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Rekordverdächtige Rollstühle

Technik. - In Karlsruhe findet vom 10. bis zum 12. Mai die REHAB 2007 statt, eine der größten Fachmessen rund um das Themenfeld "medizinische Rehabilitation". Mobilität steht dabei im Mittelpunkt, genauer: Rollstühle. Mittlerweile gibt es eine breite Palette dieser für Behinderte unersetzlichen Hilfsmittel: Kleine und große, elektronisch gesteuerte und individuell anpassbare, für Sportler im Handbetrieb und Schwerstbehinderte mit Elektromotor.

Von Mirko Smiljanic | 11.05.2007
    Messe Karlsruhe, Halle 1, Rollstühle so weit das Auge reicht. Nicht irgendwelche, sondern Hightech-Geräte. Die REHAB hat sich als Leistungsschau für Rollstühle etabliert. Und weil Kleckern auch in dieser Branche nicht angesagt ist sondern Klotzen, greifen die Marketingstrategen verbal auch schon mal in die Vollen. Bischoff & Bischoff, ein Rollstuhlhersteller aus Karlsbad, hat seine Neuentwicklungen schlicht "Revolution" genannt:

    "Schlicht und ergreifend Revolution, weil er bei aktiven Rollstühlen auch tatsächlich eine Revolution darstellt","

    sagt Rolf Vermaßen, Entwicklungschef der Firma Bischoff & Bischoff. Rollstühle werden üblicherweise für den Behinderten maßgescheidert produziert. Das bedeutet, dass der Rollstuhl ersetzt werden muss, sobald sich die Maße des Nutzers ändern. Das ist teuer und nicht notwendig, sagten sich die Karlsbader Ingenieure und entwickelten einen individuell anpassbaren Rollstuhl. Vermaßen:

    ""Das Kernteil dieses Stuhles stellt eine teleskopierbare Kreuzstrebe dar, und zwar sehen Sie dieses Kreuz mit Außen- und Innenteleskopen, sie können diesen Stuhl mit Breiten von 32 bis 46 Zentimeter verstellen und somit an jedes Patienten-Maß anpassen."

    Der Rahmen und alle anderen tragenden Teile sind aus Aluminium gefertigt, das Gewicht liegt inklusive Räder bei 10,6 Kilogramm – was ebenfalls einer Revolution gleich kommt. Die Norm gibt sich bei Aktivrollstühlen mit 13 Kilogramm ohne Räder zufrieden. Alle Radlager bestehen aus hochwertigen Materialen, je geringer der Rollwiderstand, desto besser. Gleiches gilt für die Bereifung: Kein schlichtes Gummi, sondern Reifen, wie sie auch auf Tour-de-France-Räder gezogen werden. Vermaßen:

    "Der hat zwischen sechs und sieben Atü, also man hat es schwer, an der Tankstelle die entsprechenden Bar zur Verfügung gestellt zu bekommen."

    Mit diesem Problem haben auch die Nutzer von Sunrise-Medical-Produkten zu kämpfen, einem Rollstuhlhersteller aus Heidelberg, der sich auf Sportgeräte spezialisiert hat. Zum Beispiel Liegefahrräder, bei denen Behinderte die Beine durch ihre Arme ersetzen: Sie kurbeln sich und das Fahrrad nach vorne. Auch hier gilt: Je leichter, desto besser: Absolute Renner sind Rahmen aus Kevlar, deren Preise sich allerdings in Regionen bewegen, bei denen Krankenkassen-Mitarbeiter vor Schreck erstarren – falls die Kasse zu solchen Geräten überhaupt noch etwas zuschießt. Alle anderen Komponenten werden von Fahrrädern übernommen, unter anderem Bremsen und Kettenschaltungen:

    "Das ist die Shimano XS 9, und die hat dann einen Griff, den man drehen kann, man kann das vielleicht jetzt hören, dass ich während des Fahrens im Prinzip schalten kann."

    Jürgen Geider, Entwicklungschef bei der Firma Sunrise Medical, Heidelberg. Hightech vom Feinsten bietet Sunrise Medical auch bei Elektrorollstühlen, die mittlerweile so aufwändig gestaltet sind, dass sie inklusive Verdeck als kleines Auto durchgehen könnten. Geider:

    "Dieser Stuhl, den wir hier gerade haben, hat standardmäßig schon eine Umweltsteuerung mit eingebaut, wo sie, wenn sie zuhause sind, den Fernseher einschalten kann, die Heizanlage, das Fenster öffnen, im Prinzip ist es ein kleiner Computer, wo man mit einer Bewegung mit einem Joystick verschiedene Module anwählen kann sich selbstständig im Raum bewegen kann."

    In diesem Bereich, sagt Jürgen Geider, wird es in den kommenden Jahren die meisten Veränderungen geben. Ingenieure arbeiten an Rollstühlen mit serienmäßig eingebauten Kommunikations-Komponenten: Mobilfunk und Navigationssysteme sind ebenso selbstverständlich, wie Schnittstellen zur dann ebenfalls intelligent vernetzten Wohnung.