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Reise um die Welt in vier Stunden

Technik. - Nach dem Aus für den Überschallflieger Concorde sah es so aus, als ob die Pläne für moderne Überschallflugzeuge nur Utopie seien. Doch das täuscht. Mit langsamen aber steten Schritten tasten sich Forscher und Ingenieure an seine Verwirklichung heran. Wie weit man schon gekommen ist, darüber diskutieren Experten diese Woche bei einer internationalen Konferenz über Hyperschall-Fliegerei in Bremen.

Von Ralf Krauter |
    Höher, schneller, weiter - das sind die Verlockungen der Hyperschall-Fliegerei. Während die 2003 stillgelegte Concorde gerade mal mit zweifacher Schallgeschwindigkeit über den Atlantik raste, sollen künftige Hyperschall-Jets mehr als doppelt so schnell unterwegs sein. Mach 5 und darüber, so lautet das Ziel der Entwickler. Es als ambitioniert zu bezeichnen, wäre noch untertrieben. Die technischen Herausforderungen sind enorm. Doch das scheint nur wenige abzuschrecken. Weltweit wird seit Jahren viel Geld in die Forschung gesteckt. Die treibende Kraft ist wie fast immer in dieser Szene das Militär, erklärt Russell Boyce, Professor an der Universität Queensland in Australien.

    "Man braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, warum Militärs gerne Flugzeuge oder Raketen hätten, die mit Mach 5 und schneller fliegen. Aber es gibt auch zivile Anwendungen. Eines Tages könnten vielleicht auch Passagiere und Fracht mit Hyperschall um den Globus reisen. Außerdem ist die Technologie der Schlüssel für zuverlässigeren und preiswerteren Zugang zum Weltraum. Hyperschall-Flieger mit neuartigen Triebwerken, sogenannten Scramjets bieten einen Weg, das zu erreichen."

    Scramjets sind das Herzstück der Hyperschalltechnologie. Denn wer mit dem Fünf-, Acht- oder Zehnfachen der Schallgeschwindigkeit unterwegs sein will, braucht Triebwerke, die dieses Tempo mitmachen. Weil Scramjets ganz ohne bewegliche Teile auskommen, sind sie prädestiniert dafür. Im Prinzip bestehen die Hyperschall-Motoren nur aus einem sich verjüngenden Luftschacht, in den Treibstoff eingespritzt wird. Weil sich die mit Tausenden Stundenkilometern einströmende Luft stark erhitzt, verbrennt der Treibstoff und erzeugt so Schub und Feuerschweif wie bei einer Rakete.


    "Scramjets sind konzeptionell sehr simpel, aber der Teufel steckt im Detail. Die Luft strömt so schnell durch den Schacht, dass es extrem schwierig ist, den Treibstoff kontrolliert zu verbrennen. Gelingt es doch, erhitzt sich das Triebwerk in der Regel so stark, dass es sich im Nu selbst zerstört."

    Klingt nach einem Himmelfahrtskommando. Doch 2002 demonstrierten die Forscher von der Uni Queensland weltweit erstmals, dass sich solch ein Scramjet-Triebwerk nicht nur im Überschall-Windkanal am Boden zünden lässt, sondern auch während eines Testflugs. 2004 zog die US-Weltraumbehörde Nasa nach und schaffte mit ihrem Experimentalflugkörper X-43 einen neuen Geschwindigkeitsweltrekord: Mach 10, das entspricht etwa 11 000 Kilometern pro Stunde. Frankfurt-Sydney in zwei Stunden schien auf einmal machbar. Allerdings nur im Prinzip. Denn wegen Überhitzungsgefahr lief der Motor damals nur 20 Sekunden. Neue Tests mit einer gekühlten Scramjet-Variante, die fünf Minuten durchhalten soll, plant die US-Luftwaffe in wenigen Wochen.

    In Kooperation mit den USA hat auch Australien ein ambitioniertes Flugtestprogramm ins Leben gerufen. Insgesamt zehn Flugversuche sind geplant, die grundlegende wissenschaftliche Aspekte der Hyperschall-Fliegerei analysieren sollen - Aerodynamik, Antriebstechnik, Materialentwicklung und so weiter, erklärt Russell Boyce.

    "Die australische Regierung hat dieses Jahr beschlossen, mehr Geld in die Raumfahrttechnik zu investieren. Und zwar in jenen Bereichen, in denen wir in der Forschung weltweit führend sind. Die Hyperschall-Technologie zählt dazu. Das eröffnet uns neue Möglichkeiten."

    Während in den USA superschnelle Marschflugkörper und Kampfflugzeuge im Fokus stehen, will man in Australien auch den zivilen Nutzen betonen. Wie andere Experten auch ist Russell Boyce überzeugt: Mit einer Kombination aus einem Hyperschall-Flieger und einer kleinen Rakete ließen sich kleine Satelliten viel billiger in die Umlaufbahn transportieren als heute. Der Luft atmende Scramjet könnte einen den Großteil jener Arbeit übernehmen, die bis dato große Trägerraketen leisten. Und im Gegensatz zu denen wäre er wieder verwendbar. Natürlich ist es bis dahin noch ein weiter Weg, räumt der Professor aus Queensland ein. Aber: Wir versuchen es.