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Reisemesse CMT in Stuttgart
Von Flugscham ist bisher wenig zu spüren

Nachhaltigkeit spielt zwar eine immer größere Rolle im Reiseverhalten, für die meisten Touristen ist es aber nicht das entscheidende Kriterium, wie eine wissenschaftliche Untersuchung gezeigt hat. Die Reiselust der Deutschen ist ungebrochen, die Branche wächst weiter.

Von Thomas Wagner | 10.01.2020
Eine Frau steht auf einem Felsen und schaut ins Meer
Die Reiselust der Deutschen ist ungebrochen. Im vergangenen Jahr wurden 71 Millionen Reisen unternommen. (imago images / Westend61)
Da tritt er wieder mal zutage - der Unterschied zwischen Anspruch und Wirklichkeit: "Umwelt ist mir wichtig - das ist eine Einstellung. In den Ferien will ich in die Sonne kommen und meinen Kinder etwas Gutes tun, wäre jetzt das Motiv, was mich zu einer bestimmten Reise treibt."
Will heißen: Verständnis für die Umwelt, die grundsätzlich Bereitschaft, sich umweltschonend zu verhalten - das alles bringen immerhin nach einer Erhebung des Kieler Institutes für Tourismus- und Bäderforschung 56 Prozent aller Urlaubsreisenden in ihre Überlegungen ein. Nur: Dann geht es ans konkrete Buchen einer Reise.
Steigende Tourismuszahlen
"Wir wissen, dass vier Prozent bei ihrer Urlaubsreise Nachhaltigkeit zum entscheidenden Kriterium machen und rund 73 Prozent darauf nicht wesentlich achten, bei ihren Urlaubsreisen. Das bedeutet jetzt aber nicht, dass sie sich jetzt alle wie die Umweltschweine verhalten. Das schließt aber ein, dass sie anderen Kriterien den Vorzug gegeben haben", so Institutsleiter Professor Martin Lohmann im Vorfeld der Reisemesse CMT in Stuttgart.
Aus seinen Erhebungen geht auch hervor: Die Reiselust der Deutschen ist ungebrochen. Sie gaben der aktuellen Reiseanalyse zufolge im vergangenen Jahr rund 73 Milliarden Euro für Urlaubsreisen aus, drei Prozent mehr als 2018. Obgleich die Zahl der Flugreisen trotz aller Flugschamdiskussion um 1,8 Prozent zugenommen hat, zieht es die meisten Urlaubsreisenden hierzulande gar nicht einmal so weit weg:
"Sie reisen in erster Linie mal innerhalb Deutschlands. Ein knappes Drittel aller Urlaubsreisenden bleibt im eigenen Land, vor allem an den Küsten und in die Berge."
Argumente für Fernreisen
Und selbst die bevorzugten Auslandsziele liegen immerhin noch auf demselben Kontinent.
"Dann haben wir unter den Auslandszielen Spanien, Italien, Türkei, Österreich als die wichtigsten. Fernreisen spielen zwar eine wachsende Rolle, sind aber trotzdem immer noch auf einem Niveau von acht Prozent aller Urlaubsreisen."
Während ökologische Gründe eher gegen eine Steigerung des Fernreiseanteils sprechen mögen, gibt es nach Ansicht von Hanna Kleber, Präsidentin des Corps Touristique, eine Vereinigung der in Deutschland vertretenen ausländischen Tourismusorganisationen, aber auch Argumente, die für solche Fernreisen beispielsweise nach Asien oder nach Afrika sprechen:
"Ein Tourist schafft acht Arbeitsplätze. An diesen acht Arbeitsplätzen hängen natürlich wieder 20 Familien dran. Und man schafft eine gute Völkerverständigung."
Pauschalreisen weiter gefragt
Ob's nun weiter weg oder irgendwo nach Europa geht: Pauschalreisen sind nach wie vor sehr stark gefragt. Daran ändert auch die Pleite des großen britischen Pauschalreiseanbieters Thomas Cook mit seinen deutschen Tochterunternehmen wenig, so Reisefachmann Martin Lohmann.
"Trotzdem hat das insgesamt die Einstellung zu Pauschalreisen und Bausteine-Reisen, also zu den Leistungen von Veranstaltern, keine negativen Effekte gehabt."
Sorgen machen sich allerdings diejenigen, die Reisen in den Nahen Osten anbieten. Nach der Tötung eines iranischen Generals durch die Vereinigten Staaten und nach dem Absturz einer ukrainischen Passagiermaschine, der auch ein Abschuss gewesen sein könnte, dürfte das nach Einschätzung von Martin Lohmann auch Auswirkungen auf den Tourismus haben.
"Iran ist eine Geschichte, weil in den vergangenen fünf Jahren durch eine Öffnung gegenüber dem Westen, es da eine Reihe von Tourismus gab. das wird jetzt sicher wieder ein wenig zurückgehen. Jemand, der sich für eine Reise in den Iran oder nach Jordanien, den Libanon oder Israel begeistern könnte, hat noch so viele andere Sachen auf dem Zettel, dass er mühelos zwei drei Jahre darauf verzichten kann, etwas anderes besucht und dann beispielsweise wieder den Iran besucht."