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Reisen ohne Aufzutanken

Raumfahrt. - Der jetzt gestartete europäische Satellit Goce wird von Ionentriebwerken auf seiner Bahn gehalten. Im Vergleich zu einem klassischen Triebwerk benötigt ein Ionentriebwerk für den gleichen Impuls nur die Hälfte des Treibstoffeinsatzes. Das macht die Antriebstechnik interessant vor allem für bemannte Flüge zum Mars.

Von Guido Meyer |
    "Stellen Sie sich vor, Sie steigen in Ihr Auto und fahren von hier aus nach Südfrankreich. Auf ihrem Weg werden Sie oft anhalten müssen, um Ihren Tank aufzufüllen. Mit elektrischem Antrieb würden Sie einen Liter tanken, in die Provence und zurück fahren."

    Edgar Choueiri ist Direktor des Programms für elektrische Antriebe und Plasmadynamik an der Princeton University, die sich mit der Entwicklung von Ionentriebwerken beschäftigt. Sie verbrennen keinen Treibstoff, sondern ionisieren ein mitgeführtes Gas. Das so entstehende Plasma wird von Elektroden beschleunigt und strömt aus – fertig ist der stetige Vorwärtsschub des Raumschiffs. Ihren Strom beziehen die Triebwerke über Solarzellen oder Nuklearbatterien.

    "Chemische Antriebe verlangen eine Unmenge an Brennmaterial, das Sie zunächst in eine Erdumlaufbahn schaffen müssen, ehe Sie damit zum Mars fliegen können. Verwenden Sie statt dessen ein Gas als Treibstoff, können Sie fünfzigmal weniger davon mitführen. Die Rakete würde billiger und effizienter werden und eine Reise zum Mars überhaupt erst ermöglichen."

    Mit herkömmlichen Raketen würde die Hin- und Rückreise zum Mars etwa drei Jahre dauern. Die meiste Zeit beansprucht dabei allerdings nicht der Flug durchs All selbst, denn am Ziel angekommen heißt es warten, bis die Erde wieder nahe genug steht und der Trip heimwärts mit dem verbliebenen Treibstoff möglich ist.

    "Nur dann ist es möglich, zum Mars zu fliegen auf konventionellem Wege, wenn man am Mars zum Beispiel fast zwei Jahre wartet, bis ein Rückflugfenster sich öffnet, dass man wieder zurückkehren kann zur Erde. Dadurch wird dann die Marsmission sehr inflexibel. Man kann auch nicht unterwegs abbrechen. Wenn man zum Beispiel auf dem Weg zum Mars feststellt, dass das Raumfahrzeug nicht mehr richtig funktioniert, dann muss man weiterfliegen zum Mars, muss dort sehen, wie man quasi diese zwei Jahre überlebt im Orbit, bevor man eventuell nach Reparaturen einen Rückflug anfangen kann."

    Wolfgang Seboldt vom Institut für Materialphysik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln. Wie sehr chemische Triebwerke ein Raumschiff dazu zwingen, seinen einmal eingeschlagenen Kurs durchzuhalten, hat die Unglücksmission Apollo 13 im Jahr 1970 bewiesen. Die Mannschaftskapsel musste nach einer Explosion an Bord erst einmal um den Mond herum fliegen, ehe die Astronauten zurückkehren konnten zur Erde.

    "Elektrische Triebwerke haben diesen Nachteil nicht. Da ist es in der Tat möglich, durch diese große Effizienz der Treibstoffumwandlung in Schub, dass man unterwegs den Transfer zum Mars, den Flug, abbrechen kann, wenn irgendwas im medizinischen Bereich zum Beispiel passiert und wieder zur Erde zurückkehren kann, dass man jederzeit am Mars ein Rückkehr-Startfenster hat, um zur Erde zurückzukehren. Und damit wird natürlich eine solche Mars-Mission wesentlich sicherer und flexibler. Nachteil ist, dass man riesige Solaranlagen braucht oder nukleare Reaktoren."

    Bei bemannten Missionen sind elektrische Antriebe noch nie erprobt worden. Um die dreijährige Dauer einer Rundreise zum Mars zu verkürzen, experimentiert die amerikanische Raumfahrtbehörde Nasa derzeit mit einer Mischung aus elektrischen und nuklearbetriebenen Triebwerken, die aber noch nicht einsatzbereit ist. Der von der Nasa fest ins Auge gefasste Flug zum Mars wäre aber ideal, um diese Reisemöglichkeit erstmals für Astronauten einzusetzen.

    "Ich halte es für ein bisschen problematisch, beim ersten Flug zum Mars gleich das Risiko eines zweijährigen Aufenthalts am Mars auf sich zu nehmen. Das kann man später sicher machen, aber am Anfang wird man froh sein, wenn man dort gelandet ist und vielleicht nach einem Monat zurückkehren kann. Und das kann man mit chemischen Antrieben nicht."