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Religion an der Schule
Evangelische und katholische Kirche kooperieren beim Unterricht

Gemeinsam statt getrennt: Die Evangelische Landeskirche Berlin-Brandenburg und das Erzbistum Berlin haben sich jetzt auf eine Kooperation beim Religionsunterricht verständigt – dies gilt für die Bundesländer Berlin und Brandenburg. Sie sind damit Vorreiter in einem bundesweiten Prozess.

Von Claudia van Laak | 06.10.2017
    Kinder einer Berliner Grundschule spielen auf dem Schulhof.
    Künftig soll es in Berlin mehr gemeinsamen evangelischen und katholischen Religionsunterricht geben. (picture alliance / dpa / Robert Schlesinger)
    "Guten Morgen."
    Die 3a der Ikarus-Grundschule in Berlin-Mariendorf. Der Religionsunterricht von Inge Kerschkewicz beginnt anders als eine übliche Unterrichtsstunde - mit dem Entzünden einer Kerze und den Wünschen der Kinder.
    "Ich wünsche mir, dass es meinem Opa im Himmel gut geht." - "Ich wünsche mir, dass in Afrika keiner mehr hungern muss." - "Ich wünsche mir, dass jeder einen schönen Tag hat." - "Ich wünsche mir, dass mein Hund wieder gesund wird."
    In der Ikarus-Grundschule unterrichten katholische und evangelische Lehrkräfte schon seit Jahren gemeinsam. Immer zwei Lehrkräfte sind im Unterricht – wenn nicht eine von beiden – wie heute – krank ist. Die 58-jährige Inge Kerschkewicz übernimmt den katholischen Teil.
    "Meine evangelischen Kollegen fanden Themen spannend, die wir in unserem Plan drin hatten, wie die Heiligen, Elisabeth oder Martin und so, und auch die Sternsingeraktion. Sie sehen, an den ganzen Türen sind die Aufkleber drauf, Sternsinger zu sein und da mitzumachen, finden alle super interessant. Und ich genauso umgekehrt. Luther in meinen Plan da mit reinzunehmen und die Reformation, für mich heute ist das ganz normal."
    Die Zahlen sprechen für sich
    In Berlin ist Religion kein reguläres, sondern ein zusätzliches Schulfach. Das heißt, jedes Kind bzw. die Eltern müssen sich extra dafür entscheiden. Umso erstaunlicher, dass die gesamte 3a der Ikarus-Grundschule dabei ist - sind doch von 27 Kindern in der Klasse nur 2 katholisch und 3 evangelisch, die Mehrzahl gehört also keiner christlichen Kirche an.
    "Und deshalb sagen wir ja immer, guckt euch doch die Zahlen an, es ist ein freiwilliges Fach und bei uns machen so viele Kinder gerne und freiwillig mit."
    So kooperativ wie das Fach Religion an der Ikarus-Grundschule unterrichtet wird, so könnte es bald in ganz Berlin und Brandenburg sein. Einen entsprechenden Vertrag – der auch einen gemeinsamen Lehrplan für die Grundschule enthält – unterzeichneten heute das Erzbistum Berlin und die Evangelische Landeskirche Berlin-Brandenburg.
    "Für mich ist der Kooperationsvertrag zunächst ein Ausdruck, wie wichtig uns der Religionsunterricht ist"
    Allerdings: Eine evangelische und eine katholische Lehrkraft gleichzeitig im Unterricht wie an der Ikarus-Grundschule, das ist Luxus. Künftig ist es möglich, dass entweder eine katholische oder eine evangelische Lehrkraft unterrichtet. Erzbischof Heiner Koch und Bischof Markus Dröge betonen,
    "Dass wir jetzt einen Unterricht anbieten, wo ein Lehrer, eine Lehrerin von einer Konfession auch Mitverantwortung übernimmt für die andere Konfession. Das ist Ausdruck eines großen Vertrauens."
    "Für mich ist der Kooperationsvertrag zunächst ein Ausdruck, wie wichtig uns der Religionsunterricht ist. Der Religionsunterricht, der unter den Bedingungen der Institution Schule am Bildungsprozess der Kinder einen wesentlichen Beitrag leistet für sie."
    Das offizielle Adjektiv für diesen Religionsunterricht lautet: "konfessionell-kooperativ". Das heißt – die beiden Bischöfe sprechen nicht von einem gemeinsamen, geschweige denn von einem ökumenischen Unterricht.
    "Ökumenisch hieße ja, wir hätten eine gemeinsame kirchliche Grundlage, das haben wir aus guten Gründen nicht."
    "Ökumene beginnt nicht da, wo wir Gemeinsamkeiten haben, sondern auch in der Differenz."
    "Ich denke, man kann sagen, er ist als konfessionell-kooperativer Religionsunterricht ökumenisch."
    Nur acht von zehn allgemeinbildenden Schulen in Berlin bieten derzeit Religionsunterricht an. Die evangelische und die katholische Amtskirche hoffen, mit dem heute unterzeichneten Vertrag den Religionsunterricht zu stärken und diese Zahl halten zu können. Dass nicht alle Schulen Religionsunterricht anbieten, liegt in erster Linie am Lehrermangel – viele Lehrkräfte gehen in den nächsten Jahren in den Ruhestand, der Nachwuchs fehlt.