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Reines Wasser durch „gefrorenen Rauch“

Umwelt. - Schwermetalle im Grundwasser sind in vielen Ländern Asiens und Afrikas ein ernstes Problem. Chemiker aus den USA haben jetzt einen neuen Weg gefunden, Schwermetalle aus dem Wasser zu entfernen: Sie filtern die Flüssigkeit durch ein neue Art von Aerogel. Aerogele sind hochporöse Festkörper, die zum Beispiel in der Raumfahrt eingesetzt werden. Das Aerogel, das die Forscher jetzt in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins "Science" präsentieren, ist in der Lage, große Mengen Schwermetalle zu binden.

Von Sascha Ott |
    Sie sind die Rekordjäger unter den Werkstoffen: Aerogele. 15 Einträge im Guiness-Buch haben die porösen Festkörper schon gesammelt, unter anderem als bester Isolator und leichtester Feststoff. Sie können zu mehr als 99 Prozent aus Luft bestehen. Und das sieht man ihnen auch an: Weil sie so milchig schimmern und fast zu schweben scheinen, nennt man Aerogele auch "gefrorener Rauch". Professor Mercouri Kanatzidis von der Northwestern University in Illinois bevorzugt ein anderes Bild.

    "Aerogel sieht aus wie die gefriergetrocknete Eiscreme, die die Nasa zu ihren Astronauten schickt. Es ist sehr leicht und sehr porös. Man kann es zwischen den Fingern zerbröseln. Aerogele können verschiedene Farben haben von rot bis schwarz, je nachdem, woraus sie aufgebaut sind."

    Bisher bestehen Aerogele meist aus Siliziumdioxid. Diese Oxide können Metalle aus Flüssigkeiten filtern – aber nur leichte Metalle wie Zink oder Magnesium. Den US-Chemikern ist es jetzt gelungen die luftige Festkörperstruktur aus Germanium und Schwefel aufzubauen. Diese Verbindung ist nun in der Lage, giftige Schwermetalle auszufiltern. Kanatzidis:

    "Schwere Elemente lieben es, sich an Schwefel zu binden. Wenn Quecksilber in das Aerogel gerät und das Schwefelatom findet, dann haftet es daran und ist aus der Flüssigkeit entfernt. Ein normales Aerogel mit einer Oxid-Oberfläche kann Schwermetalle nicht binden, einfach weil die schweren Elemente an Oxiden nicht haften."

    Besonders gründlich filtert die Schwefelverbindung wegen einer weiteren Rekordeigenschaft, die Aerogele auszeichnet: Sie haben durch ihre unzähligen nanometer-feinen Poren die größte innere Oberfläche aller Materialien. Kanatzidis:

    "Würde man die innere Oberfläche von nur einem Kubikzentimeter dieses Materials flach ausbreiten, dann wäre ein ganzes Fußballfeld bedeckt. Und diese ganze riesige Fläche steht zur Verfügung, um Stoffe daran zu binden."

    Die Forscher haben ihr neues Aerogel an einer mit Quecksilber verseuchten Wasserprobe getestet: Das Schwermetall wurde zu mehr als 99,99 Prozent herausgefiltert. Neben Quecksilber kann das Material auch Blei und Cadmium binden. Der Schwefel dient als Filter. Aber noch interessanter könnte für die Zukunft der andere Bestandteil des Aerogels werden: Germanium, ein Halbleiter, auf den Mercouri Kanatzidis große Hoffnungen setzt.

    "Damit könnte man ein poröses Material entwickeln, das viel mehr kann, als nur zu filtern. Es könnte Strom leiten und Licht absorbieren und eine Reihe von weiteren optischen Eigenschaften haben."

    Wenn das Aerogel Licht absorbiert, entstehen freie Elektronen, die zur Herstellung von Wasserstoff genutzt werden könnten. Aber das ist noch Zukunftsmusik. Denn zunächst müssen sich die Forscher einem ganz anderen Problem ihres neuen Werkstoffs widmen: Als eine Art Verbindungselement in der Kristallstruktur dient nämlich bisher Platin – und das ist bekanntlich sehr teuer. Aber Mercouri Kanatzidis hat die Lösung dieses Problems schon in der Schublade.

    "Wir haben die Chemie verändert und können das Platin durch billigere Elemente ersetzen. Ich darf Ihnen noch nicht sagen, welche das genau sind, aber sie werden nicht teurer sein als zum Beispiel Eisen. Das Platin leistet hier nicht die Arbeit. Der Schwefel bindet das Quecksilber. Wenn wir also das Platin ersetzen, kann das Material noch genau so gut Schwermetalle binden."

    Wie die Billigversion ihres Aerogels genau aussieht, wollen die Chemiker im Laufe des Jahres veröffentlichen. In drei bis fünf Jahren soll das erste fertige Produkt auf der Basis des neuen Schwermetallfilters auf den Markt kommen.