" Wir haben genügend Beweise dafür, dass die Operation schon vor Monaten oder Jahren außerhalb der Grenzen Usbekistans vorbereitet wurde, und es gibt einige Leute, die gerade aussagen. Morgen wird man hören, was sie zu sagen haben."
Der usbekische Staatschef Islam Karimov nach den Unruhen in der Stadt Andijan, im Mai dieses Jahres. Trotz seines Vornamens verfolgt der ehemalige KP-Spitzenfunktionär unbarmherzig jede Art von Opposition, egal ob religiös oder weltlich begründet. Karimov ist wohl der Politiker, der Peter Böhms Buchtitel "Tamerlans Erben" am nächsten kommt. Denn er hat nicht nur den blutrünstigen Eroberer Tamerlan aus dem 14. Jahrhundert zur nationalen Symbolfigur erhoben, er sieht in ihm offenbar auch ein persönliches Vorbild.
In Zentralasien - so lautet Böhms Botschaft - hat der politische Islam keine Chance. Das Feld beherrschen stattdessen postsowjetische Alleinherrscher wie Karimov mitsamt ihren Familienclans, die den Staat als Beute betrachten und dabei sowjetisches und orientalisches Erbe miteinander verbinden.
Als die früheren Sowjetrepubliken Turkmenistan, Usbekistan, Tadschikistan, Kirgisien und Kasachstan Anfang der neunziger Jahre unabhängig wurden, nutzten die meisten regionalen Parteichefs diese Chance, um die Macht an sich zu reißen. Kirgisien spielte bisher die Rolle des liberalen Außenseiters. Doch auch sein Präsident, der Physiker Askar Akajev, erschien zunehmend selbstherrlich und korrupt. Als er im März dieses Jahres von einem Volksaufstand vertrieben wurde, erwachte für einen Moment die Hoffnung auf einen demokratischen Wandel in Zentralasien.
Kirgisiens so genannte "Tulpenrevolution" hat jedoch alle Erwartungen enttäuscht. Die demokratischen Kräfte erwiesen sich als zu schwach, Clan-Egoismus und kriminelle Elemente gewannen die Oberhand. Ein stabiles politisches System ist deshalb nicht entstanden, und das Land versinkt immer tiefer im Chaos.
Leider werden diese politischen Veränderungen von Böhm nur gestreift. Der Autor hat in den vergangenen Jahren von der usbekischen Hauptstadt Taschkent aus für Zeitungen und Rundfunk berichtet. Deshalb liegt sein Hauptgewicht deutlich auf seinem Gastland.
Zu Usbekistan gehört auch das dicht besiedelte Ferghana-Tal mit seinen Märkten und Basaren.
Hier, in der Stadt Andijan, scheiterte im Mai eine offene Rebellion gegen das Regime Karimov. Ausgelöst wurden die Proteste offenbar durch die willkürliche Festnahme lokaler Geschäftsleute. Eine Gruppe Bewaffneter stürmte daraufhin den Verwaltungssitz im Stadtzentrum und lieferte sich Gefechte mit den Ordnungshütern. Später weitete sich die Aktion zu einer Massenkundgebung aus. Militär und Polizei eröffneten das Feuer, mehrere hundert Demonstranten starben angeblich im Kugelhagel. Karimovs Erklärung folgte den Regeln der klassischen Verschwörungstheorie:
" Von dem, was über die jüngsten Ereignissen in der Region an die Oberfläche gelangt ist, handelt es sich nur - ich wiederhole nur - um einzelne Punkte eines großen geostrategischen Plans."
Böhm gelingt eine lesenswerte Darstellung des Geschehens. Wie in den meisten anderen Berichte und Reportagen in diesem schmalen, 180 Seiten zählenden Band bleibt jedoch auch dies eine Momentaufnahme, wirft er nur ein kurzes Schlaglicht auf Probleme, die über längere Zeit herangewachsen sind. Der Leser erhält mit Böhms Buch so etwas wie eine Packung bunter Mosaiksteine in die Hand, die am Ende aber kein zusammenhängendes Bild ergeben. Leider gehört auch sprachliche Brillanz nicht unbedingt zu den Stärken des Autors.
Armut und Umweltzerstörung werden immerhin erwähnt. Dies sind die beiden Grundübel, die Mittelasien - wie Böhm zu Recht schreibt - in eine politische Zeitbombe verwandeln. Ein Ventil, durch das der angestaute Druck eines Tages entweichen könnte, ist möglicherweise doch der politische Islam. Das gilt vor allem für Usbekistan, das Land mit den tiefsten islamischen Wurzeln in Zentralasien. Auch wenn sie derzeit in den Untergrund gedrängt sind, versuchen Islamisten dort schon seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion aktiv zu werden.
Unbeachtet lässt der Autor die Versuche der Großmächte, ihre Interessen in der Region durchzusetzen. Russland, China und die meisten zentralasiatischen Staaten haben sich in der "Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit" zusammengeschlossen. Dieses Bündnis soll islamistischen Aktivitäten einen Riegel vorschieben und zugleich den Vormarsch der USA in der Region stoppen.
Der Autor verzettelt sich in einer detaillierten Darstellung des bizarren Personenkults, den Turkmenenchef Nijasow seinen Untertanen verordnet hat. Nijasow - eine Art Ghaddafi für Arme - ist mit seinem Größenwahn weder originell, noch kann er neue Einsichten vermitteln. Er bestätigt allenfalls die These, das der Öl- und Gasreichtum eines Landes nicht unbedingt der Bevölkerung zugute kommt.
Klaus Belde war das - zu: Peter Böhm: "Tamerlans Erben. Zentralasiatische Annäherungen", Picus Verlag, Wien. - 185 Seiten zum Preis von 14,90 Euro.
Der usbekische Staatschef Islam Karimov nach den Unruhen in der Stadt Andijan, im Mai dieses Jahres. Trotz seines Vornamens verfolgt der ehemalige KP-Spitzenfunktionär unbarmherzig jede Art von Opposition, egal ob religiös oder weltlich begründet. Karimov ist wohl der Politiker, der Peter Böhms Buchtitel "Tamerlans Erben" am nächsten kommt. Denn er hat nicht nur den blutrünstigen Eroberer Tamerlan aus dem 14. Jahrhundert zur nationalen Symbolfigur erhoben, er sieht in ihm offenbar auch ein persönliches Vorbild.
In Zentralasien - so lautet Böhms Botschaft - hat der politische Islam keine Chance. Das Feld beherrschen stattdessen postsowjetische Alleinherrscher wie Karimov mitsamt ihren Familienclans, die den Staat als Beute betrachten und dabei sowjetisches und orientalisches Erbe miteinander verbinden.
Als die früheren Sowjetrepubliken Turkmenistan, Usbekistan, Tadschikistan, Kirgisien und Kasachstan Anfang der neunziger Jahre unabhängig wurden, nutzten die meisten regionalen Parteichefs diese Chance, um die Macht an sich zu reißen. Kirgisien spielte bisher die Rolle des liberalen Außenseiters. Doch auch sein Präsident, der Physiker Askar Akajev, erschien zunehmend selbstherrlich und korrupt. Als er im März dieses Jahres von einem Volksaufstand vertrieben wurde, erwachte für einen Moment die Hoffnung auf einen demokratischen Wandel in Zentralasien.
Kirgisiens so genannte "Tulpenrevolution" hat jedoch alle Erwartungen enttäuscht. Die demokratischen Kräfte erwiesen sich als zu schwach, Clan-Egoismus und kriminelle Elemente gewannen die Oberhand. Ein stabiles politisches System ist deshalb nicht entstanden, und das Land versinkt immer tiefer im Chaos.
Leider werden diese politischen Veränderungen von Böhm nur gestreift. Der Autor hat in den vergangenen Jahren von der usbekischen Hauptstadt Taschkent aus für Zeitungen und Rundfunk berichtet. Deshalb liegt sein Hauptgewicht deutlich auf seinem Gastland.
Zu Usbekistan gehört auch das dicht besiedelte Ferghana-Tal mit seinen Märkten und Basaren.
Hier, in der Stadt Andijan, scheiterte im Mai eine offene Rebellion gegen das Regime Karimov. Ausgelöst wurden die Proteste offenbar durch die willkürliche Festnahme lokaler Geschäftsleute. Eine Gruppe Bewaffneter stürmte daraufhin den Verwaltungssitz im Stadtzentrum und lieferte sich Gefechte mit den Ordnungshütern. Später weitete sich die Aktion zu einer Massenkundgebung aus. Militär und Polizei eröffneten das Feuer, mehrere hundert Demonstranten starben angeblich im Kugelhagel. Karimovs Erklärung folgte den Regeln der klassischen Verschwörungstheorie:
" Von dem, was über die jüngsten Ereignissen in der Region an die Oberfläche gelangt ist, handelt es sich nur - ich wiederhole nur - um einzelne Punkte eines großen geostrategischen Plans."
Böhm gelingt eine lesenswerte Darstellung des Geschehens. Wie in den meisten anderen Berichte und Reportagen in diesem schmalen, 180 Seiten zählenden Band bleibt jedoch auch dies eine Momentaufnahme, wirft er nur ein kurzes Schlaglicht auf Probleme, die über längere Zeit herangewachsen sind. Der Leser erhält mit Böhms Buch so etwas wie eine Packung bunter Mosaiksteine in die Hand, die am Ende aber kein zusammenhängendes Bild ergeben. Leider gehört auch sprachliche Brillanz nicht unbedingt zu den Stärken des Autors.
Armut und Umweltzerstörung werden immerhin erwähnt. Dies sind die beiden Grundübel, die Mittelasien - wie Böhm zu Recht schreibt - in eine politische Zeitbombe verwandeln. Ein Ventil, durch das der angestaute Druck eines Tages entweichen könnte, ist möglicherweise doch der politische Islam. Das gilt vor allem für Usbekistan, das Land mit den tiefsten islamischen Wurzeln in Zentralasien. Auch wenn sie derzeit in den Untergrund gedrängt sind, versuchen Islamisten dort schon seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion aktiv zu werden.
Unbeachtet lässt der Autor die Versuche der Großmächte, ihre Interessen in der Region durchzusetzen. Russland, China und die meisten zentralasiatischen Staaten haben sich in der "Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit" zusammengeschlossen. Dieses Bündnis soll islamistischen Aktivitäten einen Riegel vorschieben und zugleich den Vormarsch der USA in der Region stoppen.
Der Autor verzettelt sich in einer detaillierten Darstellung des bizarren Personenkults, den Turkmenenchef Nijasow seinen Untertanen verordnet hat. Nijasow - eine Art Ghaddafi für Arme - ist mit seinem Größenwahn weder originell, noch kann er neue Einsichten vermitteln. Er bestätigt allenfalls die These, das der Öl- und Gasreichtum eines Landes nicht unbedingt der Bevölkerung zugute kommt.
Klaus Belde war das - zu: Peter Böhm: "Tamerlans Erben. Zentralasiatische Annäherungen", Picus Verlag, Wien. - 185 Seiten zum Preis von 14,90 Euro.