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Religiöse Rituale
Richten übers Schächten

In Belgien dürfen nur professionelle Schlachthöfe schächten. Deren Kapazitäten seien zu gering, sagen islamische Organisationen in Belgien, deshalb müsse es Ausnahmen geben. Seit gestern befasst sich der Europäische Gerichtshof in Luxemburg mit dem Streit um Religion, Tierschutz und Hygiene.

Von Tonia Koch | 19.09.2017
    Halal-Metzgerei im Brüsseler Stadtteil Molenbeek, aufgenommen am 09.01.2016.
    Eine Halal-Metzgerei in Brüssel (imago stock&people / Winfried Rothermel)
    Technische Details bestimmten gestern Nachmittag die Debatte über das rituelle Schlachten von Tieren vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg. Die Liga der Moscheen und islamischen Organisationen in der belgischen Region Antwerpen möchte sich nicht einschränken lassen, sie wehrt sich gegen die Regel, rituelle Schlachtungen künftig ausschließlich in den professionellen Schlachthöfen durchführen zu lassen. Da solche Schlachtungen in aller Regel im Rahmen des islamischen Opferfestes stattfänden, verfügten die Schlachthöfe nicht über die notwenige Kapazität. Die muslimische Gemeinde wolle die Tiere deshalb weiterhin in sogenannten mobilen Schlachthöfen schächten. Eine Gefahr ginge davon nicht aus, argumentiert der Anwalt der Liga der Moscheen, Joos Roets:
    "Sie haben vergleichbarer hygienische Standards, wenn sie auch nicht die gleichen Standards aufweisen wie reguläre Schlachthäuser."
    Bis vor zwei Jahren, so Roets, habe es insgesamt 59 temporäre Schlachtstellen gegeben. Diese seien gemeinsam von den lokalen Moscheen und den Behörden bei Bedarf eingerichtet worden und hätten im Rahmen des Opferfestes die steigende Nachfrage nach Fleisch gedeckt, das rituell geschlachtet worden sei und damit als "halal" gelte. Die betroffenen Gemeinden würden die religiösen Regeln überdies streng Regeln auslegen. Das bedeute, dass ein Tier nur am ersten Tag des Opferfestes geschlachtet werden dürfe. Dafür reichten die Kapazitäten der professionellen Schlachthöfe nicht aus.
    Roets: " Es gibt sicherlich Unterschiede im Hinblick auf die Schlachthauskapazitäten, aber in Belgien haben wir ein Kapazitätsproblem und zwar am ersten Tag. Die flämische Regierung behauptet nun, es gibt dieses Kapazitätsproblem nicht, aber sie reden auch von drei Tagen, das ist der eigentliche Unterschied. Die belgischen Muslime möchten am ersten Tag schlachten und die flämische Regierung sagt, ihr könnt das an drei Tagen tun, das ist eine religiöse Frage und darüber hat die Region nicht zu befinden."
    "Es sind vor allem wirtschaftliche Gründe, keine religiösen"
    Grundsätzlich hat die EU rituelles Schlachten ohne Betäubung in entsprechenden Richtlinien europaweit geregelt. Allein zuständig sind die professionellen Schlachthöfe. Und mit dieser Regelung käme zum Beispiel das Vereinigte Königreich sehr gut zu Recht, ergänzte dessen Vertreter. Seitens der drei Millionen Muslime, die in Großbritannien beheimatet seien, habe es bislang keine Klagen gegeben. Darüber hinaus sei es mitnichten so, dass die Auslegung der religiösen Regeln es erfordere, dass die Tiere für das Opferfest am ersten Tag des Festes geschlachtet würden, das sei Konsens in Großbritannien.
    Antoni Godfroid, Anwalt der belgischen Tierschutzorganisation, Global Action in the Interest of Animals, bestreitet deshalb auch, dass es in dem vor dem EuGH verhandelten Sachverhalt im eigentlichen Sinne um eine religiöse Frage geht.
    Godfroid sagt: "Es gibt keine religiöse Frage, es geht um den Schutz der öffentlichen Gesundheit. Im Moment besagen die europäischen Regeln, dass in überwachten Strukturen geschächtet werden muss und damit haben die muslimischen Vertreter Probleme. Es sind vor allem wirtschaftliche Gründe, sie scheuen die nötigen Investitionen."
    In der Tat verwies die Liga der muslimischen Verbände in der mündlichen Verhandlung darauf, dass sie sich außer Stande sehe, Millionen Euro in mobile Schlachteinrichtungen zu investieren.
    Die europäischen Länder verfolgen im Hinblick auf das Schächten keine einheitliche Linie. In Dänemark, den Niederlanden, in Frankreich und eben auch in Großbritannien ist es erlaubt, allerdings nur in professionellen Einrichtungen. In anderen Ländern, wie etwa in Schweden oder auch in Polen ist es grundsätzlich verboten. Auch in Deutschland ist das betäubungslose Schlachten grundsätzlich verboten, allerdings können aus religiösen Gründen Ausnahmeregelungen erteilt werden. Diese werden jedoch äußerst selten nachgefragt.