen Verdrängungswettbewerb bei Forstwirtschaftlichen Betrieben auslöst. Die Branche ist verunsichert, niemand weiß, wie es weitergeht!
Helfen würde nur viel Regen
Baum für Baum erntet Thomas Ritschel an diesem Montag, morgen werden die Stämme abtransportiert. Trotz des hohen Einschlags, gewinnen lässt sich der Kampf gegen den Borkenkäfer so nicht. Die schiere Menge befallener Bäume ist einfach zu groß. Letztlich helfe nur eines, so Ritschel: Regen, viel Regen!
"Ich hoffe ja immer noch darauf, wir haben letztes Jahr auch darauf gehofft, dass wir einen sehr nassen Winter bekommen, das bremst uns zwar bei der Arbeit ein, wenn es zu nass ist, können wir nicht mehr fahren wegen Spuren und Bodenverwundung, aber das wäre wahrscheinlich die einzige Möglichkeit, das natürlich in den Griff zu kriegen."