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Reisen zu Gott

Ein neuer Studiengang an der "Bicocca", der angesehensten Universität Mailands, sucht in Europa seinesgleichen: "Religiöser Tourismus". Die Pilgerreise, der Aufbruch um des Glaubens willen soll in all seinen Dimensionen ergründet werden: historisch, soziologisch, ökonomisch, religiös und politisch.

    In Italien ist das Phänomen des religiösen Tourismus seit einigen Jahren zu einem bedeutenden Wirtschaftzweig geworden. Rund 35 Prozent aller Italiener begeben sich mindestens einmal im Jahr auf Pilgerreise. Etwa 125 Millionen Euro werden in diesem Bereich jährlich umgesetzt. Darum wächst der Bedarf an Historikern und Managern. Mögliches Arbeitsgebiet: Die Organisation von Pilgerreisen für den Vatikan. Dieses Geschäft möchte der Zwergstaat künftig ausbauen, doch dazu braucht es qualifiziertes Personal. In Mailand will man diese Fachkräfte ausbilden, sie werden drei Jahre lang von Geistlichen und Laien unterrichtet. Da es sich beim religiösen Tourismus in Europa um ein katholisches Phänomen handelt, ist es nur verständlich, wenn die geistlichen Dozenten allesamt Priester der römischen Kirche sind. Die Bicocca möchte aber nicht nur italienische Interessenten für das neue Fach gewinnen. Nach bestandenem Sprachtest können sich auch ausländische Studenten einschreiben.

    Dass die Pilgerreise nicht längst schon Gegenstand der Forschung ist, finden Fachleute wie Carlo Franceschini, Tourismusforscher an der Bicocca, unbegreiflich: "Das Reisen ist immer schon ganz wichtig gewesen für die christliche Welt. Im Mittelalter zum Beispiel, als Jerusalem und Bethlehem unter arabischer Herrschaft standen. Da nahm man sogar lebensgefährliche Reisen auf sich, nur um diese heiligen Orte zu erreichen. Das ist eines der Themen, mit denen wir uns beschäftigen werden."