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Rekordverlust der Deutschen Bahn
Corona-Strategie der DB stößt auf Widerstand

Trotz schwacher Auslastung will die Deutsche Bahn am regulären Fahrplan festhalten, pandemiebedingt sogar mit deutlich mehr Zügen, damit Fahrgäste Abstandsregeln einhalten können. Den Rekordverlust soll der Bund ausgleichen. Allerdings könnte es sein, dass sich die EU-Kommission querstellt.

Von Sebastian Engelbrecht | 25.11.2020
Ein Zug im Abendhimmel.
Peter Westenberger vom Netzwerk Europäischer Eisenbahnen fordert statt einseitiger Milliardensubventionen für die DB „wettbewerbsneutrale Hilfen“ für alle Bahn-Unternehmen (picture-alliance/Geisler-Fotopress)
Die Bahn hält an ihrem Rezept fest: Sie erhöht ihre Kapazitäten, damit Ansteckungen in Zügen vermieden werden. Um mehr Abstand zwischen den Reisenden zu ermöglichen, soll die Sitzplatzkapazität im Fernverkehr weiter erhöht werden – um mehr als 20 Millionen sogenannte "Platzkilometer" pro Tag. So steht es in einer Bund-Länder-Vorlage, über die heute in Berlin beraten werden soll. Das Papier liegt der Nachrichtenagentur Reuters vor. Schon im September hatte Berthold Huber, Vorstand für Personenverkehr der Bahn, die Corona-Strategie des Unternehmens erläutert.
"Wir rechnen nicht damit (…), dass die relative Auslastung massiv steigen wird, weil wir parallel 13.000 Sitzplätze ins System einführen. Insofern war es immer unser Ziel, während der ganzen Pandemie möglichst viel Kapazität zur Verfügung zu stellen, auch bei wenigen Fahrgästen. Das wird auch sozusagen das Leitbild der Zukunft sein."
Ein ICE der Deutschen Bahn fährt an einem blühenden Rapsfeld vorbei. 
Bilanz für 2019 - Was wird aus dem Aufbruch bei der Bahn?
Steigende Fahrgastzahlen, verbesserte Pünktlichkeit, Modernisierung des Schienennetzes: Doch mit der Coronakrise ist unklar, was aus der Aufbruchstimmung bei der Bahn wird. Die langfristigen Auswirkungen sind nicht absehbar.
Keine Reservierungspflicht geplant
Bund und Länder planen zudem, die Reservierbarkeit von Sitzplätzen zu beschränken. In den Wintermonaten sollen Reisende in Fernzügen nur Fensterplätze buchen können. Bei Sitzgruppen mit Tisch sollen künftig nur noch die diagonal gegenüberliegenden Sitzplätze gebucht werden können. Eine Reservierungspflicht in den Zügen der Deutschen Bahn ist also weiterhin nicht in Sicht. Sie wird nicht nur vom Bahn-Vorstand, sondern auch von der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft, EVG, abgelehnt. Die EVG warnt, die Folgen hätte vor allem das Personal in den Zügen zu tragen.
Heinz Dürr (r), Vorsitzender der Deutschen Bahn, überreicht Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann (l, CDU) ein ICE-Modell. Am 10. Januar 1994 fand in Berlin die symbolische Fusion der Bundesbahn (Bundesrepublik) und der Reichsbahn (frühere DDR) zur Deutsche Bahn AG statt. | Verwendung weltweit
Die Privatisierung der Bahn 1994
Vor 25 Jahren wurde der überschuldete Staatsbetrieb Deutsche Bahn zum privatrechtlichen Konzern. Die damals beschlossenen Einsparungen spüren Fahrgäste heute mehr denn je. Doch inzwischen gibt es auch wieder eine echte Diskussion über die Zukunft der Schiene.
Die Fernzüge der Deutschen Bahn sind gegenwärtig nur zu 20 Prozent ausgelastet, die Regionalzüge zu 55 bis 60 Prozent. Diese Politik, trotz schwacher Auslastung am regulären Fahrplan festzuhalten und die Kapazitäten sogar noch zu erhöhen, ist allerdings teuer. Der DB-Konzern rechnet mit einem Gesamtverlust von 5,6 Milliarden Euro in diesem Jahr. Das geht aus Papieren für die Aufsichtsratssitzung des Unternehmens hervor, wie die Frankfurter Allgemeine berichtet. Die Bundesregierung hatte bereits im Juni beschlossen, das Eigenkapital der Bahn um fünf Milliarden Euro aufzustocken – zum Ausgleich der Verluste.
Wettbewerbsneutrale Hilfen statt DB-Subventionen gefordert
Allerdings könnte es sein, dass sich die EU-Kommission querstellt und nur die Hälfte der Subventionen durch den Bund zulässt. Die Konkurrenz der Bahn applaudiert. Peter Westenberger, Geschäftsführer des Netzwerks Europäischer Eisenbahnen, sagte dem Deutschlandfunk:
"Die EU-Kommission ist das letzte Bollwerk für einen fairen Wettbewerb, weil die Bundesregierung an der Stelle eben auf die Tatsache, dass der Eisenbahnsektor heute nicht mehr nur aus der Deutschen Bahn, sondern aus vielen Eisenbahnen besteht, überhaupt nicht geachtet hat."
Westenberger fordert statt der einseitigen Milliardensubventionen für die Deutsche Bahn "wettbewerbsneutrale Hilfen".
Coronavirus
Übersicht zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)
"Was uns sehr stark helfen würde, wäre, wenn für alle Unternehmen die Trassenpreise, die Benutzungsgebühren für das Schienennetz, weiter abgesenkt werden könnten, am besten auf Null. Und genau dafür hat ja auch die EU-Kommission und das Parlament den Weg vor kurzem freigemacht. Und es ist uns völlig unverständlich, warum die Bundesregierung diese Möglichkeit nicht ergreift."
Es müsse unterschieden werden, schrieb das Netzwerk Europäischer Eisenbahnen an Kanzlerin Merkel, welche Verluste der DB auf die Pandemie zurückzuführen seien und welche auf Managementfehler.