Archiv


Reingeschaut

Lebensmittel.- Wo Bio draufsteht ist meistens auch Bio drin, oder? Nicht nur Kunden möchten sich auf die Warenauszeichnungen von Lebensmitteln verlassen können. Auch Händler wollen sichergehen, dass statt eines teuer eingekauften Qualitätsweins nicht gepanschter Fusel in den gelieferten Flaschen steckt.

Von Michael Gessat |
    "Also am Anfang bei uns steht immer die Küchenarbeit."

    Hilmar Förstels Zubereitungsweise hat eine gewisse Ähnlichkeit mit den Methoden der modernen Molekular-Gastronomie: Ob Kartoffeln, Erdbeeren oder Brokkoli: Alles wird bei ihm erst einmal zu einem hochfeinen, homogenisierten Brei oder Saft verarbeitet. Aber Hilmar Förstel ist kein Avantgarde-Koch, sondern Chemie-Professor. Und Mitgründer von "Agroisolab", 2002 als privatwirtschaftliches Dienstleistungsunternehmen aus dem Forschungszentrum Jülich ausgegliedert.

    "Eines unserer wichtigsten Arbeitsfelder ist natürlich Wasser, anhand des Wassers kann man eben sehr gut die Herkunft von Materialien bestimmen, also auch von Lebensmitteln."

    Förstel interessiert sich nicht etwa für irgendwelche Spurenelemente im Wasser, sondern für dessen Bestandteile selbst: Wasserstoff und Sauerstoff. Bei beiden gibt es nämlich Atomvarianten mit gleicher Protonenzahl, aber unterschiedlicher Neutronenzahl im Atomkern. Solche Varianten chemischer Elemente nennt man Isotope; und viele von ihnen sind radioaktiv, zerfallen also mit der Zeit.

    Die anderen, die stabilen Isotope sind dagegen normalerweise in ihrem Mischungsverhältnis konstant. Aber beim Wasser sorgt praktischerweise schon ein einfacher physikalischer Vorgang, die Verdunstung, dafür, die Moleküle mit normaler und die mit erhöhter Neutronenzahl auseinanderzuklauben.

    "Das kommt daher, dass die Isotope verschieden schwer sind. Wenn also jetzt eine Wolke startet über dem Atlantik, dann ist sie gegenüber dem Atlantik leichter in ihrer Isotopenzusammensetzung. Und wenn sie sich jetzt wiederholt abregnet, dann tut sich dieser Vorgang immer wiederholen, so dass beim Transport der Luftfeuchte also ständig eine Aufteilung der Isotope stattfindet. Die ist zwar gering, aber es ist gut messbar. So dass ich also ganz deutliche Muster habe."

    Die ortstypische Isotopen-Zusammensetzung von Wasser ist praktisch für die ganze Welt bekannt. Mit einer schon recht genauen räumlichen Auflösung; allein in Deutschland gibt es über 600 Messpunkte und Referenzwerte.

    "Ich kann also in Europa sagen, dass das Wasser vom Atlantik her Richtung Kontinent rein, also Richtung Russland, immer leichter wird. Ich kann also einen russischen Wodka deutlich von einer deutschen Spirituose unterscheiden."
    QQQHN
    Oder eben auch einen echten Montepulciano von einer aus verschiedenen Mittelmeer-Rotweinen zusammengepanschten Fälschung.

    Wie das Mischungsverhältnis von leichteren und schwereren Atomvarianten in einer konkreten Materialprobe aussieht, das bekommen die Jülicher Chemiker mit einem sogenannten Massenspektrometer heraus. Und zwar nicht nur für Sauerstoff und Wasserstoff, sondern bei Bedarf auch noch für die anderen in der Biologie wichtigen Elemente mit stabilen Isotopen: Kohlenstoff, Stickstoff und Schwefel. Denn erstens gibt es ja Produkte, die kein oder nur noch sehr wenig Wasser enthalten, wie Tabak oder Gewürze. Und zweitens lässt sich so die geografische Herkunft eines Lebensmittels noch viel genauer belegen. Die spezifische Isotopenverteilung bei Stickstoff und Schwefel ist nämlich von eng begrenzten lokalen Faktoren abhängig, bis hin zur Düngegeschichte eines ganz bestimmten Feldes. Wenn die Agroisolab-Chemiker einmal vor Ort Referenzproben genommen haben, dann können sie später Produkte einem Betrieb eindeutig zuordnen. Oder aber Fälschungen nachweisen.

    "Wir sprechen also gern von 'Isotopen-Fingerabdruck'. Das hat zwei Gründe; der eine Grund ist der, dass wir sagen, das Material wird ja, wenn es einmal gebildet ist, nicht mehr verändert, so wie ein Fingerabdruck sich auch nicht mehr verändern kann. Und das andere ist, dass wir sagen: Das ist der Abdruck der Umgebung. Wenn ich eben eine Pflanze irgendwo aufwachsen lasse, dann nimmt sie das Material aus ihrer Umgebung, oder wenn wir etwas essen, dann nehmen wir die Isotope auf. Es gibt einen schönen Spruch: Du bist, was du isst. Auch isotopenmäßig."