Studs Terkel hat als Moderator in Chicago fast ein halbes Jahrhundert lang Menschen im Radio interviewt, hat mit Prominenten genau so wie mit Unbekannten gesprochen: Fünf Tage die Woche - und das von den 1950ern bis in die 90er-Jahre hinein.
In seinem umfangreichen Archiv finden sich unter anderem Gespräche mit Louis Armstrong, Martin Luther King, Günther Grass und Maragaret Atwood. Vier Jahrzehnte lang hat Studs Terkel damit US-Radiogeschichte mit-geschrieben und ist dabei selber zur Legende geworden.
Altes Radio-Archiv trifft neue Podcast-Stimme
Und obwohl Studs Terkel seit mehr als zehn Jahren tot ist, lebt er jetzt weiter. Nicht im Radio, sondern im Podcast "Bughouse Square", benannt nach einem Park in Terkels Heimatstadt Chicago.
In diesem Podcast bekommt das alte Audio-Archiv der US-Radiolegende ein ganz neues Leben eingehaucht - vor allem durch die Autorin und Podcast-Moderatorin Eve Ewing. Sie hört sich d durch die alten Studs-Terkel-Interviews und hebt dabei echte Audio-Schätze, aus den Untiefen des Archivs. Wie beispielsweise ein Interview mit dem US-Schriftsteller James Baldwin, über seinen Roman "Eine andere Welt" und den Rassismus der 1950er-Jahre.
Was macht den Podcast "Bughouse Square" jetzt so hörenswert? Er ist kein wahlloser Griff in die Archiv-Truhe, mehr als nur die Wiederholung von alten Radiosendungen.
Mehr als ein wahlloser Griff in die Archiv-Truhe
Der Podcast gaukelt sehr liebenswert eine Gleichzeitigkeit von Radio-Archiv einerseits und Podcast andererseits vor. Die Moderatorin tut so, als würde das schon jahrzehnte-alte Baldwin-Interview von Studs Terkel jetzt gerade stattfinden - gleichzeitig mit ihren modernen Interviews, mit denen die Podcast-Moderatorin an Momente aus dem Archiv anknüpft.
Nach der Baldwin-Aufnahme bespricht sie in der ersten Podcast-Episode beispielsweise mit dem Autoren Darnell Moore, wie bis heute die Bücher schwarzer Schriftsteller von der Literaturkritik als "zu pessimistisch" beschrieben werden.
Studs Terkel: Der Großvater der Erzähl-Podcasts
Und so kann bei "Bughouse Square" dann beides leuchten: Das neue Interview und die Podcast-Moderatorin genauso wie das alte Interview und die verstorbene Radiolegende. Bei den Archiv-Interviews blitzen dann die Anteile hervor, die kaum an Aktualität verloren haben. Und die aktuell geführten Podcast-Interviews profitieren davon, Vergleiche und Bezüge zur Geschichte herstellen zu können.
Dass die Radioarbeit von Studs Terkel ausgerechnet als Podcast wiederbelebt wird, ist dabei mehr als passend: Terkel ist quasi der Großvater des US-amerikanischen Erzählpodcasts. Denn im Prinzip hat er schon damals mit seinen authentischen Radiogesprächen, mit seinem persönlich-intimen Ton genau das getan, was heute viele Menschen an Podcasts schätzen. Und: Terkel hat damit in Chicago die Grundlagen gelegt, unter anderem für die gefeierte erzählerische Radio-Sendung "This American Life" und für deren Moderator Ira Glass.
Liebens- wie hörenswerte Audio-Zeitreise
Als Studs Terkel 2008 starb, würdigte ihn Ira Glass deswegen als Wegbereiter und Vorbild - für alle, die im US-Radio ganz alltägliche Geschichten erzählen wollen. Und die mittlerweile international erfolgreiche Sendung "This American Life" wiederum war und ist prägend für die meisten US-Storytelling-Podcasts von heute.
Mit dem Podcast "Bughouse Square" schließt sich deswegen sehr hörenswert ein Kreis - von der reichen US-amerikanischen Radiogeschichte hin zur noch relativ jungen Podcast-Welt. "Bughouse Square" feiert ausgiebig und angemessen die Radiolegende Studs Terkel, sein Archiv, sein Erbe. Das macht "Bughouse Square" zu einer genauso liebens- wie hörenswerten Audio-Zeitreise.