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Reise mit der Bahn
Wie sicher sind Klimaanlagen in den Zügen?

In den Zügen der Deutschen Bahn reisen wieder mehr Menschen. Trotzdem haben viele Fahrgäste immer noch ein ungutes Gefühl dabei. Doch das Ansteckungsrisiko ist möglicherweise kleiner als gedacht.

Von Dieter Nürnberger | 07.08.2020
Blick auf die Sitze und den Mittelgang im Inneren eines neuen ICE 4 auf dem Bahnhof Gesundbrunnen in Berlin
Können Klimaanlagen wirklich das Ansteckungsrisiko durch Aerosole senken oder gar ausschließen? (picture alliance / dpa / Wolfgang Kumm)
Überall dort, wo derzeit viele Menschen aufeinandertreffen, gelten besondere Corona-Sicherheitsregeln. Weshalb in den Zügen der Deutschen Bahn Maskenpflicht und Abstand halten gilt. Zwei Sicherheitsbausteine der Bahn, um das Vertrauen der Fahrgäste zurückzugewinnen. Der Konzern wirbt zudem mit Sauberkeit und Hygiene – und dabei spielt auch die Klimaanlage eine wichtige Rolle, so Steffen Rutsch, Bahnsprecher, zuständig für den Personenverkehr:
"Niemand muss Sorge davor haben, dass die Klimaanlage im Zug eine erhöhte Corona-Gefahrenquelle ist. Und die Haupterkenntnis ist – nachdem, was man bislang weiß – dass es zu sehr, sehr wenigen Infektionen überhaupt und weltweit in den Zügen gekommen ist. Es gibt auch eine Untersuchung der österreichischen Gesundheitsagentur und die ist ebenfalls zu dem Ergebnis gekommen, dass für den Fall Österreich in der ersten Corona-Welle öffentliche Verkehrsmittel im wesentlichen keine Rolle gespielt haben."
Coronavirus
Übersicht zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)
Viele Fahrgäste haben Bedenken
Dennoch haben nicht wenige Fahrgäste Bedenken. Können Klimaanlagen wirklich das Ansteckungsrisiko durch Aerosole senken oder gar ausschließen? Oder verteilen sie die schlechte Luft lediglich im ganzen Abteil? Die Bahn argumentiert mit Luftströmen, wichtig sei vor allem die Frischluftzufuhr: "Das ist ähnlich wie im Flugzeug, Sie haben also im ICE einen vollständigen Luftaustausch – im Schnitt alle siebeneinhalb Minuten. Unsere Züge verfügen auch über eine aktive Luftmengensteuerung. Soll heißen: Die Frischluftzufuhr im Zug erfolgt auch abhängig davon, wie viele Fahrgäste gerade im Wagon sitzen. Also: Die Luftwechselrate im Zugverkehr ist deutlich höher als etwa bei Klimaanlagen in Gebäuden."
Experten bestätigen zumindest, dass die Infektionsgefahr niedriger eingeschätzt wird, wenn die Klimaanlagen laufen. Ähnlich wie beim Lüften in geschlossenen Räumen, sei Frischluftzufuhr das wichtigste Argument. Hinzu komme, dass die verbrauchte Luft durch die Klimaanlage nicht noch im Raum verwirbelt werde. Markus Hecht ist Leiter des Fachgebiets Schienenfahrzeuge am Institut für Land- und Seeverkehr an der technischen Universität Berlin: "Die Klimaanlagen verbessern auf jeden Fall die Situation. Aber, ob das hinreichend ist – das ist die Hoffnung. Aber es ist noch nicht voll gesichert. Das muss also unbedingt untersucht werden."
Andere Bedingungen als in Flugzeugen
Erst in dieser Woche schrieb das Bundesverkehrsministerium über das Eisenbahnbundesamt einen Forschungsauftrag aus, der in den kommenden Monaten Klarheit bringen soll. Die Deutsche Bahn verweist auf das effektivere Absaugen der Luft in ihren Zügen - ein Prinzip, welches unabhängig von der Baureihe gelte. Als Filter der Klimaanlagen werden G4-Filter verwendet. Doch die sind relativ grobmaschig, also nicht Virus-geeignet. In Flugzeugen werden beispielsweise die deutlich besseren Hepa-Filter verwendet. Für die Deutsche Bahn sind diese jedoch nicht praktikabel, so Bahnsprecher Steffen Rutsch. Die Luft in 10.000 Metern Höhe sei eine andere als am Boden:
"Sie haben im Prinzip sterile Außenluft, da sind keine Pollen, keine Staubpartikel – also nichts, was die Filter schnell dichtwerden lässt. Das ist bei Zügen am Boden natürlich anders: Da wird je nach Jahreszeit eine Menge an Partikeln mit aufgesaugt, besonders durch den hohen Frischluftanteil."
Sprich: Die Hepa-Filter würden zu schnell verstopfen. Die Deutsche Bahn hält ihre Züge trotz weiteren Forschungsbedarfs für weitgehend sicher. Zusammen mit der Berliner Charité würden beispielsweise auch die Infektionszahlen bei Mitarbeitern getestet. Das bisherige Ergebnis: Die Ansteckungsquote von Zugbegleitern und Co. liege unter dem Bevölkerungsdurchschnitt. Das alles beruhigt – beispielsweise auch Karl-Peter Naumann vom Fahrgastverband Pro Bahn: "Nachdem, was wir wissen, geht von Bahnreisen bisher keine Gefahr aus. Es gibt also keine Daten, die irgendetwas bestätigen, dass hier effektiv etwas passiert wäre. Natürlich aber sollte man vorsichtig sein und das Tragen der Maske ist da schon ein ganz wichtiger Punkt. Man hat uns also gesagt, dass das von den Filtern her einwandfrei ist. Und wir wissen, dass eine Studie geplant ist. Das ist das Entscheidende – das man das herausbekommt."
Fazit: Der Aussage der Bahn, wonach die Klimaanlagen in den Zügen die Ansteckungsgefahr mindern, kann bislang wissenschaftlich nicht widersprochen werden. Für die Fahrgäste sicherlich eine gute Nachricht.