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Reine Luft?

Wieviel der zum Teil sehr giftigen Schwermetalle Arsen, Cadmium und Nickel soll Menschen in der Atemluft zugemutet werden? Darüber stritten sich gestern die Umweltexperten des Europäischen Parlaments. Die Grundlage der Diskussion im Umweltausschuss war ein Gesetzesvorschlag der Europäischen Kommission und die Änderungsvorschläge vor allem von Hans Kronberger, einem parteilosen Abgeordneten aus Österreich:

Ralph Ahrens |
    Es ist darum gegangen, dass ich Grenzwerte haben will: ganz dezidiert Grenzwerte. Die Kommission selbst und eine starke Lobby innerhalb des Ausschusses, die wollen nur Richtwerte haben: bedeutungslose, unverbindliche Richtwerte. Und das war der Kern der Auseinandersetzung.

    Nur knapp – mit zwei Stimmen Mehrheit – unterstützte der Umweltausschuss gestern die Forderung nach Grenzwerten ab dem Jahr 2010. Dann soll ein Kubikmeter Atemluft zum Beispiel nicht mehr als fünf Nanogramm Cadmium enthalten. Dieser Wert wird zwar in ländlichen Regionen problemlos eingehalten, nicht aber in der Umgebung einiger – vor allem älterer – Industrieanlagen. Etwa im Duisburger Süden, wo die Anwohner zweier Betriebe, die Metallschrott recyceln, gegenwärtig etwa fünfmal so viel Cadmium einatmen, als der Grenzwert erlauben würde. Viele konservative Abgeordnete sprachen sich gestern aber gegen Grenzwerte aus. So auch Robert Goodwill aus Yorkshire in England:

    In meiner Region in der Stadt Sheffield wird viel Edelstahl hergestellt. Und die Grenzwerte können zur Folge haben, dass ein Betrieb schließen muss und ein neues Werk in Indien oder in der Ukraine aufgebaut wird. Und das würde der Umwelt nicht nützen. Wir befürchten daher, mit Grenzwerten zu schnell zu viel zu fordern.

    Doch Hans Kronberger verteidigt die von ihm vorgeschlagenen Werte:
    Also, es gibt hier keine Phantasiezahlen oder irgendwelche radikalen, fundamentalistischen ökologischen Überlegungen, sondern realistische Zahlen, die durchaus aus Studien stammen, die im Auftrag der Kommission getätigt wurden und auch von der Kommission finanziert wurden.
    Auch der SPD-Abgeordnete Bernd Lange glaubt, dass der Umweltausschuss gestern einen vernünftigen Ansatz gewählt hat:

    Zum einen mit Grenzwerten, so dass die Luftqualität in Europa besser wird, aber auch mit der Möglichkeit, Ausnahmen für einzelne Industrieanlagen zu ermöglichen, und zwar auch zeitlich nicht begrenzt, weil natürlich eine Umstellung Zeit und Geld kostet. Aber wir haben auch viele positive Beispiele, wo Industrie von sich aus schon umgestellt hat, gerade in verdichteten Räumen und da sind einige Stahlwerke in Nordrhein-Westfalen zu nennen.

    Robert Goodwill verweist jedoch auf die Kosten-Nutzen-Abschätzung der Europäischen Kommission:

    Die Europäische Kommission sagt es klar: Die Kosten, um die Schwermetallemissionen zu senken, sind hoch – im Gegensatz zu den Gesundheitsvorteilen für die Anwohner. Keine Frage, diese Metalle bergen Gesundheitsrisiken, mit den Grenzwerten würden wir aber nicht das Leben von hunderten von Menschen retten!

    So müssten die Unternehmen jährlich viele Millionen Euro investieren, um die Grenzwerte für die Schwermetalle Arsen, Cadmium und Nickel einhalten zu können. Dem soll aber nur ein Nutzen in Höhe von mehreren 100.000 Euro pro Jahr gegenüberstehen, weil einige Menschen bei Einhaltung der Grenzwerte länger leben würden. Bernd Lange hält dieses Aufrechnen aber für unmenschlich:

    Da habe ich so meine Probleme, einen Preis für die menschliche Gesundheit anzusetzen, weil für mich jedes Menschenleben und jede Gesundheit hochwertig ist, und das kann man nicht so weit runter rechnen, dass es plötzlich nicht mehr lohnt für ein Menschen, für ein paar Menschen Luftqualität zu berechnen.

    Ob sich aber die Parlamentarier bei ihrer Abstimmung im März für Grenzwerte entscheiden werden, ist angesichts des knappen Votums im Umweltausschuss offen.