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Rein Wolfs: "Die Bundeskunsthalle ist etwas ganz Spezielles in Deutschland"

Ab März 2013 übernimmt Rein Wolfs die Leitung der Bonner Bundeskunsthalle. Statt mit Blockbuster-Ausstellungen will der Niederländer das Publikum künftig durch Schauen aus dem eigenen Bestand und durch gute Inhalte überzeugen.

Rein Wolfs im Gespräch mit Beatrix Novy | 18.01.2013
    Beatrix Novy: Die Bundeskunsthalle war für eine Bundeshauptstadt Bonn geplant. Aber als 1992 das charakteristisch bemützte Gebäude von Gustav Peichl fertig wurde, war die Wende dazwischengekommen. Bonn verlor viele Einrichtungen, die Bundeskunsthalle an der B9 blieb, samt ihrer bundesmäßigen finanziellen Ausstattung.

    Die wurde von ihren ersten Intendanten auch gerne gebraucht, der vorletzte, Wenzel Jakob, machte noch Schulden dazu, aber nicht allein diese ungute Geschichte lastet auf der Kunsthalle. Auch der Nachfolger, Robert Fleck, hat seit seinem Amtsantritt 2008 enttäuscht, es hieß, ihm fehlten Haltung, Richtung, Setzungswillen, das schrieb beispielsweise die FAZ einmal, konzeptloses Einkaufen von großen Ausstellungen ohne Erkenntnisgewinn wurde ihm vorgeworfen.

    Nun steht seit gestern fest, wer Robert Fleck nachfolgt als Leiter der Bundeskunsthalle: Das ist Rein Wolfs, Niederländer mit langer Ausstellungserfahrung, zuletzt am Kasseler Fridericianum tätig. Heute Nachmittag haben wir ihn telefonisch erwischt und ihn gefragt, ob ihn so viel Glücklosigkeit, wenn man es so nennen will, der Vorgänger vielleicht ängstlich stimmt, oder ob dahinter überhaupt etwas Grundsätzliches stecken könnte, ein Konstruktionsfehler vielleicht?

    Rein Wolfs: Ich habe keine Angst, Frau Novy. Ich habe keine Angst vor einem Konstruktionsfehler. Ich glaube nicht daran, dass es einen Konstruktionsfehler gibt. Ich denke eigentlich, dass die Bundeskunsthalle eine Zukunft hat. Ich denke, dass es eigentlich kaum ein Haus gibt, was als so breite Ebene schlussendlich agieren kann.

    Ich denke, die Bundeskunsthalle ist etwas ganz Spezielles in Deutschland: Es ist ein Haus mit der Sicherheit eines Museums und mit der Dynamik einer Kunsthalle. Diese zwei Dinge auf eine Ebene zu bringen und damit auch richtig in der deutschen Kultur, in der deutschen Gesellschaft agieren zu können, das ist für mich eine ganze Herausforderung der Aufgabe.

    Novy: Ihre Vorgänger haben das so verstanden, dass sie möglichst Blockbuster-Ausstellungen eingekauft haben mit dem vielen Geld, das sie haben. Da wurde dann auch der Vorwurf laut, vor allem bei Robert Fleck, dass Sammlern Denkmäler gesetzt wurden, oder Konzerne wie die Animationsfilmfirma Pixar ein Forum bekamen. Andererseits erwartet man so was wie Blockbuster doch von einer Bundeskunsthalle. Oder wie wollen Sie das Publikum bekommen?

    Wolfs: Man erwartet publikumswirksame Ausstellungen, und die werden wir auch hinkriegen. Ich denke, man kann auch sehr viel selber produzieren. Es geht nicht darum, um jetzt zu sagen, ob das gut oder falsch war, was in der Vergangenheit passiert ist. Ich denke, wir müssen eine Neuordnung bei der Bundeskunsthalle in dem Sinne anfangen, weil wir zeigen, dass wir selber auch über sehr viel Potenzial verfügen, um neue Ausstellungen auf die Beine zu bringen.

    Der Begriff Blockbuster ist ein guter Begriff, um klarzumachen, wie eine Ausstellung ausgerichtet ist, aber mir hört sich das immer ein bisschen zu billig an im Sinne, dass es fast zu einfach gemacht sein könnte. Wir wollen anspruchsvolle Ausstellungen machen, die aber auch sehr publikumswirksam sein können. Wir wollen die verführerisch kommunizieren und auch verständlich vermitteln und über die guten Inhalte natürlich beweisen, dass man auch in Deutschland, auch in Bonn in der Bundeskunsthalle, solche Großprojekte selber produzieren kann.

    Novy: Also nicht mehr das alte Ägypten, oder andere große kunsthistorische Ausstellungen, die schon Stationen hinter sich haben. – Sie haben ja in Kassel Ausstellungen gemacht, in denen Sie einzelne Künstler vorstellten, die auch durchaus schockierende oder albtraumhafte Welten auffalten, zum Beispiel Christoph Büchel, der gleich am Anfang provoziert hat. Geht denn so was in der Bundeskunsthalle? Werden Sie so weitermachen?

    Wolfs: Ich werde nicht so weitermachen wie in Kassel. Es ist eine ganz andere Kunsthalle. Wir werden eher weniger monografisch arbeiten, wir werden eher thematisch arbeiten, wir werden auch diachron arbeiten über die Zeiten hinweg. Eine Provokation, eine gezielte Provokation kann natürlich interessant sein, wenn es eine künstlerische Strategie ist. Davor muss man auch keine Angst haben. Aber es ist auch in Kassel nie so gewesen, dass Provokationen zum direkten Inhalt der Ausstellungspolitik gehörten, und so wird das in Bonn auch nicht der Fall sein.

    Ich habe vorhin noch kurz gesagt, dass wir in dem Sinne also keine Ausstellungen mehr einkaufen werden, die schon überall gewesen sind. Also da gebe ich keine Garantie, weil natürlich wird man in diesem Geschäft auch hier und da Ausstellungen einkaufen müssen. Das gehört zum Sinn der Sache. Das gehört auch dazu, dass gewisse Dinge einfach auch in Deutschland zu sehen sein müssen, die sonst an unserer Nase vorbeigehen würden.

    Novy: Häufig hört man, die Bundeskunsthalle sei eigentlich doch überflüssig als Bundeskunsthalle, die Kommune möge sie doch bitte übernehmen, und die Bundesmittel sollten dorthin, wo sie dem Ansehen der Bundesrepublik als Kulturstadt dienen, nämlich zum Beispiel in Berlin, wo der Gropius-Bau ja nur einen Bruchteil hat von den 16 Millionen, die die Bundeskunsthalle hat.

    Wolfs: Die Bundeskunsthalle ist in Bonn in einer Region verankert, die sehr viel Potenzial hat, die auch groß ist, die auch bevölkerungsreich ist. Die Bundeskunsthalle ist als Bundeskunsthalle auch etwas, was in der Satzung der Institution klar macht, dass es auch eine gesellschaftspolitische Verantwortung in der Bundesrepublik Deutschland übernehmen will und muss, und ich denke, es braucht eine Aufgabe, es braucht so eine Aufgabe und es braucht auch einen Ort, wo man diese Aufgabe dann festmachen kann und verorten kann. Eine in 21 Jahren historisch gewachsene Bundeskunsthalle in der ehemaligen Bundeshauptstadt kann diese Aufgabe auch in Zukunft überzeugend wahrnehmen.

    Novy: Rein Wolfs, ab März wird er Bundeskunsthalle Bonn. Die schlechte Qualität des Telefons bitten wir zu entschuldigen, es musste ein Handy sein.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.